Das Ständchen (Uhland)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Uhland
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Das Ständchen
Untertitel:
aus: Gedichte von Ludwig Uhland, Seite 137–142
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1815
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: MDZ München = Commons.
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[137]
Das Ständchen.
Junker David. Absalon und andere Bediente Davids.
Garten. Mondschein.
David.

Wie angenehme, warme Sommernacht!
Die Frösche singen und die Grillen pfeifen;
So stimmen wir auch unsre Musik an!

Absalon.

Wir sollten eine schwärzre Nacht erwarten
Mit unsrem Frevel gegen die Musik;
Verruchte Thaten lieben Finsternis.

David.

Hier ist kein Frevel! Meiner Dame Herz
Möcht’ ich ersteigen auf der Töne Leiter.

Absalon.

O trauet Eurer Leiter nicht zu sehr!
Es krachen, brechen alle Stufen.

David.

Schweig!
Was murrst du ewig, du undankbarer,
Den brodlos ich in meine Dienste nahm?

Absalon.

Noch hatt’ ich Brod und brodlos ward ich erst
In Eurem Dienst, vom Dienste lebt sich’s nicht.
Doch dies ist nicht mein höchstes Mißgeschick.

[138]
David.

In der Musik ließ ich dich unterweisen
Auf dein inständig Flehen.

Absalon.

Traun! Ihr trefft
Die rechte Saite, die Ihr nie noch traft.
Als ich ein Knabe war, da kamen oft
Die Harfner wandernd, vor des Vaters Thür.
Sie dünkten theure Boten mir zu seyn
Aus einer Welt von vollern Harmonien,
Nach der sie heisses Sehnen mir erweckten.
Und bald verließ ich meiner Eltern Heerd,
Als wollte ich suchen das gelobte Land,
Wo jene Himmelssprache der Musik
Gesprochen würde – weh! ich kam zu Euch,
Dem Antipoden der melodischen Zone.

David.

Ha! stammt nicht mein tonliebendes Geschlecht
Vom König David her, der Harfner erstem?

Absalon.

Von König David und Bathseba wohl,
Drum blieb zum Fluch Euch der unsel’ge Hang.

David.

So sucht’ ich dich umsonst mir zu verbinden,
Da ich den Namen Absalon dir gab
Und väterlich die Kunst in dir gepflegt?

Absalon.

Ich weiß es nicht, durch welchen Höllenzauber
Ihr mich gerissen aus der Christenheit
Und fest mich haltet in verhaßtem Bann.

[139]
David.

Vergebens gab ich dir die schöne Geige,
Ein wertes Erbstück, trefflich ausgespielt?

Absalon.

Das eben ist mein Jammer, daß ihr mich
Gekettet an dies mißgelaunte Werkzeug,
Dies Ungeheuer, jeden Wohllauts Feind,
Ganz ungelehrig für die Melodie.
Mein Flehen, all mein innigstes Verlangen
Hat ihm noch keinen lautern Ton entlockt.
Ich mag es streicheln, schüttern, schlagen, nichts
Gewinn’ ich, als ein mürrisches Gekreisch.
Ich hörte, daß man böse Geister oft
In Säcke bannt und in den Strom versenkt;
Fürwahr, in dieser Geige Kasten sind
Des Mißlauts Plagegeister all gebannt,
Wo sie nun ewig stöhnen, winseln, heulen.
Laßt mich sie senken in des Meeres Tiefe,
Zum tauben Abgrund, zu den stummen Fischen!
Und reißt sich dennoch solch ein Mißton los,
Dann bäumt, ihr Wellen, euch, verschlinget ihn!
Ihr Stürme, macht euch auf, ihn zu zerreißen,
Bevor zu Menschenohren er gelangt!

David.

Halt ein! Zum Werk, ihr Leute! Flugs gestimmt!

(Sie stimmen.)
Absalon.

Ist keine Rettung? Ist die Harmonie
Gestorben? Sind die Engel der Musik
Gefallen und Satane worden?

[140]
David.
Still!
(Er singt zur Harfe:)

David ward herabgelassen
Von dem Fenster an dem Seil,
Michal, seine treue Gattin,
Ließ ihn nieder, ihm zum Heil.
Schönstes Fräulein! liebste Michal!
Hör auf meiner Triller Lauf!
Ziehe du zu deinem Fenster
Mich verkehrten David auf!

Absalon.

Baalspfaffen ihr mit grimmigem Gekreisch,
So muß ich noch als euer Opfer sterben!
Bin ich von diesem grausen Mißgetön
Nicht krumm gewachsen? Haben sich die Augen
Mir nicht verdreht?

David.

Verruchter Lästerer!
Verhöhnest du des eignen Herrn Gestalt?

Absalon.

Nun weiß ich, wie dem Absalon es war,
Als an den Haaren er vom Baume hieng
Und ihm drei Spieße fuhren durch das Herz.

David.

O Undank! wahrhaft zweiter Absalon!

Absalon.

Ich könnte nicht dem Absalon verargen
Den Aufruhr gegen seinen eignen Vater,
Wenn dieser hätte musizirt wie Ihr.

[141]
David.

Recht rührend war’s. Ein Stein erbarmte sich.

Absalon.

Gebt Acht, daß nicht dies Haus zusammenstürzt!
Amphions göttliche Musik bewog
Die Steine, selber sich zum Bau zu fügend
Die unsre muß der Mauer Fugen lösen.

David.

Was zeigt sich Weisses dort am Fenster? seht
Die Feueraugen! Merket auf, sie spricht!

Absalon.

Des Fräuleins Katze ruft uns Beifall zu.
Das Fräulein wird sich in die Decke hüllen,
Ergrauend vor der Nachtgespenster Lärm.

David.

Nur Eines noch, so wird sie selbst erscheinen!

(Sie stimmen wieder.)
Absalon.

Der Mond, die Sterne, die so freundlich erst
Herniederlauschten, hoffend auf Musik,
Sie haben, gleich dem Fräulein, sich verhüllt.
Wir haben aufgeregt des Himmels Zorn,
Ich höre schon die fernen Donner grollen.
Der Himmel wirft die Blitze nach uns aus,
Wie König Saul nach Eurem Ahn den Spieß.

David.

Es schlägt der Blitz wohl gern in die Musik?
Mich überfällt ein Schauer. Laßt uns fliehn!

[142]
Absalon.

Hätt’ diese Unmusik noch lang gewährt,
Es wären, traun! Erdbeben noch entstanden,
Die Erde hätt’ im Innern sich geschüttelt.

(Es donnert. Alle ab, außer Absalon.)

Ich höre dich, gewalt’ge Donnerstimme!
Dich herrlichen Choral der Wolken.
Vergeh, erbärmlich Machwerk! ich bin frei!

(Er schleudert die Geige an die Mauer. Ab.)