Das Spiel in Baden-Baden

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Textdaten
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Autor: Ernst Keil
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Titel: Das Spiel in Baden-Baden
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 428
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Die Spielbank in Baden-Baden
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[428] Das Spiel in Baden-Baden. Das großherzoglich badische Ministerium hat alle Hazardspiele[WS 1], „insofern nicht hinsichtlich einzelner solcher Spiele eine Ausnahme ausdrücklich gestattet ist,“ mit einer Strafe von 100 Fl. oder vier Wochen Gefängniß belegt. Das Pharao- und Roulettspiel in Baden-Baden wird indeß durch diese Verordnung nicht betroffen. Wer also trotz des Verbots seiner Leidenschaft fröhnen will, braucht nur eine kleine Strecke per Dampf zu durchfliegen, und er kann, was ihm zehn Minuten davon in demselben Lande vier Wochen Gefängniß kosten würde, hier ohne Furcht treiben. Wunderbare Welt!

Wer war in Baden-Baden und schwärmt nicht für dieses reizende Stückchen Erde! Deutschland hat wenige solcher Thäler. Und doch wie viel Jammer und Unglück, wie viel Flüche lasten auf diesem Paradiese! Es sind noch nicht drei Wochen, als ich in dem berühmten Conversationssaale am Pharaotische stand. Glänzend geschmückte Damen und rothbebänderte Herren, französisch parlirend, durchwogten den großen Saal, an dessen einem Ende der stark frequentirte Rouletttisch steht. Im zweiten kleineren Saal wird nur Pharao[WS 2] gespielt. Müßig zuschauend hatte ich mich einem jungen Mann gegenüber postirt, dessen hohes Spiel die Aufmerksamkeit Aller auf sich zog. Er war blutjung, vielleicht zweiundzwanzig Jahre alt, seine Züge waren von seltener Schönheit und so mädchenhaft weich, daß man eine emancipirte Dame hätte vermuthen können, wenn nicht das kleine Schnurrbärtchen alle Zweifel gehoben hätte. Daß er ein Deutscher war, bewiesen einzelne Fragen, die er dem Bankier hinwarf. Er spielte mit „vielem Anstand,“ wie ein alter französischer Edelmann neben mir bemerkte. Keine Miene zuckte, wenn der Gruppier seine Rollen mit 50 Napoleonsd’or einstrich, seine Finger bewegten sich kaum, wenn der Krückstock ihm Hunderte von Goldstücken als Gewinn zuschob. Aber mit jedem neuen Spiele ward sein Goldhaufen kleiner und sein Antlitz blässer. Zuletzt war er gespensterhaft bleich. Dazu aber immer dieselbe erkünstelte Ruhe, dieselbe Nonchalence, dasselbe kecke Wagen! Nur die Ader auf der kleinen weißen Hand, womit er die Nadel aufstach, war hoch aufgeschwollen, ein leises Zittern lief dann und wann durch den Arm, sonst keine Bewegung, keine Aufregung.

Zuletzt war auch die letzte Rolle Gold verspielt. Schon wollte sich der Unglückliche erheben, als er rasch noch einmal die Taschen durchsuchte. Zum ersten Male flog ein Lächeln der Befriedigung über seine Züge – er hatte noch eine Rolle mit 50 Napoleonsd’or gefunden. Er setzte sich wieder und brach die Rolle in zwei gleiche Hälften. Gleichgültig schob er dann die eine Hälfte auf eine Nummer. Sie gewann. Er ließ den Betrag stehen und warf dann mit verächtlichem Lächeln auf den Lippen auch die zweite Hälfte der Rolle auf dieselbe Nummer. Alles ward still am Tische. Gleichgültig hob der Bankier die Karten ab, von den Lippen der Damen, die den Tisch umstanden, flog ein mitleidiges Ach – der Krückstock zog auch das Letzte ein. In Zeit von drei Stunden hatte der junge blasse Mann 30,000 Francs verloren.

Mit leichtem Lächeln stand er auf, grüßte den Bankier verbindlich und verließ den Saal. Aller Blicke folgten ihm. „Das ist der dritte unglückliche Abend,“ sagte mein Nebenmann achselzuckend – „er ist ruinirt!“ – Ruinirt – ruinirt, das wird hier so gleichgültig ausgesprochen, als ob es sich um eine Partie Billard, nicht um die Zerstörung eines ganzen langen Lebens handelte. Und für diese Ruiniranstalten giebt es keine Verbote! E. K.     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Glücksspiele
  2. siehe w:Pharo