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Das neue Stuttgarter Schwimmbad

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Textdaten
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Titel: Das neue Stuttgarter Schwimmbad
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 563
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[553]

Das neue Schwimmbad in Stuttgart.
Nach einer Zeichnung von Wittmann u. Stahl in Stuttgart.

[563] Das neue Stuttgarter Schwimmbad. (Mit Abbildung S. 553.) Man hat für das natürliche Schwimmbad, welches für den Gesunden das beste Bad ist, allerlei Ersatzmittel zu schaffen gesucht, um überhaupt wenigstens die Reinigung der Haut zu erzielen: Wannenbäder und Brausebäder. Erst später verfiel man auf den Gedanken, daß man die Natur nachahmen und in der Mitte der Großstädte Schwimmhallen herstellen könne. Dieser Gedanke ist verhältnißmäßig neu und seine Verwirklichung bildet eine der schönsten gesundheitlichen Errungenschaften der Neuzeit. Die Wiener waren die ersten, die in den vierziger Jahren in ihrem Diana- und Sophienbad Schwimmhallen einführten, aber sie blieben auf halbem Wege stehen, indem sie ihre Schwimmhallen den Winter über in Konzertsäle und Tanzböden verwandelten. Bahnbrechend war auf diesem Gebiete England vorgegangen, das schon im Jahre 1846 die epochemachende Parlamentsakte des Sir Henry Dukinfield besaß, laut welcher die Gemeinden und Kirchspiele mit großen Vollmachten zur Gründung von öffentlichen Bade- und Waschanstalten ausgerüstet wurden, und von England pflanzte sich diese Bewegung nach Deutschland fort. 1855 wurden die ersten deutschen öffentlichen Badeanstalten in Berlin und Hamburg eröffnet und das Berliner Bad hatte neben Wannenbädern auch das erste deutsche Schwimmbad in gedeckter Halle. Dieses blieb jedoch während der fünf kalten Monate geschlossen. Da ging Magdeburg einen Schritt vorwärts, indem die dortige 1860 eröffnete Aktienbadeanstalt zum ersten Male auch den Winterbetrieb einführte. Der Bann war gebrochen und von Jahr zu Jahr wurden in den deutschen Großstädten neue Badeanstalten mit Schwimmhallen errichtet, die darin wetteiferten, ihre Einrichtungen immer vollkommener zu gestalten. Berühmt sind die „Öffentliche Badeanstalt zu Bremen“ und das „Hohenstaufenbad“ in Köln, und als Ergebnisse der rührigen Unternehmung von Privatleuten sind die Leipziger, seinerzeit in der „Gartenlaube“ beschriebenen Badeanstalten erwähnenswerth (s. Jahrg. 1875, Nr. 11; 1881, Nr. 11). Als das jüngste Glied in der Kette dieser Anstalten tritt heute das Stuttgarter Schwimmbad auf.

Eine Aktiengesellschaft ist die Gründerin desselben, aber eine solche, die nicht auf Gewinn ausgeht, sondern lediglich gemeinnützige Zwecke verfolgt. Das nöthige Kapital ist fast vollständig durch Aktien, dreiprozentige Schuldscheine und Bäderberechtigungsscheine, welche theils vom König, von der Stadt, von Vereinen und Stiftungen, theils aus der Mitte der Bürgerschaft gezeichnet wurden, aufgebracht worden, während nur eine verhältnißmäßig geringe Summe als freie Schenkung in der Form von Ehrenbeiträgen zugeflossen ist. So mußte denn auch bei der Ausführung möglichste Sparsamkeit der leitende Grundsatz bleiben. Schon in der Wahl des Platzes spricht sich dies aus; man verzichtete auf einen Bau an der Straßenlinie, der nur zur Entfaltung einer mehr oder minder kostbaren Fassade genöthigt hätte, und wählte einen übrigens von zwei Seiten aus bequem zugänglichen Hinterplatz. Dort erhebt sich das in einfachem Stile gehaltene, aus einem Hauptbau und einem Seitenflügel bestehende Gebäude, dessen einziger in die Augen fallender architektonischer Zierat, eine stolze Kuppel über dem Treppenhause, doch wieder einem durchaus praktischen Zwecke dient, nämlich der Aufnahme des Hochreservoirs, in welches das Wasser durch ein Pumpwerk aus dem Brunnen gehoben wird, soweit dasselbe nicht unmittelbar nach den Verbrauchsstellen – den Brausen und Wannenbädern – befördert wird.

Treten wir ein in die freundliche Eingangshalle und machen wir einen kurzen Gang durch die Anstalt: da liegen unten im Souterrain die Maschinen aller Art, die Wäscherei mit ihrem Trockenraum und ihrer dampfgetriebenen Mangel, der 26 Meter tiefe Brunnen, das Dampfkastenbad und die Wannen- und Brausebäder III. Klasse für Männer. Hochparterre und erster Stock weisen eine stattliche Reihe von Wannenbädern I. und II. Klasse auf, im Hochparterre für Männer, im ersten Stock für Frauen, während die Bäder III. Klasse für Frauen im zweiten Stocke liegen. Im ersten Stock befindet sich außerdem noch ein Zimmer für Aerzte, im zweiten die Wohnung des Hausverwalters. Vom Erdgeschoß und ersten Stockwerk führen die Gänge hinüber nach den Auskleideräumen des Schwimmbads, welches allein den ganzen Seitenflügel einnimmt und durch alle Stockwerke hindurchgeht. Ehe wir sie aber betreten, steigen wir hinauf auf das flache, mit Zink gedeckte Dach. Was soll der nach drei Seiten mit Leinenwänden eingerahmte Platz da oben, auf den die Augustsonne kräftig herunterbrennt? Es ist das Sonnenbad, die einfachste, aber doch nicht zu verachtende Art der körperlichen Erfrischung, welche darin besteht, daß man den Körper ruhig von der Sonne bestrahlen läßt, während der Kopf, wenn nöthig mit kühlenden Umschlägen versehen, im Schatten liegt.

Das Stuttgarter Schwimmbad weist in seiner Vollendung alle die Vorzüge der bereits bekannten Schwesteranstalten auf, indem die Erbauer desselben auf Grund eines genauen Studiums der Erfahrungen anderer Bäder das Bewährteste sich anzueignen wußten. Außerdem aber bedeutet dieses Bad wiederum einen Schritt vorwärts in der Entwickelung unseres Badewesens, denn wir finden in ihm auch beachtenswerthe Neuerungen. Die hervorragendste ist ohne Zweifel das Erwärmungsdampfbad als Vorbereitung zum Schwimmbad. Das Baden soll niemals in frierendem Zustande erfolgen, ein solches Baden ist, namentlich für Nervöse und Blutarme, geradezu gesundheitsschädlich. Um nun diesem Uebelstand gründlich abzuhelfen, ist in dem Stuttgarter Schwimmbade ein besonderer Raum geschaffen worden, der, durch Dampf mäßig, angenehm erwärmt, einen Vorbereitungsaufenthalt für solche bietet, die vor Eintritt in das Schwimmbad das Bedürfniß der Erwärmung empfinden.

Das Stuttgarter Schwimmbad ist auch in gewissem Sinne ein Volksbad, indem während der Abendstunden am Mittwoch und Sonnabend der Zutritt zu demselben zu einem ermäßigten Preise von nur 10 Pfennig gestattet ist. Dies bietet den weitesten Kreisen die Möglichkeit, der Wohlthat, die ein kühles Schwimmbad gewährt, theilhaftig zu werden.

Nebenbei möchten wir noch erwähnen, daß in einem besonderen, abgetrennten Raume des Souterrains auch ein „Hundebad“ errichtet ist, in welchem die Hunde entweder vom Besitzer selbst oder von eigens hierzu bestellten zuverlässigen Wärtern, die mit Thieren umzugehen verstehen, gebadet werden – „der Gerechte erbarmt sich seines Viehes“.

Das Stuttgarter Schwimmbad bedeutet einen neuen Triumph des Wassergottes in dem einst so badefaulen Deutschland. Je mehr solcher Triumphe wir verzeichnen, desto besser wird es um die Volksgesundheit bestellt sein. Und so möge denn der Anschluß Stuttgarts an die mit Schwimmhallen versehenen Städte dort anspornend wirken, wo es bis jetzt bei frommen Wünschen geblieben ist! *