Das Leben in den californischen Minen

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Titel: Das Leben in den californischen Minen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 300–302
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Das Leben in den californischen Minen.

In Nr. 17 der Gartenlaube versetzten wir den Leser auf einen Augenblick in das „glückliche Thal“, welchen Namen der Mittelpunkt des heutigen St. Francisco noch 1849 führte, und zeigten ihm das wundervolle Erblühen einer Stadt, wie die Geschichte kein zweites Beispiel aufzuweisen hat. Heute folge er uns den Sacramento aufwärts, tiefer in’s Land, dem Schneegebirge zu, um die Goldgräber selbst bei ihrer Arbeit zu belauschen.

Das Goldwaschen mit dem Longtom.

Noch immer sehen wir das alte Drängen und Treiben, wie es 1848 begann, als auf die ersten Berichte über die entdeckten californischen Reichthümer [301] aus fast allen Ländern der Welt Hunderttausende herbeiströmten, um ihre Goldgier an der Quelle selbst zu stillen. Der Wanderzug der Golddurstigen hat sich seitdem getheilt. Für Viele ist jetzt Australien das gelobte Land der Verheißung geworden, allein das schimmernde Gold müßte die Herzen der Menschen weit weniger bestechen, als es der Fall ist, wenn die Zahl der Goldgräber in Californien sich deshalb hätte mindern sollen. Daß es neben wenigen Glücklichen eine viel größere Anzahl gab, die sich in ihren Hoffnungen betrogen sah, hat der magnetischen Anziehungskraft der Goldminen eben so wenig Abbruch gethan.

Erste Untersuchung des Bodens.

Die Umgebungen des Sacramento und San Joaquin, wo der erste Sammelplatz der Goldsucher war, sind zur Zeit so ziemlich ausgebeutet, doch sind dafür tiefer im Gebirge der mehr oder weniger reichhaltigen Gruben noch genug vorhanden. Ohne harte Arbeit ist aber kein Gold mehr zu gewinnen, und die Zeit, wo in wenigen Wochen fabelhafter Reichthum erlangt wurde, ist vorüber. Der thätige, umsichtige und erfahrene Goldgräber schlägt indeß, selbst im ungünstigsten Falle, immer noch seine Kosten heraus. In der Regel vereinigen sich die Einzelnen zu kleinen Gesellschaften von fünf bis sechs Personen, die jedoch jetzt, wo nach und nach die Ausbeutung im Großen durch Dampfmaschinen beginnt, in eine immer ungünstigere Lage gerathen und mit der Zeit zu rein bezahlten Arbeitern der mit großen Capitalien auftretenden Unternehmer herabsinken werden. Die Wucht des Capitals macht sich selbst dort geltend, wo Allen der Reichthum so leicht zugänglich schien.

Das Goldwaschen mit der Wiege.

Von den Ufern des Sacramento weg haben sich jetzt schon die meisten der kleinern Gesellschaften der Sierra Nevada zugewandt. Auf den Wegen, die diesem Gebirge zuführen, begegnet [302] man ihnen oft zu Pferd und zu Esel. Die Ausrüstung dieser Leute ist fast immer die gleiche. Ueber der Schulter hängt die Flinte; im Gurt steckt der beliebte Revolver, eine Art Pistol mit einem Lauf, aus welchem fünf bis sechs Schüsse hintereinander abgefeuert werden können. Hacke, Schaufel, das nothwendigste Küchengeschirr und die unerläßliche Küpe fehlt ebenso wenig. Sobald die Goldgräber in der zum Aufenthalt erwählten Gegend angekommen sind, beginnen sie von der dem Anschein nach günstigsten Stelle Besitz zu nehmen, die damit ihr zeitweiliges Eigenthum wird.

Während die Einen noch die Zelte aufschlagen und wohnliche Einrichtungen treffen, schreiten die Andern sofort mit ihren Werkzeugen zur Untersuchung des Bodens. Zu diesem Zwecke wird vorerst ein Loch von 3, 4–6 Fuß Tiefe gegraben, alsdann die Küpe (eine Art blecherner Schüssel) mit der ausgegrabenen Erde gefüllt, und diese am Ufer eines Flüßchens ausgewaschen. Jenachdem sich die Erde hierbei goldhaltig zeigt, wird nun mit der Arbeit fortgefahren oder an einer andern Stelle begonnen.

Unter Mühseligkeiten aller Art, oft bei einer durch nichts gemilderten wochenlang anhaltenden afrikanischen Gluth, auf die wieder monatlanges kühles Regenwetter, Regen in Strömen, folgt, häufig bei Mangel an Lebensmitteln und Wasser, wird jetzt das Auswaschen der Erde fortgesetzt. Man bedient sich hierzu zweier Instrumente, die unter den Namen „Wiege“ und „Longtom“ bekannt sind. Die Wiege, deren man sich auch in andern Theilen Amerikas von jeher zum Goldwaschen zu bedienen pflegte, besteht aus einem 7–8 Fuß langen Kasten, über dessen gerundeten Boden kleine hölzerne Kloben in der Quere eingenagelt sind. Am obern Ende der Wiege befindet sich ein grobes Sieb, am untern Ende ist sie offen. Das Ganze ruht auf Schaukelbalken.

An einer solchen, immer nahe an dem Ufer eines Flusses oder Baches aufgerichteten Maschine müssen mindestens vier Menschen arbeiten. Der Eine gräbt die goldhaltige Erde aus, der Zweite trägt sie zur Maschine und wirft sie auf das Sieb, der Dritte hält die Wiege durch Schaukeln in anhaltend starker Bewegung, und der Vierte gießt währenddem Wasser darüber. Die größern Steine werden von dem Sieb zurückgehalten, die erdigen Theile spühlt das Wasser schnell fort, die härtern und das Kies rollen nach und nach am untern offnen Ende der Maschine heraus; das Gold selbst, mit einem schweren, feinen, schwarzen Sand vermischt, bleibt hinter den Kolben sitzen. Das so vermischte Gold läßt man alsdann in Pfannen laufen, in denen es der Sonne ausgesetzt bleibt, bis es gänzlich trocken, worauf der Sand einfach weggeblasen wird und das Gold in glänzenden Körnern zurückbleibt.

Das Auswaschen mit dem Longtom erfolgt nahe hin auf dieselbe Weise. Letzteres Instrument wurde an Ort und Stelle von einem Amerikaner Namens Tom erfunden, und da man es gewöhnlich 10–12 F. lang macht, so hat man seinem ursprünglichen Namen das Beiwort „long“ hinzugefügt.

Die frühern enormen Preise für alle Lebensbedürfnisse sind gegenwärtig, mit Ausnahme der Zeit, wo die Flüsse austreten und alle Communication abschneiden, zu einer mäßigen Höhe herabgesunken, so daß sich ein Mann zu 1 Thlr. 10 Ngr. täglich recht gut beköstigen kann. Je tiefer in’s Innere des Landes die Goldgräber aber vordringen, mit desto größern Beschwerden und Gefahren haben sie zu kämpfen, und oft bildet der Tod von wilder Indianerhand den Schlußstein eines vielbewegten Lebens. Ja, eines vielbewegten Lebens! Denn die neue golddürstige Bevölkerung Californiens ist nicht nur aus fast allen Ländern der Erde zusammengewürfelt, sondern sie besteht auch aus einem Gemisch, zu dem alle Klassen der bürgerlichen Gesellschaft ihren Antheil geliefert haben. Kaufleute und Gelehrte, Officiere und Advokaten, Aerzte und Künstler, Handwerker und Matrosen, jeder Stand ist hier repräsentirt. Daneben suchten Alle, die in irgend einem Lande aus diesem oder jenem Grunde Freiheit oder Leben verwirkten, hier eine Freistatt. Das Leben eines Goldgräbers ist übrigens so über alle Maaßen beschwerlich, daß es nur kräftige Naturen ertragen können, und selbst diese sind häufig gezwungen, die mühselige Beschäftigung aufzugeben. Die alten europäischen Gewohnheiten müssen dabei gleich von vorneweg aufgegeben werden, und von einem veredeltern Genuß des Lebens ist keine Rede mehr. Unausgesetzt an seine geisttödtende Arbeit gefesselt, sucht der Goldgräber höchstens im Wein und andern Spirituosen einige fröhliche Augenblicke, und versinkt in vielen Fällen nach und nach in den Zustand thierischer Rohheit. Es muß daher selbst der brave Mann sehr festen Charakters sein und eine große Selbstbeherrschung besitzen, um nach Jahresfrist die Minen eben so sittlich und gebildet zu verlassen als er sie betreten hat.