Das Weiberregiment zu Dresden
Früher stand in der Moritzstraße unten quer vor ein Haus, über dessen Thüre in Stein gehauen zu sehen war ein Mann, der auf Händen und Füßen kroch; auf diesem saß ein junges, schönes Frauenzimmer, welche ihn durch einen ihm in den Mund gelegten Zaum lenkte und vermittelst einer Karbatsche antrieb. Es ist dies die bekannte mittelalterliche Geschichte vom Philosophen Aristoteles, die man sehr oft auf Elfenbein- und Holzschnitzwerken abgebildet findet.[1] Bei Erneuerung des (Kreyßig’schen) Hauses (gr. Schießg.) Nr. 10 ward es abgebrochen und über den Eingang in den Voglerschen (v. Reibold’schen), jetzt mit Häusern bebauten Garten an der linken Ecke der Großen und Kleinen Ziegelgasse [95] aufgestellt. Dieses Bild nannte man das Weiberregiment, allein seit 1756 ist es von da auch weggekommen, wohin, weiß man nicht.
- ↑ Ein Franzose, der Trouvère Henri d’Andeli, dichtete sie um als Lay d’Aristote (bei Méon, Fabl. T. III. p. 96 m. Abbild.), ebenso ein deutscher Minnesänger des 13. Jhdts. als „Aristoteles und Phyllis“ (bei Hagen, Gesammtabenteuer Bd. I. S. 17). S. a. Dunlop, Gesch. d. Prosadicht. v. Liebrecht S. 483. Nr. 253 u. Hagen Bd. I. S. LXXV. Ich besitze einen alten italienischen Holzschnitt aus der ersten Hälfte des 16. Jhdts., darauf ist ein griechischer Krieger abgebildet, der auf allen Vieren kriecht, während eine mit einer Geisel (in griechischer Frauentracht) bewaffnete Frau, aus seinem besattelten Rücken sitzend, ihn mit dem aus seinem Munde gehenden Zaume regiert. In der Luft schwebt Amor, seinen Pfeil nach ihm zu schießend. Auf einer bandartigen Rolle über dem Bilde stehen folgende drei Verse:
Amor crudel con la sua uolia praua
Fe adar istil portar freno e sella
Et una gioueneta il caualcaua,und unter dem Bilde der Reiterin ein vierter:
Pazz’e chi fuggir crede il crudo strale.
Zuweilen wird dieselbe Geschichte vom Hippokrates erzählt. Die älteste Quelle derselben ist die 6te Erzählung des IVten Buches des altindischen Sanskritmärchenbuches Pantschatantra (s. Bensey, Pantschatantra. Lpzg. 1859. Bd. I. S. 461 flgg.), welche wiederum ihren Ursprung auf eine chinesisch-buddhistische Legende zurückführt.