Das Riesenkind
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Das Riesenkind.
War einst ein Riesen-Kindlein,
Zwölf Jahr alt, ziemlich klein,
Vier Spannen lang das Mündlein,
Kaum drei die Aeugelein,
Sehr wohl proportionirt,
Von der Fee, ihrer alten Base,
Mit Schönheit hoch geziert.
Der Leib verhältnißmäßig;
Auch war es nicht gefräßig,
Zwei Schaf’ und eine Kuh,
Die gnügten zu einem Mahle,
Dazu ihr ins Becherlein
Ihr Vater ein’n Eimer Wein.
Das Mädchen war gütig und billig,
Wie stets die Großen sind,
[62] Wenn auch ein wenig muthwillig,
Fuhr herum zu Wagen und Schlitten,
Ging auch mit schwebendem Gang
Durchs Feld spazieren, mit Schritten,
An funfzehn Klaftern lang.
Weit fort mit lustigem Sinn,
Und fühlte müde die Beine,
Und streckt’ am Hügel sich hin;
Bedeckt’ einen ganzen Morgen
Und ruht’ ohn’ alle Sorgen,
Hatt’ Alles wohl bestellt.
Und sieh, da kam ein Bauer
Herbei mit Pflug und Gaul,
Weit auf Nase, Aug’ und Maul,
Wie er das Kindlein erblickte,
Das unserm armen Zwerg
Das Waizenfeld zerdrückte,
Die Kleine horcht, was leise
Dort unten sich knisternd regt,
Meint erst, es wären Mäuse,
Lauscht still und unbewegt,
Und faßt sich vor Freuden kaum,
Legt zurecht zum Haschen die Finger,
Stark, wie ein mäßiger Baum.
Und fährt mit dem zarten Händchen,
Hervor ein ziemliches Endchen,
Gleichwie zum Fliegenfang.
Den Gaul, sammt seinem Herren
Ob beid’ auch wiehern und schrein,
Streicht’s rasch ins Schürzchen ein.
Dann läuft sie, wie’s Kinderchen machen,
Mit dem Fang frohlockend nach Haus,
Und schüttet mit Kichern und Lachen
Daß beiden die Rippen knacken;
Da aber kneipt der Papa
Das Kind in die rosiger Backen,
Und spricht: Was bringst du da?
Versetzt die Kleine darauf.
Die Gliederchen sieh, die Geberdchen!
Sieh nur, jetzt richtet sich’s auf!
Jetzt hinkt’s, jetzt schreit’s, jetzt fällt es!
[64] Ach, Väterchen, ach, mir gefällt es
Wie Spielzeug von Nürenberg.
Für solcherlei Scherz empfänglich,
Lacht erst der Vater dazu,
Und spricht: Du Närrchen, du,
Die Bauern, vernimm es, gehören
Mit den Rossen zur Arbeit ins Feld;
Man muß sie dabei nicht stören,
Wir haben hungrige Magen
Und können beinah noch mehr
Als hundert Menschen vertragen.
Wo aber nimmt man’s her?
In unser großes Schloß.
Drum schone den armen Laffen
Und achte, wie ihn, sein Roß.
Drum bringe sie Beide lebendig
Das Mädchen, sehr verständig,
Gehorcht’ im Augenblick,
Nahm sorglich beid’ in die Hände,
Wie man ein Vöglein hält,
Aufs zerdrückte Waizenfeld.
[65] Der Bauer, etwas hinkend,
Faßt gern sich in Geduld,
Gar sehr geehrt sich dünkend
Und rühmt sich: Ich kam zum Riesen
Durch die Güte seines Kinds!
Da ward mir viel Ehr’ erwiesen –
’S ist gar ein gnädiger Prinz.