Das Luisenzimmer im Schlosse Monbijou zu Berlin

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Autor: Walter Schwarz i.e. Wanda von Dallwitz
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Titel: Das Luisenzimmer im Schlosse Monbijou zu Berlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 164–166
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[164]
Das Luisenzimmer im Schlosse Monbijou zu Berlin.
(Zum 10. März.)

Mitten in dem regen Berlin, wo Handels- und Börsenverkehr die Straßen mit geschäftig Eilenden fast überfüllt, wo der bunte Obstmarkt am Wasser Kauflustige anlockt, Wagen rasseln und Omnibusführer klingeln, liegt, einer stillen, grünen Insel gleich, der Garten von Monbijou. Hinter die Mauer, die ihn umfriedet, unter den Schatten seiner Bäume dringt wenig Weltlärm, wenig Menschenunruhe. Höchstens daß ein paar Kinderwärterinnen, den Strickstrumpf in der Hand, ihre Pflegebefohlenen dort spazieren führen, die sich fröhlich im hochaufgeschossenen Rasen die ersten Butterblumen pflücken. Das Einsame und Ueberlebte dieser Umgebung widerspricht den Eindrücken nicht, die uns im Innern des Schlosses erwarten. Wir betreten eine Stätte der Vergangenheit. Treue Erinnerung hat ihr hier weder Tempel noch Denkmäler gebaut, aber mit liebender Hand zusammengetragen, was uns das Bild der Heimgegangenen, ihrem Wirken und Wesen, ihren Eigenthümlichkeiten und Gewohnheiten nach bis in ihre äußere Umgebung und Erscheinung hinein, vergegenwärtigen kann. Die weiten Säle und Kammern des Schlosses Monbijou enthalten ein Andenken-Museum der Familie Hohenzollern.

Das Vorhandene ist so massenhaft, daß wir nicht daran denken können, bis in seine Einzelnheiten hinein – die freilich sämmtlich bedeutungsvoll und interessant sind – von Allem zu erzählen. Nur Hauptsächliches kann hervorgehoben werden. Unwillkürlich tritt dabei in die erste Reihe Alles, was sich auf die holde, vielgeliebte Frau bezieht, mit der sich jetzt (10. März) gerade vor einem Jahre alle deutschen Herzen gelegentlich der Hundertjahrsfeier ihrer Geburt besonders liebevoll beschäftigt haben. Was ihr Sein und Leben in bestimmteren Umrissen zeichnet, nimmt unser Interesse vorzugsweise in Anspruch. Doch mag auch Anderes wenigstens erwähnt werden, schon weil das Ganze hier zusammenhängt, wie die Glieder einer Kette, und weil auch was vor und was nach Luisen war, zu ihr gehört, um ihr sanftes, hehres Bild ganz in sein rechtes Licht zu stellen.

Direct vom Garten aus tritt man in die Säle des Schlosses; durch keine Treppe, keine Stufe erhöht, liegen sie vollständig zu ebner Erde. Eine Waffenhalle empfängt uns, die für den Kenner gewiß reich an interessanten Stücken ist. Ein Sattel, noch aus den Kreuzzügen stammend, nach Art uralter Buchdeckel mit byzantinischer Elfenbeinschnitzerei belegt, erschien mir sehr merkwürdig. Allzu weich haben die frommen Streiter freilich nicht gesessen. Auch ein großes schwarzes Vehmschwert, wie es vor dem Stuhlherrn auf der Bibel gelegen – die Symbole im Knopfe seines Griffes kennzeichnen es – hängt dort über der Eingangsthür.

Links von der Waffenhalle liegen nur wenige Gemächer. Im ersten birgt ein großer Glasschrank die Krönungsmäntel unseres deutschen Kaiserpaares. Die Wände des letzten sind mittelalterlich mit Wappen- und Devisenschilden decorirt; diese stammen aus dem Tournier, welches am Neuen Palais bei Potsdam abgehalten wurde, als die Prinzessin Charlotte von Preußen zum ersten Male als russische Kaiserin die Heimath wieder besuchte.

     A Dieu mon âme,
     Ma vie au Roi,
     Mon coeur aux dames,          
     L’honneur pour moi!
(Gott meine Seele,
Mein Leben dem König,
Mein Herz den Damen,
Die Ehre für mich!)

haben sich die von Waldow zum Wahlspruch genommen. Wäre es nicht noch ritterlicher zu sagen: mon coeur à ma dame statt der etwas bedenklichen Zersplitterung des Herzens an das ganze schöne Geschlecht?

Zwischen diesen beiden Gemächern liegt ein drittes, das der Erinnerung an Friedrich Wilhelm den Zweiten gewidmet ist. Ich will von seinen Stöcken, Röcken, Stühlen, Uhren und Dosen nicht weiter reden. So etwas findet sich in dem Nachlasse fast jedes Monarchen. Auf dem Kaminsimse aber stehen zwei Teller von weißem Porcellan, grün umrändert; in der Mitte befindet sich ein Namenszug, F. W., gleichfalls grün. Dreht man den Teller um, daß die Schrift auf dem Kopfe steht, so wird aus dem verschlungenen F. W. ein M. v. L.; statt des königlichen Namens Friedrich Wilhelm lesen wir denjenigen seiner Geliebten: Marianne von Lichtenau[WS 1]. Ein completes derartiges Service war im täglichen Gebrauche des Königs. Als Friedrich Wilhelm der Dritte ihm folgte, wurde dasselbe zu geringeren Diensten im königlichen Haushalte degradirt und möglichst rasch verbraucht. Jetzt werden nur noch diese beiden Teller als Curiosum aufbewahrt. – Auch ein Bild der Lichtenau ist dort zu sehen, ein in grauer Thonmasse modellirtes Profilköpfchen von weichen, runden Formen und vielsagendem Lächeln. Die ganze damalige Zeit tritt uns in diesem sinnlich-hübschen Gesichte entgegen. Es war keine gute Zeit, und doch klopfte auch in ihr ab und zu ein Pulsschlag des Herzens. Eine alte vergriffene Bibel wurde uns gezeigt, ein Geschenk der jungen Gräfin Ingenheim an den König. Vornan steht noch der Mädchenname: Amelie von Voß. Sie muß ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein, als sie die Bibel erhalten, die sie später dem Könige gegeben hat, wie einige von ihm selbst hineingeschriebene Zeilen aussagen. Unter dieselben hat er die Worte hinzugefügt. „Dies bleibt meine Handbibel bis an meinen Tod.“

Zurückkehrend in die Waffenhalle, treten wir rechts in einen größeren Saal, der uns Friedrich Wilhelm den Vierten und seine Gemahlin Elisabeth vergegenwärtigt. Da finden wir Bilder, Gegenstände, Anklänge, die noch unserer eigenen Erinnerung bekannt und vertraut sind. Das Brautkleid der Königin, obgleich von Silberbrocat, mit künstlich gearbeiteten silbernen Blumen besetzt, will uns in Schnitt und Fülle des Stoffes, gegen die jetzigen Moden, fast bescheiden erscheinen. In den Glasschränken, welche die lange Hinterwand decken, ist manches Curiose aus des Königs Besitz. Eine kleine farbige Statuette z. B., den Theaterfriseur Warnicke darstellend, wie er, grau in grau gekleidet, mit grauem Haar, in den Straßen von Berlin einherging, eine Figur, die jedes Kind kannte. Dann ein großes silbernes Schreibzeug, welches, als Geschenk eines englischen Edelmannes, in Schiller’s Besitz gewesen. Fast wie Ironie erscheint dieser strotzende Silberglanz, wenn man zurückdenkt, wie oft und wie lange des Dichters Feder in Noth und Mangel getaucht blieb.

Im Nebengemache faßt schon der erste Blick, wie einfach, schmucklos, fast kahl es hier aussieht. In der Mitte des Zimmers steht ein Schreibtisch, eine glatte, von schmaler Holzgalerie umgebene Platte mit Kasten darunter – übrigens kein Zierrath, kein Leistchen und kein Schnörkelchen, das zu viel wäre. Es ist der [165] Schreibtisch Friedrich Wilhelm’s des Dritten. In der Ecke steht des Königs Bett, ein glattes Holzgestell mit weißer, durch die Zeit vergilbter Oelfarbe gestrichen. Auf der schlichten Decke liegt sein Morgenanzug, ein langer Rock von weißem Drell, wie die Arbeitsjacken der Soldaten. Ein Bettschirm, hinter dem der König bis an sein Ende geschlafen, umgiebt das Lager. Er ist von gelbem Papier, mit ausgeschnittenen Soldatenbildern aller preußischen Regimenter beklebt. Am Fenster dieses Gemaches hängt an farbigen Bändern, schon zerbrochen und verstäubt, ein Bündel bunter Ostereier. Bemalt, radirt, beklebt, mit gepreßten Blümchen verziert, sind es Gaben der königlichen Kinder, wie diese sie, so gut ein Jedes es konnte, dem theuren Vater zum Feste darzubringen pflegten. Der schmucklose Schreibtisch nun, das fast ärmliche Bettgestell und dieses sorgsame Aufbewahren der ersten Leistungen zärtlich geliebter Kinder – das Alles zusammengenommen giebt auch ein Bild der Zeit und ihres Zuschnittes, der, in harter Schule jeden unnützen Luxus verbannend, ein edles Herz in den rein menschlichen, natürlichsten Empfindungen nur um so inniger befestigte. Und das nächste Zimmer ist Luisens Zimmer. –


Schloß Monbijou im Jahre 1732.
Einem alten Kupferstich facsimile nachgebildet.


Sie hat nicht hier gewohnt, aber der ganze, übrigens nicht große Raum ist mit Gegenständen gefüllt, die sie täglich benutzt, die Jahre lang ihre nächste Umgebung ausgemacht haben. Sie waren dem Enkel, Deutschlands Kronprinzen, vermacht, der sie hierher gestiftet hat. Die Aufschrift mehrerer Zettel, welche, an den Gegenständen angeheftet, dieselben näher bezeichnen, ist von des Kronprinzen eigener Handschrift. Es liegt wie ein Geist des Friedens über dem Zimmerchen und seiner schattigen Stille.

In eine Ecke des Schlosses hineingebaut, hat das Luisen-Zimmer zwischen den beiden im rechten Winkel zu einander stehenden Thüren nur dieses eine Fenster. Auf den Plafond, der glatt lichtblau wie ein klarer Himmel ist, sind mit ausgebreiteten Flügeln große und kleine Vögel gemalt, die hoch im Aether zu schweben scheinen. Auch die Decoration der Wände ist früher eine ähnliche gewesen. Aber durch die Zeit geschädigt, wurde sie jetzt durch einen mattgelben Ton ersetzt, der nur wenig mitspricht. An der ersten Wand, rechts neben der Thür, steht ein altmodiges Schränkchen mit vielen flachen Schubkästen; vielleicht war es zur Aufbewahrung von Noten bestimmt; wenigstens füllt gleich dahinter der Flügel die übrige Wandlänge aus. Er ist schmal, schlank, dünnbeinig. An den Kanten ziemlich dürftig durch einen Metallbeschlag verziert, mag er seiner Zeit vielleicht doch ein recht kostbares Möbel gewesen sein. Die Tasten sind, wie beim Spinet, noch umgekehrt: die unteren schwarz, die oberen weiß. Der Ton ist dünn, aber weich und zart. Traum- und Wiegenlieder, von kundiger Hand gespielt, mögen anmuthig genug darauf geklungen haben. Zwei Mandolinen – jetzt mit gesprungenen Saiten – lehnen auf ihm gegen die Wand, an der, von Ternite gemalt, ein Bild der Königin hängt. Sie ist im weißen Atlaskleide und mit kurzer Taille dargestellt und trägt eine Krone in den Locken. Das Bild erscheint etwas platt und flach. Die beiden bekannten Portraitbüsten Luisens und ihrer Schwester, der nachmaligen Königin von Hannover, auf Consolen an seinen Seiten, überflügeln es an künstlerischer Bedeutung. Die Nische der Mittelwand schmückt Rauch's Büste der Königin. Rechts und links von ihr stehen Glasschränke, gefüllt mit persönlichen Andenken der hohen Frau. Hier könnte man Stunden und Tage lang die Gedanken versenken in Luisens äußeres und inneres Leben, in die Physiognomie der Zeit, der sie angehörte, die sie theilweise beseelt hat.

Der Schrank rechts enthält Kleidungsstücke, welche die Königin getragen hat. Wie wunderlich sehen diese Hüte uns an – das gewiß damals sehr elegante italienische Strohgeflecht, mit hohem [166] Kopfe und überschwänglich breit sich entfaltendem Schirm, von maisgelben Seidenbändern umflattert! Hier der unförmig große Reithut von schwarzem Filz, der sie doch so besonders schön gekleidet haben soll. – In dem Schranke nach links ruht manches Blatt, von ihrer Hand geschrieben. Bruchstücke eines französischen Tagebuches, voll orthographischer Fehler, das dann plötzlich abbricht, als sei die fremde, kalte Sprache dem deutschen Herzen doch gar zu sehr entgegen gewesen. Ein Heftchen in Octavformat trägt die Aufschrift: „Religiöse Fragen und Antworten, angefangen den 7. April für Luise von Mecklenburg-Strelitz 1789.“ – Auch ein gedrucktes Büchelchen lehnt gegen die Scheiben des Schrankes. „Journal des Luxus und der Moden“ steht auf seinem ziegelrothen Umschlage. Unter den mannigfachen Gegenständen aus dem Besitze der Königin, die hier aufbewahrt, fällt auch ein ausgestopfter Vogel auf. Vielleicht ein Lieblingsthier, an dem sie Freude gehabt und dessen todte Hülle sie sich noch erhalten wollte?

Im rechten Winkel zu diesem Schrank, an der dritten Wand, steht der Schreibtisch, gleichfalls ein kleines, leichtes Möbel von ähnlicher Arbeit wie der Flügel ihm gegenüber. Zwei Pastellbilder sind dort aufgestellt; das eine, von Schröder, das uns die Königin, einen dunkelblauen Mantel um die Schulter geschlagen, im Profil zeigt, ist durch zahllose Vervielfältigungen bekannt; das andre, ein feines, farbenzartes Köpfchen, wurde von Bardou im Jahre 1796 gemalt. Eine zweite Thür folgt; neben ihr, dicht an dem vorher erwähnten, die Ecke bildenden Fenster, hängt ein lebensgroßes Portrait der Oberhofmeisterin Gräfin Voß, gebornen von Pannewitz, der treuesten Freundin, welche die preußische Königin in guten und in bösen Tagen besessen hat. Am Fenster selber lehnt der Stickrahmen. Noch ist feiner Stramin darin eingespannt und die lose hängenden Seidenfäden deuten das begonnene Muster an. Welche Gedanken mögen hineingenäht sein in diese steifen Figuren, diese verblichenen Rosen?

Zwischen dem Fenster und der ersten Eingangsthür, hinter dem Arbeitsplätzchen der Königin, steht mit dunkelgrünem Seidenzeug überspannt die Wiege ihrer Kinder. – Mit ihr schließt sich und in ihr gipfelt die kleine und doch so inhaltreiche Welt, die hier aufgebaut wurde zu Luisens Angedenken und die ihr ganzes Leben wiederspiegelt: ihre Schönheit, ihre häuslichen Tugenden, die Freundschaft, die sie mit unverbrüchlicher Treue zu pflegen wußte, das tief religiöse Gefühl, welches, zeitig in ihr geweckt, ihr Schutz und Schirm blieb in den Stürmen des Lebens, Kunst und Anmuth und endlich die Mutterliebe, die sie treu geübt, zum nachhaltigen, weitgreifenden Segen für die eigne Familie, wie für Deutschlands glorreiche Zukunft.

Es bietet sich noch viel Anziehendes, Interessantes, wenn man aus dem kleinen gelben Zimmer weiter wandelt durch das Schloß; die Empfindung freilich, welche jenes friedliche Heiligthum im Herzen des Beschauers geweckt, wiederholt sich nicht. Dagegen fände der historische Forscher immer noch ein reiches Feld des Studiums. Hier sind die Zimmer Friedrich’s des Großen mit seiner Todtenmaske, seinen in Wachs bossirten Händen, dem Feldbette und der Wiege, dem Schimmel Condé, den er in der Schlacht von Kunersdorf geritten. Ein umfangreiches Oelbild seiner Gouvernante, Madame de Roccul, sieht aus wie die Feierlichkeit selbst. Ein andres, seines Erziehers Jordan, dagegen, von Pesne gemalt, ist sehr fein und geistvoll. Auch das Zimmer seiner Mutter ist merkwürdig, in allen vier Ecken desselben spitze hohe, fast bis an die Decke reichende Etagèren mit chinesischem Porcellan, an der Mittelwand das sogenannte Thee-Canapé, dessen steiflehnige, großgeblümte Polster an den Seiten von verschließbaren Fächerschränken eingeklemmt werden, in denen die Hofdamen die Handarbeiten, mit denen sie sich beim Thee beschäftigten, aufzubewahren pflegten.

In naher Nachbarschaft zu diesem Gemache befindet sich noch ein Luisen-Zimmer, aber es bringt uns nicht die lebende, sondern die schon heimgegangene Königin zur Anschauung. Ein hoher, kuppelartiger Bau, empfängt es sein Licht von oben. Die Wände sind Spiegel. Zwei Gypsabgüsse, nach den beiden Rauch’schen Monumenten des Königs und der Königin im Mausoleum zu Charlottenburg, stehen in seiner Mitte auf einer Decke von verschossenem lila Sammt, über der sich zwischen den Monumenten verdorrte, gelbe Palmenzweige – vielleicht noch von der Bestattung selber her kreuzen. Rechts ist die Kolossalbüste der Königin von Rauch (1806) aufgestellt; ein classischer Kopf von vollendeter Arbeit, der aber in seiner strengen Schönheit die Luise nicht wiedergiebt, wie sie in unsren Herzen lebt. Vertrauter lächelt uns links das Portrait der Königin (1802), von dem Italiener Grassi in Dresden gemalt, entgegen.

Vor diesem zweiten Luisen-Zimmer streckt sich eine lange, mit Sculpturen fast überfüllte Galerie hin. Sie enthält, theils im Originale, theils in Gypsabgüssen, Portraitköpfe berühmter Männer und Frauen, die dem Königshause nahe gestanden oder sich allgemeine Verdienste im Lande erworben haben: Gelehrte, Künstler und Künstlerinnen, Minister, auch Fürsten selber, aus alter bis in die neueste Zeit. Nicht beziehungslos ist es, daß man Wrangel’s alten Soldatenkopf und die Büste der Oberhofmeisterin Gräfin Voß geschwisterlich nebeneinander auf die Console gestellt hat. Langjähriger und treuer, als diese Zwei, haben wohl Wenige Preußen und seinem Königshause gedient.

Sehr merkwürdig in dieser Sammlung ist auch Napoleon’s des Ersten prachtvolle Marmorbüste von David, die aus St. Cloud im letzten Kriege als Trophäe hierher gebracht wurde.

Wie wir nun weiter und weiter die Säle und Gemächer des Schlosses verfolgen, greift auch die Zeit immer weiter zurück, die uns in ihnen zur Anschauung kommt. Im Zimmer Friedrich Wilhelm’s des Ersten steht am Fenster eine schwerfällige Drehbank aus dunklem Holz, ein Geschenk Peter’s des Großen, und in der Mitte, von Stühlen umgeben, die lange Tafel des Tabaks-Collegiums. Tisch und Stühle sind grau angestrichen und in bäurischem Geschmack mit großen bunten Blumensträußen bemalt. Die Stühle alle haben hohe Lehnen, nur der des Königs nicht. Friedrich Wilhelm der Erste hatte, um sich den Zopf nicht zu derangiren, immer gern den Rücken frei. Hinter dem fröhlichen Tabaks-Etablissement drückt sich in die Zimmerecke der Tisch, an dem Katte’s Todesurtheil unterzeichnet wurde: eine düster schaurige Erinnerung neben der heitersten.

Der lange, bunt decorirte Saal im letzten Flügel des Schlosses zeigt uns, außer architektonischen und Schiffsmodellen, eine Sammlung königlicher Schlitten, Jagd- und Gartenwagen. Wie wechselnd hat die Phantasie auch auf diesem Felde im Laufe der Jahre gespielt! – Fast an jedes einzelne der Stücke hier knüpft sich eine Historie, irgend welche Eigenthümlichkeit einer Person von Bedeutung. Besonders groß und geräumig ist der Kriegsschlitten, in dem der große Kurfürst über das Kurische Haff gegen den Schweden gefahren. Am Ende des Saales steht der erste preußische Königsthron. Und daß auch der Sage ihr Recht gegönnt sei, zeigt man uns noch die Sänfte der „weißen Frau“.

Wie bunt und anziehend aber auch die Vielseitigkeit der Eindrücke hier, wie großartig das Ganze, wie fesselnd das Einzelne – am liebsten wendet sich doch der Blick zurück in das kleine, stille Luisen-Zimmer, zu einer Vergangenheit, die deutschen Herzen nie vergehen, sondern in der Liebe des Volkes ewig weiter leben wird. Große Namen, große Thaten sind es, von denen die weiten Räume hier und ihr Schmuck erzählen; in dem kleinen Zimmer aber „zieht uns das Ewig-Weibliche hinan“ und webt über allen Erdenruhm und alle Erdengröße hinaus die goldnen Seelenfäden, die das Irdische dem Himmlischen verbinden.

Walter Schwarz.

Anmerkungen (Wikisource)