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Das rothe Meer

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Textdaten
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Autor: M. Marbois
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Titel: Das rothe Meer
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr.  182;185 S.  725–727; 738-739
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[725]

Das rothe Meer.[1]


Seit Vasco da Gama, das Vorgebirg der Stürme umsegelnd, dem Handel eine neue Bahn eröffnete, verlor das rothe Meer seine Wichtigkeit, nachdem es während des ganzen Alterthums der Hauptverbindungskanal zwischen Morgen- und Abendland gewesen war. Dieser alte Hauptverbindungskanal könnte es von Neuem werden, wenn es möglich wäre, die Landenge von Suez zu durchbrechen. Die Vortheile eines solchen Unternehmens leuchteten Mehemmed-Ali so weit ein, daß er beschloß, vorläufige Untersuchungen über die Möglichkeit desselben anstellen zu lassen. Zuerst dachte man an den alten Kanal des Nechos, von dem noch deutliche Spuren vorhanden sind; aber die Absicht, diesen wieder herzustellen, wurde aufgegeben, weil man fand: einmal, daß er von Suez seine Richtung dem Nil zu, oberhalb Kairo, nimmt, was ein Hinderniß für die große Schifffahrt wäre; zweitens, daß die Periode des günstigen Monsun auf dem rothen Meer nicht mit dem hohen Wasserstand des Nils zusammentrifft.

Bei dem neuen Kanalplan bliebe der Nil ganz aus dem Spiel: man würde einen Paß öffnen, der vom Hafen von Suez ausginge, sich durch ein Thal, welches die Natur ausdrücklich zu diesem Zweck bestimmt zu haben scheint, gegen den See Menzaleh hinzöge und bei Tineh ins Mittelmeer mündete. Da aber Ebbe und Fluth im rothen Meer sehr bedeutend sind, und man befürchtete, der Kanal möchte sich zur Ebbezeit trocken legen, so beauftragte mich der Pascha mit einer Untersuchung des arabischen Golfs. Ein leichtes Schiff, zum Schutz gegen einen Ueberfall der in diesen Gewässern zahlreichen Piraten, welche auf die Mekka-Pilgrime lauern, hinreichend mit Artillerie versehe, wurde zu meiner Verfügung gestellt.

Wenn Ebbe und Fluth ihren Grund in der Anziehungskraft des Mondes haben, der die Mitte des Meers auf Kosten des Rands erhebt, so muß natürlich im rothen Meer, wo kein Zufluß von großen Strömen den Abgang unmittelbar ersetzt, diese Wirkung weit merklicher seyn als anderswo. Während also die Wasser gegen Babel-Mandeb entströmen, bleibt Suez und ein großer seichter Küstenstrich trocken. In dieser Gegend war es, wo Moses, um den Muth seiner Israeliten wieder zu beleben, sein berühmtes Wunder verrichtete. Das durch dreihundertjährige Knechtschaft entartete Volk wandte sich bei dem Anblick der unermeßlichen arabischen Wüste sehnsüchtig nach den Fleischtöpfen Egyptens zurück: da nahm Moses, als geschickter Staatsmann und Kenner der Natur, seine Zuflucht zu einer jener Erscheinungen, worin die unwissende Menge, stets gewohnt, überall den Einfluß einer höhern Macht vorauszusetzen, einen neuen Beweis seiner göttlichen Sendung nicht nur, sondern auch ihrer Pflicht, seiner Leitung sich zu überlassen, nothwendig erkennen mußte.

Wahrscheinlich geschah der Uebergang der Israeliten bei Rondelho, unweit Suez, von wo es nur drei Lieues nach Tohr, gegenüber auf der idumäischen Küste ist. Moses, von Pharao bedrängt, führte hier auf einer Strecke, wo das Meer zur Ebbezeit sich von einem Theil seines Betts zurück zieht, sein Volk hinüber, wobei er den Vortheil hatte, daß die eintretende Springfluth die Egyptier entweder an der Verfolgung hinderte, oder, wenn sie doch nicht nachließen, vielleicht gar ersäufte. Beinahe wäre selbst ein Mann, der ohne Zweifel ein besserer Naturkenner als Pharao und Moses war, Bonaparte, ein Opfer seiner Unvorsichtigkeit geworden, als er eines Tages, während der Ebbe, die sogenannten Mosesbrunnen besuchte.

Etwa vierzig Lieues gegen Süden, an einer gefährlichen, mit Klippen bedeckten Küste hin, gelangt man nach Kosseyr. Die ganze westliche Seite des rothen Meeres stellt eine dürre Fläche dar, über welche einzelne Sandhügel sich erheben, die der Sirocco, der Tyrann der Wüste, nach Gefallen niederweht. Die Berge Defa, Seitieh, Sefada und andere erscheinen, wie zackige Einschnitte, da und dort am fernen Horizont, während von Koßeir aus eine ununterbrochene Gebirgskette zwischen dem Nil und dem Golf fortläuft. Hier in den reichen Marmorbrüchen (abwechselnd rother und grüner Serpentin-Marmor findet sich in allen Bergen) ließen die Pharaone jene ungeheuern Blöcke hauen, welche in Form von Säulen, Sphinxen, Kolossen, Obelisken, Vierecken, alle Städte Egyptens schmückten. Ihren alten Namen el-Abahra (Wagenplatz), verdankt die Gegend vermuthlich der Menge von Wagen, welche dahin kamen, um Steine zu laden, die sie nach dem Nil führten.

Kosseyr ist eine Stadt mit Mauern. Bonaparte beabsichtigte daraus einen Waffenplatz zu machen, für den Fall, daß der Plan, die englischen Besitzungen in Indien vom rothen Meer aus anzugreifen, zur Ausführung käme. Dieser Plan unterblieb; dagegen mußte unter Klebers Verwaltung Kosseyr gegen die Engländer befestigt werden, weil diese Egypten mit gleichzeitigen Landungen im Norden und im Osten bedrohten. In der Folge gab Ibrahims Krieg mit den Wahabi dem Hafen einigen Flor, der übrigens mit dem Augenblick wieder verschwinden dürfte, wo die Araber das Joch Mehemmed Ali’s abgeschüttelt haben werden. Einstweilen dient Kosseyr als Verbindungsort zwischen dem eroberten Land und Kairo. Man sieht daselbst ein viereckiges Fort, aus behauenen Steinen erbaut, und mit Basteien vertheidigt; aber dieses Fort könnte sich, da es von mehreren Anhöhen beherrscht wird, nicht gegen sechs Kanonen halten, die von geschickten Artilleristen gerichtet wären. Ein Felsen, der ziemlich weit in das Meer sich erstreckt, bildet das Hafenbecken: er schützt die Schiffe gegen den Nord und Nordost; die Stadt schützt sie gegen den West.

Wenige Tage vor unserer Ankunft waren die afrikanischen Mekka-Karavanen, die von Kairo aus zusammen reisen, von Kosseyr unter Segel gegangen. Abdulla, Emir Hadschi, d. i. der Fürst der Pilgrime, war hier gestorben. Da der Führer der Karavane Jeden beerbt, der unterwegs [726] stirbt, so ließ es der Ehrgeiz oder die Habsucht der Bewerber um einen Posten, der so einträglich ist, nicht an Umtrieben und Kabalen fehlen, und ein Ausbruch blutiger Scenen stand bevor, wenn nicht Ayub, der Kaschef der Stadt, sich ins Mittel geschlagen hätte. Indem er seine Autorität durch 1500 Mann Soldaten aus der Seve’schen Schule unterstützte, gelang es ihm, den Frieden zu erhalten.

Zwei Lieues weiter abwärts findet man Alt-Koßeyr, welches das ehemalige Berenice seyn soll. Aber in den Umgebungen weder von Alt- noch von Neu-Koßeyr entdeckt das Auge auch nur einen einzigen Baum, einen einzigen grünen Fleck: jedes Korn Getreide, womit sich die Einwohnerschaft nährt, wächst an den Ufern des Nils.

Die Bergkette, welche den Golf, so zu sagen, bis Abyssinien begleitet, nimmt unterhalb Koßeyr den Namen des Smaragdgebirges an; diese Berge entfernen sich bald auf weite Entfernung von der See, bald nähern sie sich wieder und verlängern sogar oft ihre Felsenwurzeln bis unter die Fluthen, wo sie gefährliche Riffe bilden, in deren Bereich der Schiffer, nicht ohne große Vorsicht, zumal während des Winter-Monsuns, sich wagen darf.

Im Verfolg der Fahrt gegen Süden fand ich als den bedeutendsten Platz die eben so stark durch Natur, als durch Menschenkunst befestigte Stadt Suakin. Sie liegt auf einer kleinen, runden Insel, die keine halbe Lieue im Umfang hat; in der Nähe ist guter Grund, in einiger Entfernung aber ist das Meer treuloser als irgendwo. Seit den nubischen Siegen Ismaëls, des Sohnes Mehemmed Ali’s, liegt in Suakin egyptische Besatzung und der Statthalter von Maßua und Dalek nimmt vorzugsweise daselbst seinen Aufenthalt: wir erhielten von ihm Erfrischungen, die unter diesen Breiten eine außerordentliche Seltenheit sind. Vier Lieues von der Stadt an der Küste hat er große Anlagen, die ihm seine Sklaven wäßern; und wenn die Strauße, deren es hier viele giebt, oder ein giftiger Wind, den die Araber Uri nennen, ihn nicht um die Ernte bringen, so kann er seine Tafel mit herrlichen Ananas, Melonen, Bisamcitronen, Limonien und andern Gartenfrüchten zieren.

Mitten durch diese Gebirge, die das afrikanische Ufer umstarren, sollte, nach dem Plane Albuquerque’s, der Nil in das rothe Meer geworfen werden, damit die Zeit der Größe Egyptens, wo dieses Land den portugiesischen Handelsherren gefährlich werden könnte, mit der Entziehung des befruchtenden Stromes, der Hauptquelle seines Reichthums, auf immer vorbei wäre. Albuquerque, der die Freundschaft des Kaisers von Abyssinien gewonnen hatte, verlangte von König Emanuel I 1500 Arbeiter, um durch einen Kanal von Dongola aus den Nil abzuleiten; diese waren bereits von Madeira angekommen, als man bei näherer Untersuchung der Sache auf so viele Hindernisse des Terrains stieß, daß man das ganze Vorhaben aufgab.

Von 25° bis 16° läßt die Westküste keine Schifffahrt zu: es existirt zwar ein hundert Lieues langer Kanal durch die Untiefen und Sandbänke, den aber außer der leichten Barke des Afrikaners der rothen Meerküste kein Fahrzeug befährt. Eine solche Barke ist ganz ein Geschenk des Palmbaums; dieser liefert nicht nur das Holz zum Bau, Masten, Segel- und Takelwerk zur Ausrüstung des Schiffs, sondern auch alle Reisevorräthe, Brod, Wasser, Wein, Essig, Zucker, Oel etc. Indem man nehmlich den Palmbaum der Länge nach zersägt, so erhält man die nöthigen Planken und mit den Bändern, die man aus der Wurzel dreht, hält man die Planken zusammen. Aus derselben Wurzel bereitet man ein Takelwerk, das sich für die größten Schiffe eignet; aus dem Stamm Mast und Raa; aus den an einander genähten Blättern Segeltuch, ja auch Säcke, welche die Araber Mancanda nennen. Ein auf diese Weise segelfertig gemachtes Schiff braucht nun blos die Frucht dieses Baums zu laden, um mit allen Bedürfnissen versehen zu seyn. Es gibt keinen Monat im Jahr, wo nicht die Palme, je nach der Güte des Baumes und des Bodens, eine Hülse mit zwanzig bis fünfzig Kokosnüßen erzeugt; aus der Hülse, [2] die man am Baum öffnet, gewinnt man den sogenannten Sorosaft. Derselbe ist eine ungemein wohlschmeckende, klare und gesunde Flüssigkeit, welche zur See die Stelle des Wassers vertritt und die Eigenschaft hat, sich zu verdichten; gekocht, wird daraus ein Zucker, den die Indier hoch schätzen, abgezogen, der sehr starke Napabranntwein, der auch in einen vortrefflichen Essig verwandelt werden kann.

Diese verschiedenen Erzeugnisse des Palmbaums sind bloße Präliminarien der eigentlichen Kokosernte, die erst Statt findet, nachdem der frische, köstliche Saft, welchen die Kokonuß vor ihrer völligen Zeitigung enthält, sich zu einem eben so köstlichen Mark verhärtet hat. Die zweite Rinde, welche die noch grüne Frucht, Lanhâ genannt, mit jener Flüssigkeit umschließt, ist so zart, daß man sie mit Vergnügen ißt. Das Mark der reifen Frucht zerreibt man entweder zu Mehl und backt Kuchen oder man preßt ein Oel daraus, welches in Indien einen bedeutenden Verschluß hat, und theils als Räucherwerk und Gewürz, theils als ein, besonders bei Quetschungen wirksamer, Wundbalsam, gebraucht wird. Auch die Schale der Frucht bleibt nicht unbenutzt, man verarbeitet sie zu Tassen und Büchsen; so daß man wirklich sagen kann, der Palmbaum seye hinreichend, um Schiffe zu bauen, sie anzutakeln und mit Brod, Wein, Essig, Branntwein, Zucker, Oel, Wasser und Balsam zu beladen.

Von Suakin bis zur Insel Dalaka, auf einer Strecke von 20 Lieues wehte fortwährend von Afrika her der glühende Uri. Die Athmosphäre war in heiße Staubwolken gehüllt, welche, wenn sie sich in das Meer warfen, auf den Wellen die täuschende Erscheinung des Hagels hervorbrachten. Bei Dalaka werden die gelben Perlen gefischt, woran Arabien einen schönen Handelszweig besitzt.

Vierzig Lieues näher der Linie, an einer nicht sonderlich sichern Bucht, liegt die Stadt Bayluhr [3] oder [727] vielmehr ein Haufen elender Hütten, den man mit dem Namen Stadt beehrt hat. Einige Saiken unterhalten den ganzen Handel, der von hier mit dem gegenüberliegenden Moka getrieben wird. Zwölf Lieues weiter befanden wir uns in der Meerenge von Babel-Mandeb, d. i. im Thor der Thränen. Ob dieser Name sich vielleicht von den Gefahren herschreibt, mit welchen die alten Araber die Schifffahrt, auf dem Ozean in Verbindung setzten, so daß ihnen Jeder verloren schien, der sich über die Meerenge hinaus wagte?

In der Meerenge herrschen sehr heftige Winde. Wir wären beinahe auf die Insel Perrhaim geworfen worden, und entgingen dieser Gefahr nur, indem wir uns — bereits den Rückweg antretend — in eine Bay zwischen Babel-Mandeb und Moka flüchteten. Moka, als wir es endlich erreichten, kam uns vor wie ein bezauberter Ort aus Tausend und Eine Nacht; seine Ansicht von der Seeseite ist ziemlich angenehm. Ob es gleich mitten in die Sandwüste gebaut ist, wo nur hie und da ein Palmbaum die allgemeine Oede unterbricht, so sind doch die Märkte hier mit allem Möglichen auf’s Reichlichste versehen: der Handel führt dieser alten Hauptstadt Yemens alle Früchte und Gartengewächse des Thals von Sennaa, das zwölf Lieues landeinwärts liegt, und die Heerden Abyssiniens zu. Die Stadt ist mit Festungswerken umgeben; eine Batterie beherrscht das Meer; im Norden hat sie zwei Thürme, mit einigen Kanonen besetzt, welche den Wahabi imponiren sollen. Der berühmte Mokakaffe wächst nicht in den Umgebungen der Stadt. Die ganze Küste, in einer Breite von zehn, fünfzehn, zwanzig Lieues ist eine Wüste, und aus dem Anblick zahlreicher Versteinerungen kann man schließen, daß sie ehedem von den Wogen bedeckt: war. Aber jenseits des Saums der Wüste erhebt sich ein grünes Amphitheater von Bergen und Thälern, wo Kaffestauden, Datteln, Ananas, Reben, Feigen, Granaten, Cassien wachsen, wo tausend Blumen und Gewürze an alle Sinne sprechen und für Yemen den Namen des glücklichen Arabiens verdienen, einen Namen, den man sehr übel angebracht glaubt, wenn man nach der Seeküste das Land überhaupt beurtheilt.

Wir vermieden die Beendungen längs der Insel Kahrman, die durch eine kleine Lieue von Arabien getrennt ist. Nach sechzig Lieues einer sehr einförmigen Reise entdeckten wir Besyam und endlich Dschidda, wo wir vor Anker gingen. Dschidda ist der Hafen von Mekka, wie Havre von Paris. Die Verehrung für das Grab Ismaels und die Kaaba (auch Beith-Alla oder das Gotteshaus genannt), ist bekanntlich sehr groß und gilt für ein Dogma der muselmännischen Religion; eine oder zwei Pilgerfahrten nach Mekka hält jeder Gläubige für seine Pflicht: daher die Menschenmenge, die in Dschidda zusammenströmt: denn neben der Andacht, welche die Pilger dahin zieht, thut dieselbe Wirkung bei den Kaufleuten die Gewinnsucht. Der Handel ist hier so bedeutend und es laufen eine solche Menge reichbeladener Schiffe in den Hafen, daß ein arabisches Sprichwort sagt: „Reich wie ein Schiff von Dschidda.“ Wir trafen hier den französischen Arzt Devaux, den der Pascha von Egypten über das Spital von Mekka gesetzt hat: er überhäufte uns mit Freundschaft.


[738] Von Dschidda brauchten wir zehn Tage nach dem bloß 50 Lieues entfernten Yambo. Mit Hülfe eines geschickten Küstenlootsen kommt man zur Noth, ohne an den Klippen zu zerschellen, durch das schmale Fahrwaßer in den Hafen. Yambo, eine große Stadt, mit einem in der neuesten Zeit durch einige Kanonen verstärkten Fort (früher hätte es durch eine einzige Kanone zusammen geschossen werden können), ist derjenige Hafen, welcher über Koßeyr und Suez die unmittelbarsten Verbindungen mit Egypten unterhält. Wir fanden ihn bequem und sicher. Hier, wie in Moka, breitet sich die Landschaft fast, so weit das Auge reicht, als eine farblose Sanddüne aus, die selbst des Schmucks der Palme entbehrt; nur um den fernen Horizont scheint ein grüner Schleier sich zu weben: es ist dieß eine Reihe fruchtbarer Berge, von deren außerordentlicher Höhe man sich aber erst einen Begriff machen kann, wenn man sich ihnen mehr genähert hat. Alle Klimate, alle Temperaturen begegnen sich im Schoße dieser arabischen Andes; sie schließen jene wonnigen Thäler ein, aus deren Anschauung die Phantasie der Orientalen Sage und Verheißung von mehr als Einem Eden geschöpft hat.

Eine Karavane aus Medina – die Entfernung von Yambo beträgt zwei Tagreisen – kam gerade an. Alle unsre Vorstellungen von patriarchalischer Vorzeit erwachten bei diesem Anblick der stattlichen Männergestalten und ihrer langen bunten Trachten, des Zugs der Kameele, des Troßes der Knechte, der Zelte etc. Die Araber nennen in ihrer bilderreichen Sprache das Kameel das Schiff der Wüste, dieser Wüste, die dem Reisenden Nichts darbietet, als einen grenzenlosen Gesichtskreis und ein Meer von Sand. Beladen mit kostbaren Schätzen und von Führern geleitet, die ihren Lauf nach den Sternen richten, dringen die Kameele mitten in die unermeßlichen Gebiete der Einsamkeit, wo sie nur die Wuth der Orkane fürchten, wenn der Samum die Sandhose daher wirbelt und Alles, was athmet, unter ihrem Wogensturze begräbt.

Da es unsre Aufgabe war, diese Seestriche genau zu erforschen, so verließen wir Yambo, um unsre Küstenfahrt fortzusetzen, das Festland von Arabien auf der einen, die Klippen von Morsa, Haskaim, und die Inseln Hasana, Harama, Maka, Merahim auf der andern Seite. Der Strand ist allenthalben mit schroffen unnahbaren Felsen, wie mit natürlichen Wällen, bedeckt. Etwas über die Insel Tyran hinaus theilt sich das rothe Meer in zwei Meerbusen, den von Akaba und Suez, zwischen welchen die stumpfe Spitze von Cap Mahommed hervortritt. Im Meerbusen von Akaba befinden sich die beiden Häfen Ezeon-Geber und Eloth, von wo in den glänzenden Zeiten Jerusalems die israelitischen Flotten ausliefen. Heut zu Tage begreift man kaum, wie in Häfen ohne Anfahrt, und in einer Gegend ohne Holz und Wasser, Schiffe zu bauen, auszurüsten und auslaufen zu lassen, möglich war. Wären etwa in früherer Zeit diese Länder weniger von der Natur und den Menschen vernachläßigt gewesen? Hätte vielleicht erst im Lauf der Jahrhunderte, bei der langsamen, fast unmerklichen Wandelung der Erdachse von Norden gegen Süden, die Sonne eine solche Veränderung in den climatischen Verhältnissen hervorgebracht? Dieß ist die einzige Annahme, welche das historische Räthsel der Erscheinung ungeheurer Ruinen in der Wüste, wie der von Palmyra, Balbeck und andern Hauptstädten Asien und Afrikas einiger Maßen löst.

Auf der Art von Halbinsel, welche durch die Einschnitte beider Meerbusen gebildet wird, erheben sich die Berge Sinai und Horeb; unfern Tohr, liegen die sogenannten Mosesbrunnen; dort, in dem Land, das jetzt eine leblose Wildniß ist, blühte einst Edom, die Stadt, die in Reichthum und Bevölkerung sich mit Tyr maß, die der [739] königliche Dichter (Ps. 60, 11) die starke nennt, die er belagerte, zerstörte, und mit deren Einwohnern er die Häfen Jerusalems, Eloth und Ezion-Geber, bevölkerte.

So unbekannt das rothe Meer gegenwärtig ist, so bekannt war es sonst: sein ganzes Litoral trägt die Spuren historischer Erinnerungen, die uns aber bei dem Mangel dauerhafter und gesetzmäßiger Völkerverbindungen der alten Welt und durch die gewaltigen Revolutionen, die den Handel seit der Entdeckung Amerikas betrafen, aus den Augen gerückt wurden. Ich bin jedoch jetzt, nach dem ich meine Runde vollendet habe, überzeugt, daß die Verbindung beider Meere den Welthandel dahin zurückbringen, und diesen jetzt verödeten und wie verschollenen Ländern ihren alten Flor wieder geben müßte. Die größte Breite des rothen Meers beträgt nicht über 60 Lieues, die sich noch auf vielen Puncten bedeutend verringert. Wenn man nun zugibt, daß die Gewässer an beiden Küsten wegen ihrer zahllosen Klippen äußerst gefährlich sind, so bleibt für die Schifffahrt auf jeden Fall die Mitte, welche für Fahrzeuge von jeder Größe fahrbar ist; man findet zwar auch hier Klippen, allein sie reichen über den Wasserspiegel und so kann man sie vermeiden. Denn der Umstand, daß es so viele Schiffbrüche gibt, beweist Weniger für die Gefährlichkeit des Golfs, als für die Ungeschicklichkeit der arabischen Seeleute, die Nichts von der Hydrographie verstehen. Das rothe Meer böte den Vortheil dar, daß der Handelsverkehr sich nach den Monsuns richten könnte, die regelmäßig sechs Monate von Norden und sechs Monate von Süden wehen, so daß im Sommer die Schiffe von Egypten abgingen, im Winter daselbst anlangten. Der Kanal zwischen Suez und Tineh wäre nicht unmöglich, freilich würde er etwas länger und seine Ausführung schwerer seyn, als man bei oberflächlicher Ansicht sich einbildet. Ein nicht so leicht zu überwindendes Hinderniß läge in der Beweglichkeit des Sands, der den Grund beider Meere in der Nähe des Isthmus bildet: man müßte den Kanal an verschiedenen Orten ausmauern, und selbst ziemlich weit in die See hinein Dämme führen. Was endlich das Mißverhältniß beider Meere in Bezug auf Ebbe und Fluth beträfe, so dürfte sich dieses gerade durch den Verbindungskanal etwas ausgleichen, zumal wenn, wie behauptet wird, der Wasserspiegel des rothen Meers höher seyn sollte, als der des Mittelmeeers, wodurch abwechslungsweise Strömungen entstünden, die das Aus- oder Einlaufen der Fahrzeuge sehr begünstigen würden.

  1. Extrait de mémoires inedits de M. Marbois. Im Journal des Voyages. Mai 1828.
  2. Durch Einschnitte in den Baum selbst wird zwar jener Saft auch abgezapft, aber der Baum wird erschöpft und stirbt ab.
  3. Die dortige Landschaft war nicht immer so unfruchtbar und armselig wie jetzt, wenn anders, wie einige Schriftsteller behaupten, das Gold- und Elfenbeinland, welches Salomon’s Flotten besuchten, hieher verlegt werden muß. Uebrigens scheint weder die Beschreibung der Schätze von Tarschisch und Ophir (Reg. I, 9, 26. 28. 10, 11. 12. Paralip. 9, 21.), nach die Zeit von drei Jahren, welche die israelitischen Flotten von Eloth und Ezeon-Geber zur Hin- und Herfahrt gebraucht haben sollen, auf die Küstenländer Abyssiniens am rothen Meer zu passen.