Das Schwarzwild und seine Jagd in alter und neuester Zeit III

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Autor: Ludwig Beckmann
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Titel: Das Schwarzwild und seine Jagd in alter und neuester Zeit
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aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 236–238
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Reihe: Jagddaguerreotypen
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Jagddaguerreotypen.[1]

Von Ludwig Beckmann.
III.
Das Schwarzwild und seine Jagd in alter und neuester Zeit.

Weniger prunkhaft und anmaßend im Aeußern, als die Parforcejagd, aber ungleich großartiger in seiner Anlage und seinen Erfolgen ist das eingestellte oder eingerichtete Jagen, welches auch wohl, im Gegensatz zur französischen Parforcejagd, einfach deutsches Jagen genannt wird.

Das „deutsche Jagen“ stammt aus uralter Zeit und besteht wesentlich darin, daß man einen ganzen Walddistrict mit Jagdtüchern und Netzen umspannt (einstellt, einrichtet) und das eingeschlossene Wild später durch Anwendung der Waffen, Hunde oder Fallgarne erlegt oder fängt. Das Arrangement und die Leitung eines solchen Jagens erfordert nicht geringe Sachkenntniß und Umsicht von Seiten des Dirigenten und wurde daher in der Blüthezeit des Jagdwesens als eine Art Probe – oder Meisterstück betrachtet, bei welchem der angehende Jäger sich die Sporen verdienen oder – sich gründlich blamiren konnte. – Die kostspielige Herstellung und Erhaltung des erforderlichen Jagdzeuges, die unvermeidliche Beschädigung der Holzbestände und vor Allem die Abnahme des Hochwildstandes im Freien sind Ursache, daß diese großartigen, echt deutschen Jagden bereits so ziemlich einer vergangenen Zeit angehören. Unsers Wissens wurden die letzten eingestellten Jagden im Hannoverschen gegen das Ende der Regierung Ernst Augusts abgehalten und zwar in einer so vollendeten Weise, daß sie mit den besten Jagden früherer Zeit rivalisiren konnten. Gegenwärtig dürfte an keinem Hofe das zu einem Hauptjagen erforderliche Zeug mehr vorhanden sein, wenigstens nicht in brauchbarem Zustande sich befinden.

Hohe Tücher mit Prellnetzen doublirt.

Bei dem Jagdzeug unterscheidet man zunächst die Feder- und Tuchlappen, d. i. lange Schnüre, an welchen Federbündel oder viereckige Stücke weißer Leinwand in Zwischenräumen befestigt sind. Diese Schnüre dienen zur vorläufigen Einschließung (Verlappung) des Jagens, um das Wild am Ausbrechen zu hindern, während das eigentliche Zeug herangefahren und gerichtet wird. – Letzteres besteht in den aus starker, weißer Leinwand angefertigten Tüchern (finsteres Zeug) und den Netzen oder Garnen (lichtes Zeug). Der Höhe nach unterscheidet man bei ersteren hohe (von 9 –10 Fuß) und halbe (von 6–7 Fuß) Tücher; bei den Garnen aber hohe, mittlere und niedere. – Die Garne werden entweder, wie die Tücher, straff ausgespannt, um das Jagen einzuschließen, oder im Innern des Jagens locker (mit Busen) aufgehängt, um das Wild darin zu fangen (Fanggarn). Werden Hirsche und Sauen zugleich gejagt, so spannt man die mittlern Garne innerhalb der Tücher, um die Sauen von letztern abzuhalten (mit Prellnetzen doubliren). Die Länge der einzelnen Zeuge und Garne beträgt circa 150 Schritt; daher machen 3 Stück hoher Tücher mit ihren Stellstangen und sonstigem Zubehör schon ein starkes sechsspänniges Fuder aus; von den Saunetzen (lichtes Mittelzeug) rechnet man etwa 8 Stück auf ein vierspänniges Fuder. Die Zeugwagen haben die bei den Militär-Rüstwagen gebräuchliche Form – ringsum geschlossen, mit gewölbtem Deckel.

Die Hirschjagden beginnen mit der Feistzeit des Hirsches, etwa um Mariä Himmelfahrt, und währen bis St. Egidii – die Saujagden währen von S. Gallen bis heil. 3 Könige. Doch wurden nicht selten Hirsch- und Saujagden vereinigt, wie auch einzelne gut jagdbare Hirsche und grobe Sauen außer jener Zeit gejagt. – Unter den mancherlei Abarten des eingestellten Jagens erwähnen wir: das Kesseljagen, Contrajagen, Bestätigungs-, Haupt- und Festin-, Wasser-, Hatz- und Fangjagen. – Die einfachste und ursprünglichste Form ist das Kesseljagen, wobei man einen Walddistrict, in welchem man mit Bestimmtheit Wild vermuthet, mit dem Zeuge einstellt und ohne weitere Arrangements das eingeschlossene Wild treiben läßt, welches dann an den Wechseln oder auf breiten Schneißen und Wegen geschossen oder behetzt wird. – Um keine Fehljagden zu machen, pflegte man auch wohl das Wild vor dem Einstellen mit dem Leithunde zu bestätigen [2], woraus [237] die Bestätigungsjagen entstanden, welche vorzugsweise auf einzelne extragute Stücke Wild angewendet wurden, letztere wurden später bedeutend vervollkommnet, indem man das Jagen, sobald es im Ganzen stand, durch Nachrücken der Zeuge allmählich bis zu dem sogenannten Zwangtreiben verengte. Vor dem Zwangtreiben aber richtete man einen freien Platz ein – den Lauf, auf welchem das Wild nach Niederlassung des Falltuches erschien und erlegt wurde. Der Lauf ist etwa 250 Schritt lang und 150 breit – in der Mitte werden die Schirme für den Jagdherrn und die Jagdgäste placirt. – Sollte das Wild auf dem Lauf mit Hunden behetzt werden, so erhielt der Lauf eine kreisrunde Form (Hatzlauf), und außer dem im Centrum befindlichen, herrschaftlichen Schirme wurden rings an den Wänden die einfachen Hatzschirme errichtet, hinter denen die Jäger mit den Hatzhunden hielten. – Zur Abwechslung brachte man auch dem Zwangtreiben gegenüber am andern Ende des Laufes eine zweite Kammer an, in welche das nicht erlegte Wild sich zurückzog, bis es wieder zurück über den Lauf getrieben wurde (Contra-Lauf).

Jäger aus dem 16. Jahrhundert, eine Sau auf das Fangeisen fordernd.
Nach einem alten Holzschnitte.

Bei den sogenannten Hauptjagden wurde das Wild oft aus meilenweiter Entfernung durch viele Hunderte von Menschen in den zuvor mit dem Zeuge eingestellten Walddistrict getrieben. Um diese Wildmassen am Durchbrechen der Tücher und Garne zu hindern, mußte das Jagen die ganze Nacht hindurch verfeuert werden. Es wurden nämlich in je 100 Schritt Entfernung Wachtfeuer angezündet, und man ließ, um eine fortwährende Patrouille zu unterhalten, einen Hirschfänger die ganze Nacht hindurch von einem Feuer zum andern tragen. – Nachdem das Jagen bis auf das Zwangtreiben verengt war, suchte man das Wild nach Art, Alter und Geschlecht zu separiren, denn man setzte eine Ehre darein, nur gleiche Wildarten, z. B. das eine Mal nur jagbare Hirsche, ein andermal nur dreijährige Keiler etc. am Tage des Abjagens auf den Laufplatz zu bringen, und unterschied darnach ein reines oder gemengtes Jagen. Diese Separation bewirkte man durch nochmaliges Durchstellen des Zwangtreibens mit Jagdzeug, welches so weit vom Boden gehoben wurde, daß das geringere Wild durchkriechen konnte, theils durch Eintreiben und selbst durch Einfangen einzelner Stücke. So wurden z. B. einzelne Sauen, welche sich im Zwangtreiben gelagert hatten, mit einem Fanggarn im Cirkel umstellt und die aufgeschreckte Sau hineingejagt (tyrassiren). – Die Abtheilungen, in welche das separirte Wild gebracht wurde, hießen die Kammern und standen durch ein Falltuch mit dem Zwangtreiben oder direct mit dem Lauf in Verbindung. Hauptsache war hierbei, das innere Arrangement so zu treffen, daß das Wild Wasser und Nahrung fand, andererseits mußten oft künstliche Futterplätze und Tränken eingerichtet werden.

Zur festgesetzten Stunde erscheinen endlich, am Tage des Abjagens, die herrschaftlichen Wagen auf dem Lauf, die hohen, höchsten und allerhöchsten Herrschaften steigen aus und nehmen unter den schmetternden Fanfaren der Jäger ihre Plätze in den Jagdschirmen ein. Die Equipagen verlassen den Laufplatz, das hohe Portaltuch schließt sich hinter ihnen. Das Zeichen zur Eröffnung der Jagd wird gegeben, und die Jägerei zieht mit Treibern oder leichten Jagdhunden zu Holz mit dem üblichen Wald- oder Jagdschrei: Jo, hoho! Ridoh, Ridoh! haho! (Werden außer den Sauen auch Hirsche gejagt, so ist der Ruf: Jo, haho! ho, ho, ho!) Wo das Terrain eine Uebersicht des ganzen Ganges der Jagd gestattet, bieten sich jetzt dem Auge des Beschauers die malerischsten Scenen, wie sie ein späterer Dichter[3] bei Gelegenheit eines gemengten Jagens beschreibt: „Den größten und imposantesten Anblick des Jagdfestes boten unstreitig die enormen Wildmassen dar, welche wie Katarakten, wovon Keiler, Bachen, Hirsche, Rehe und anderes Gethier gleichsam nur die Tropfen bildeten, hernieder an der schroffen Abdachung des Gebirgsrückens ihrem unwiderruflich geworfenen Todesloose zustürzten.“

Das Falltuch wird abgeworfen, und bald verkünden die lustigen Hörner die Ankunft des Wildes auf dem Laufplatz, dessen Wände, mit Tannenzweigen dicht verblendet, hohen, grünenden Hecken gleichen. Den Anfang macht bei reinem Jagen in der Regel das Schwarzwild, wo möglich einige starke Keiler oder Hauptschweine, welche vom Schirme aus geschossen und, falls sie nicht gleich verenden, von dem fortwährend thätigen Jagdpersonal abgefangen werden. Sobald das erlegte Schwarzwild durch die Wildträger beseitigt ist, verkündet eine schmetternde Fanfare die Ankunft der jagdbaren Hirsche. Auch sie verenden und färben mit ihrem Schweiß den Sand des Laufplatzes. Hierauf folgen die geringern Hirsche und dann die Bachen. Zuletzt auch wohl ein gemengtes Jagen, worunter auch Rehböcke, Füchse, Hasen zur Abwechselung auftreten. Alles Wild, welches nicht erlegt werden soll, wird, nachdem es den Lauf passirt hat, durch das Schnapptuch wieder in Freiheit gesetzt. Das erlegte Wild aber wird nun reihenweise vor den Jagdschirmen gestreckt und zwar so, daß die stärksten Hirsche und Sauen vor – das geringere Wild hinter jedem Schirm placirt wird, aus welchem es erlegt wurde.

Ist das Jagen in dieser Weise ausgeschossen, so findet in der Regel ein Dejeuner statt, worauf man in frühern Zeiten zum Abfangen der Sauen auf dem Hatzlauf überging. Auf dem Hatzlauf erschienen vom Schwarzwild nur die stärksten Keiler und Hauptschweine, welche hier mit den schweren Fang- und Kammerhunden behetzt wurden. Man verwendete hierzu hauptsächlich eine Art großer englischer Doggen und die leichtern dänischen Blendlinge. Um diese oft sehr kostbaren Hunde vor den Schlägen der Sauen zu schützen, wurden sie oft gepanzert oder gejackt, indem man sie mit einer Art Camisol von starker, doppelt wattirter Leinwand mit eingenähten Fischbeinstäbchen versah. Indessen erfüllten derartige Panzer ihren Zweck höchst unvollkommen, und die gejackten Hunde wurden wegen ihrer Unbehülflichkeit in der Regel am meisten beschädigt. Sobald die Hunde eine Sau gepackt und gedeckt hatten, wurde dieselbe mit dem Hirschfänger oder Fangeisen (der sogenannten Saufeder) abgefangen. – Man forderte sie auch wohl auf das Fangeisen, indem man der Sau das bekannte: „Hu Sau!“ zurief, auf welchen Ruf die Sau den Jäger bekanntlich angreift und sich das vorgehaltene Eisen selbst in die Herzgrube, zwischen Hals und Bugbein, treibt. Ein Jagdschriftsteller jener Zeit sagt hierüber: [238] „Es muß aber ein Jäger, der ein Schwein fangen und stechen will, also stehen, daß er mit der linken Hand den Spieß regiere, und mit der rechten nachdrucke; so muß er die Füße auch also setzen, daß der linke Schenkel unter der linken Hand und der rechte unter der rechten Hand fest und unbeweglich stehe. Man muß fein nach der linken Hand zum Schweine gehen und dann nach Gelegenheit, wann es die Noth erfordert, wiederum ein wenig zurücke treten und gute Achtung auf des Schweines Kopff oder Stirne geben, wie es denselbigen wendet, und ein vorsichtig Treffen mit dem Thier thun, daß man es nicht auf den Kopfs treffe, sonst schlägt es einem den Spieß aus, und wann dies geschieht, so muß der Jäger vor sich mit dem Bauch und Angesicht auf die Erde fallen, so kann ihme der Hauer keinen Schaden zufügen. Wann er aber stehen bliebe, so thäte es ihm gewißlich einen großen Schaden. – Eine Bache aber, obwohl sie mit ihren Zähnen nicht sehr schaden kann, so beißet sie ihn doch und machet ihme auf dem Rucken ein Hoff-Recht mit den Füßen, daß ihme nicht wohlgefällt. Darum soll ein Jäger allezeit Gesellschaft bei ihme haben, die ihn im Nothfall entsetzen können, dann da muß einer balden dem Schwein einen andern Spieß für die Nasen halten.“

Ziemlich verbreitet ist die Annahme, daß man in früherer Zeit die Hatzhunde dahin dressirt habe, die Sauen kreuzweise bei den Gehören zu packen, sodaß der links gehende Hund das rechte Gehör, der rechte Hund aber das linke Gehör ergreift. – Referent hat sich vergebens bei den ältesten Jägern nach einer Bestätigung dieser Fangmethode umgesehen. Es mag vorkommen, daß ein einzelner großer Hund eine Sau über Kreuz packt, allein es ist nicht abzusehen, wie alsdann der zweite Hund über den ersten hinweg zu dem andern Gehör gelangen soll. Im Naturtrieb der Hunde liegt dies sonderbare Experiment durchaus nicht, denn auf der Streifhatze z. B. sieht man die Hunde rings um die gedeckte Sau stehen, die Köpfe niedrig und die Ruthen hoch – sie haben zunächst die Hinter- und Vorderläufe, als die bewegenden Theile, ferner besonders den Bart unter den Kinnbacken und das lange borstige Haar an den Bauchseiten gefaßt. Erst die später ankommenden Hunde ergreifen die Gehöre und zwar von derselben Seite, von welcher sie herankommen, sodaß eine derartig gedeckte Sau unten kranzförmig von den Hunden umgeben ist, während der ganze obere Körper frei ist.

  1. Siehe Nr. 23 und 24, Jahrgang 1860)
  2. Um den Aufenthaltsort des Wildes genau kennen zu lernen, ohne dasselbe in seinem Verstecke zu beunruhigen, zog der Besuchjäger mit seinem Leithunde nach Tagesanbruch rings um den betreffenden Walddistrict und merkte sich alle aus- und eingehenden Wildfährten, welche der Leithund durch Eintupfen mit der Nase (anfallen, eingreifen) anzeigte. – Hatte sich der Jäger durch dieses mehrere Morgen hintereinander wiederholte Besuchen oder Absuchen des Reviers völlig vom Dasein und Standort des Wildes überzeugt, so war dasselbe bestätigt.– Zu größerer Sicherheit mußte der Besuchjäger beim Richten der Zeuge und Garne, mit seinem Hunde vor dem Zeugmeister herziehend, ringsum das Jagen vorsuchen. – Der Leithund wurde stets am Riemen geführt und nur auf Hirsch, Sau und Wolf gearbeitet. – Da das ganze damalige Jagdwesen fast lediglich auf der Leithundsarbeit beruhte, so fand man an manchem Hofe 10-12 Besuchjäger oder Besuchknechte, welche, da sie zur unmittelbaren Umgebung des Fürsten gehörten, verhältnißmäßig am höchsten besoldet wurden.–
  3. Matthison, das Dianenfest bei Bebenhausen.



Anmerkung WS:

Fortsetzung von 2 gleichnamigen Titeln aus dem Jahr 1860.