Das Oberammergauer Passionsspiel
[484] Das Oberammergauer Passionsspiel. Unser Artikel über das Oberammergauer Passionsspiel in Halbheft 13 bedarf nach Aenderungen, die inzwischen eingetreten sind, in einem Punkte der Berichtigung. Es ist nicht mehr zutreffend, daß man „am frühesten Morgen von München ausfahrend, das ganze Spiel ansehen und abends wiederum in München sein kann“. Denn die Generaldirektion der kgl. bayer. Staatseisenbahnen hat den eigens wegen der Passionsspiele eingelegten Frühzug von München aus wieder eingehen lassen infolge von eigenthümlichen Maßregeln der Oberammergauer Gemeinde, welche nur demjenigen, der am Vorabend des Spiels in Oberammergau eingetroffen ist, den sicheren Bezug eines Billets zu der Vorstellung – auch eines vorausbestellten – ermöglichen. Entweder erhält man nämlich sein Billet durch die Vermittelung des Quartierwirths, was die Benützung eines Quartiers, also ein Uebernachten voraussetzt; oder man hat sich ein Billet vorausbestellt: dann muß man es sich in den Kassenstunden des Vorabends abholen, weil am Spieltag selbst von morgens 6 Uhr ab auch diejenigen bestellten Billette mitverkauft werden, die bis dahin noch nicht erhoben sind. Da nun aber wohl wenige die Reise nach Oberammergau auf gut Glück unternehmen werden, ob sie wohl auch einen Platz bei den Spielen erhalten, die meisten vielmehr unter allen Umständen sicher gehen möchten, so ergiebt sich, daß der Frühverkauf von Billetten am Spieltage für die Fremden thatsächlich bedeutungslos ist. Nur mit großem Bedauern geben wir unsern Lesern von diesen Anordnungen Kunde. Denn sie werfen auf den Geist, der die Oberammergauer und ihr Passionsspiel beherrscht, ein betrübendes Licht. In der Seele thut es weh, zu sehen, wie ein häßlicher Spekulationstrieb auch über jene entlegenen Dörfler gekommen ist und den schönen Quell ihrer wunderbaren Kunstleistung getrübt hat.