Das Neckarthal

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Textdaten
Autor: Auguste Pattberg
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Titel: Das Neckarthal
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aus: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. In: Neue Heidelberger Jahrbücher, Band 6, Seite 97–99
Herausgeber: Reinhold Steig
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Koester
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Erscheinungsort: Heidelberg
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Quelle: Internet Archive, Commons
Kurzbeschreibung:
Originaltextstelle: Badische Wochenschrift Nr. 8 vom 20. Februar 1807, Sp. 116–120
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Das Neckarthal.[1]

Die Beschreibung des Neckarthales in der Badischen Wochenschrift hat schon bei dem Dorfe Neckarzimmern geendet. Zu interessant ist aber dieses schöne Thal, als dass es nicht der Mühe werth seyn sollte, dem Leser eine vollständige Beschreibung desselben vorzulegen.

[98] Zur Linken des Flusses liegt von Zimmern abwärts der Ort Hochhausen, bekannt durch das Grabmal Nothburgens, der Königstochter, jener vom Volke verehrten Heiligen des Craichgaues, deren Bild in Stein ausgehauen, in der Kirche des Orts zu sehen ist, und von welcher sich noch manche Sagen unter dem Volke erhalten haben. Mit Vergnügen verweilt nun das Auge auf dem lieblich erweiterten, mit Rebenhügeln umgebenen Thale, und erreicht auf der rechten Seite des Neckars das freundliche Neckarelz, da wo sich der Strom theilt, eine Insel bildet, und die schöne Elzbach aufnimmt. Dieser Ort gehörte ehedem zu den Besitzungen des berühmten Ordens der Tempelherren, und noch wird der Gottesdienst einer Religionsparthei an eben der Stelle gefeiert, wo sie einst ihre Versammlungen hielten. Wenig Schritte von da, jenseits der Elz, über welche eine schöne Brücke führt, liegt das fleissige Diedesheim, durch beide Orte zieht die Landstrasse, welche von Würzburg nach Heidelberg geht. Bei dem leztgenannten Dorf geschieht in Nächen oder Fähren die Überfahrt über den Fluss; jenseits erreicht man, nahe am Ufer, den Ort Obrichheim, der durch manche daselbst ausgegrabene Alterthümer merkwürdig ist, und vielleicht noch merkwürdiger werden könnte, wenn Sachkundige weitere Nachforschungen anstellten. Vor etwa 12 Jahren erbaute ein dortiger Bürger ein Haus, beim Fundamentgraben kam man auf eine breite steinerne Stiege, welche in ein Gewölbe führte; die Unwissenden warfen die Öffnung wieder zu, im blinden Wahne, es könnte ein Geist in jenes Gewölbe verbannt seyn. Seitwärts von Obrigheim liegt, auf einem sorgfältig angebauten Berge, die alte Burg Neuburg, von Taglöhnern der dortigen Hofbeständer bewohnt; von da erblickt man das anmuthige Thal mit allen seinen reichen Umgebungen im schönsten Lichte, nahe und ferne gelegene Ortschaften, Schlösser und Burgen, Mühlen und Höfe, erreicht das Auge, und folgt gerne den Krümmungen der Elzbach im schönen Wiesenthale und den Wendungen des Neckars; in amphitheatralischer Gestalt stellt sich das Ganze unter den lieblichsten Bildern dar. Diese lächelnde Gegend, die das Gemüth so freundlich anspricht, war ehedem der Aufenthalt Maximilian Josephs von Baiern, welcher mit seiner ganzen Familie in den Zeiten der Belagerung Mannheims im Jahr 1705 drei Monate lang dort verweilte. Rechts am jenseitigen Ufer erhebt sich auf einem mit Reben bepflanzten Berge der alte Schreckhof, ehmals verschiedenen alten nun ausgestorbenen Familien gehörig. Durch fruchtbare Wiesen und Felder windet sich der Fluss hinab gegen Bienau, ein heiteres Dörfchen, am rechten Ufer, doch, ehe man es erreicht, sieht man zur Rechten die alte, beinahe gänzlich zerstörte Burg Thauchenstein, welche isolirt auf einem steilen Felsenhange dasteht. Gerade Bienau gegenüber, zur Linken des Stromes, liegt das kleine Dörfchen Mörtelstein; romantisch ist seine Lage; zwischen zwei Bergen eingeengt, bleibt es lange dem Auge verborgen, und gewinnt höhern Reiz durch die Überraschung. Noch romantischer liegt auf einem Hügel die kleine Kirche und der Kirchhof, den zwei hohe Tannenbäume dem Wanderer bezeichnen. Von nun an begrenzen dunkle Wälder und steile Berge die Ufer, und man gelangt an eine Stelle, wo der Unkundige, von hohen Gebirgen umringt, sich gleichsam eingeschlossen glaubt, und schwer errathen würde, wohin sich der Strom wendet. Zuerst erreicht man nun das Dorf Guttenbach zur Linken, und mehr abwärts Gerach zur Rechten des Flusses, von wo aus man jenseits gerade gegenüber die schönen Ruinen des Minnebergs empor ragen sieht, welche auf ihrem hohen Sitze schon von Ferne her den schönsten Anblick gewähren, und mit den Wendungen des Stroms sich in mannichfaltiger Gestalt darstellen. Jetzt engt sich das Thal immer mehr zusammen, und man kommt zur Rechten an den Ort Zwingenberg, den eine sehr geräumige Burg in noch bewohnbarem Zustande merkwürdig macht; es sind dort schreckliche Gefängnisse, [99] Burgverliesse, und noch manche Überreste aus den schauerlichen Zeiten der Vehmgerichte. Auch ist es der Ort, wo der Günstling des Kurfürsten Karls von der Pfalz, der bekannte Minister Langhans, der nach dessen Tode angeklagt, schuldig befunden, und zu 20jähriger Gefängnissstrafe verdammt war, gefangen sass. Bei diesem Orte hat der Neckar einen Strudel, der den unkundigen Schiffer verschlingen oder seinen Kahn auf den Felsen zertrümmern würde. Auf einer hohen Waldspitze zur Linken liegt, mehr hinabwärts, die alte berühmte Burg Stolzeneck, von welcher noch einige Sagen im Munde des Volkes sind. Am rechten Ufer kommt man nun an das Dörfchen Lindach, und am jenseitigen, etwas weiter hinunter, nach Rockenau, von da erreicht man, immer weiter abwärts, auf derselben Seite, das Dorf Neckarwimmersbach, und bald darauf, auf der entgegengesetzten, das durch Holzhandel und Gewerbfleiss bekannte Städtchen Eberbach. Hier nimmt der Neckar zwei beträchtliche Flossbäche auf, die Gammels- und die Itterbach, wovon die letztere eine besonders heilende Kraft besitzt. Auf einem hohen Berge sieht man noch die letzten Trümmer einer ehemaligen Burg; gegenüber am linken Ufer aber das Örtchen Plaudersbach, und mehr abwärts am rechten den einsamen Neckarhäuser Hof. Jetzt erscheint schon aus der Ferne an des Flusses linkem Ufer die Kapelle von Hirschhorn, sie ist ein Überbleibsel alter Zeit, im Gothischen Geschmack erbaut, hat eine Menge der schönsten farbigen Glasscheiben, worauf theils Familienbilder, theils die Wappen der damals blühenden Geschlechter von Handschuhsheim, Habern und Hirschhorn sich befinden, und dient jetzt dem gegenüber zur Rechten des Flusses liegenden Städtchen Hirschhorn zur Begräbnissstätte. Dieses Städtchen ist sehr alt. Auf dem Berge liegt eine Burg, die noch bewohnt wird, und ein Kloster, welches vor noch nicht langer Zeit aufgehoben wurde. Noch immer umgeben hohe Berge, dichte Waldungen und Steinklippen die Ufer und der Fluss drängt sich mit raschem Laufe zwischen den hohen Bergmassen hindurch. Bald erblickt man zur Linken den hohen über alles emporragenden Dilsberg, ehemals Diebsberg genannt, weil seine Bewohner in den Zeiten des Faustrechts dasselbe fleissig ausübten. Er war ehedessen sehr befestigt, und ist noch merkwürdig durch seinen 126 Klafter tiefen Brunnen, der im Mittelpunkt seiner Tiefe eine eiserne Thüre hat, die in einen unterirdischen Gang führt, welcher unter dem Neckar hindurch nach dem gegenüber gelegenen Schlosse Steinach gegangen seyn soll, in diesem Schlosse, nahe bei dem Städtchen dieses Namens, hauste einst der berühmte Ritter Landschaden von Steinach. In der dortigen Kirche sind noch, in Stein ausgehauen, mehrere Ritter – unter ihnen auch Landschaden, zu sehen. Eine schwarze Tafel erzählt die Geschichte des leztern dem Wanderer.

Ausser jener Burg sind noch drei ähnliche Ruinen alter Schlösser in der Nähe, kaum einen Flintenschuss von einander entfernt, einige nennen sie die Schwester-Burgen, andre geben ihnen drei verschiedene Namen. Von diesen Burgen laufen in der Gegend noch mancherlei wunderbare Sagen umher. Jetzt wird der Fluss von der einen Seite etwas freier, und nähert sich dem artigen Städtchen Nekargemünd; es liegt am linken Ufer, und ist durch den regen Fleiss und die Betriebsamkeit seiner Einwohner bekannt. Die Landstrasse führt von da, immer am Rande des Flusses hinab, bis nach Heidelberg.

Jeder Fremdling, der diese Gegend besucht, wird sich mit Innigkeit der Schönheiten freuen, die er hier bei jedem Schritte erblickt.

Beschreiben lassen sich diese Szenen nicht; der Einheimische bewahrt ihre Bilder in seinem Gemüthe, und für den fremden Reisenden ist es hinreichend, ihn darauf aufmerksam zu machen.

A. P.     

  1. Badische Wochenschrift Nr. 8. Freitags den 20. Februar 1807. Sp. 116–120. Vgl. oben S. 78. 79.