Das behexte Mädchen zu Eisenberg
Am 14. April des Jahres 1686 erkrankte des damaligen Oberbaccalaureus zu Eisenberg, Johann Michael Heincke, einzige Tochter Johanne Dorothea, ein Mädchen von 14 Jahren, klagt über Kopfweh, bekommt Ekel vor Speisen, wird oft [318] ohnmächtig und siecht so fort bis in die zwölfte Woche, ohne daß eine bestimmte Krankheit hervortritt. Den 6. Juni fährt es ihr ins rechte Bein und nach und nach auch in die übrigen Glieder. Es däucht ihr, als ob etwas darin lebe und sich bewege. Dazu kömmt ein heftiges Reißen, Hals und Arm verdrehen sich und es wirft sie so, daß sie von mehreren Personen kaum gehalten werden kann. Den 29. Juli wird’s mit ihr noch schlimmer. Drei Männer können sie kaum erhalten, sie erschrickt heftig, verliert die Sprache, liegt oft lange wie todt, ißt nichts, behält kein Getränk bei sich, bleibt jedoch, zu Gott betend und geduldig, bei Verstande. Den 4. August ist es mit ihr am schlimmsten. Sie schreit, als ob Zunge und Schlund aus dem Halse gerissen würden. Nachmittags aber fängt sie an sich zu erbrechen und giebt von diesem Tage bis zum 10. Februar 1687 nach und nach 1231 verschiedenartige Dinge durch Erbrechen von sich, als: Haarbüschel, Federn, gezwirnte wollene Fäden, ungesponnene Wolle, zusammengeknüpfte Bündlein Wolle und Garn, einen starken Zwirnfaden mit 16 Knoten, eine gekrümmte Stecknadel, ein Stücklein Papier, ein Büschlein Haare, wie ein Zweifelsknoten geschlungen, abgeschnittene, mit Zwirn zusammengebundene Menschennägel, Baumwolle, Fischgräten, ein Stücklein Haut, ein Striemlein Leinwand, eine kleine Spinne oder Kanker, rothbaumwollenes Garn, ein mit Bast zugebundenes Bündlein Stroh, ein Fädchen schwarze Seide mit Knoten, Unschlitt, Katzen- und Hundehaare Flachs, Häckerling, Seife, Gerstenähren etc. Den 20. August erkrankt auch ihr Bruder, bekommt Herzstöße und erbricht dergleichen Dinge. Im Fieber-Paroximus schreit das Mädchen einst: „Liese! Liese!“ und bezeichnet eine in Eisenberg wohnende Tagelöhnersfrau, welche mit ihr spiele, sie aus dem Bette heraus zu reißen und obengenannte Dinge ihr in den Hals zu stecken drohe. Darauf ward vom Gerichte gegen die von dem Mädchen bezeichnete Person eine Untersuchung auf Behexung erhoben. Es wird also am 16. Septbr. Elisabeth Papstin, des Tagelöhners Hans Papst’s Eheweib, vom Stadtrath [319] zu Eisenberg ins Verhör genommen und befragt, ob sie das Heinckesche Mädchen verhext habe. Sie leugnet standhaft. Es werden Zeugen über sie vernommen und Ende Septbr. d. J. erkennt der Schöppenstuhl zu Jena, an welchen die Acten eingesendet worden waren, daß zuvörderst wegen der Inquisitin geführten Lebens und Wandels bei Geistlichen, Nachbarn und Andern nachzuforschen sei. Dies geschieht und die Nachforschung fällt zu Gunsten der Angeschuldigten aus. Im Monat Decbr. erkennt, nach anderweitiger Actenversendung der Schöppenstuhl zu Jena, daß Inquisitin in Ermangelung anderer und stärkerer Indicien zu absolviren und zu entbinden sei. Unterdessen kränkelt aber das Mädchen fort. Am 10. Febr. 1687 greift es über sich, schreit: „ich habe sie bei dem Rocke, ich halte sie fest, haltet ein, sie zieht mich aus dem Bette!“ und wird auch wirklich weit mit fortgezogen, sodaß die Eltern und andere Anwesende genug zu halten haben. Da zieht der in der Stube mit anwesende Malergeselle, Johannes Roßbach seinen Säbel heraus, haut in die Gegend, wo das Mädchen hingezogen wird, und sogleich läßt es nach und hat das Kind ein Fleckchen schwarzes Tuch in seiner Hand, ist am Finger ein wenig gestreift und sagt „die Liese hätte sich über sie gebeugt gehabt und wäre mit dem Rocke ihr nahe am Kopfe gewesen, daher habe sie zugegriffen und sie gehalten“. Das Mädchen hatte seit dem 14. April 1686 gelegen, nichts gegessen, wenig getrunken (18 Wochen lang nichts als klares Wasser), ihre Stühle aber hatte sie behalten. Auch der Knabe hatte während dieser Zeit mehrere hundert Male sich übergeben und ähnliche Dinge, wie oben genannt sind, von sich gegeben. Den 11. Febr. 1687 fordert die Landesregierung zu Altenburg die Acten und am 17. Febr. d. J. verlangt der Herzog Christian dieselben gleichfalls. Im März d. J. erkennt der Schöppenstuhl zu Leipzig, an welchen die Acten, wozu noch einige Vernehmungsregistraturen gekommen, gesendet worden waren, daß wider gedachte Papstin dießfalls in Ermangelung kräftigerer und zur Peinlichkeit genugsamer [320] Indicien, nichts vorzunehmen sei, maßen sie auch mit den in dieser Sache aufgelaufenen Unkosten zu verschonen sei. Mit diesem Erkenntniß schließen die Acten und man erfährt nicht, was aus der weitern Untersuchung geworden ist.