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Fortschritte der Agricultur in Frankreich

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Titel: Fortschritte der Agricultur in Frankreich
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aus: Das Ausland, Nr. 181; 190 S. 721–724; 757–758; 761–763
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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Fortschritte der Agricultur in Frankreich.[1]


Wenn wir den gegenwärtigen Zustand des Ackerbaues auf der ganzen Oberfläche von Europa betrachten; so können wir uns unmöglich verbergen, daß diese Kunst in unseren Tagen einen Wendepunct erreicht hat, welcher der Anfang einer neue Aera für dieselbe zu werden verspricht.

Der Ursprung unseres alten Agricultursystems verliert sich, gleich so vielen andern Einrichtungen und Institutionen des neueren Europa, in die Nacht des Mittelalters. Der Hauptgrundsatz dieses Systems war die Theilung des Bodens in zwei Theile, von denen der eine dazu bestimmt war, bleibenden Wiesengrund zu bilden, während der andere dem Pfluge unterworfen und seinerseits in zwei oder gewöhnlicher in drei Felder getheilt wurde, von denen nur das eine zum Getreidebau, das andere, als Brachland, zur Vorbereitung des Bodens für den Waizen- oder Roggenbau – worauf dann unmittelbar das Sommerkorn folgte – und endlich das dritte als Gemein-Waide benutzt wurde.

Wie groß auch immer die Fehler dieses Systems seyn mögen, so muß man doch zugeben, daß es den Verhältnissen der Zeit, welcher dasselbe sein Entstehen verdankte, vollkommen angemessen war; einer Zeit, wo der Feldbau sich auf eine sehr geringe Anzahl von Pflanzen beschränkte, die überdieß sämmtlich der Familie der Cerealien angehörten; einer Zeit, wo die ganze Aufgabe des Ackerbauers darin bestand, ein armes Land, das in der Civilisation noch weit zurück, nicht dicht bevölkert und doch bereits zu zahlreich bewohnt war, als daß bloße Viehzucht es hätte ernähren können, mit den unentbehrlichsten Lebensbedürfnissen zu versehen, und dieß auf eine Weise zu thun, welche möglichst wenig Handarbeit erforderte, und von Menschen, die eben so sehr der wissenschaftlichen Bildung, als des Geldreichthums entbehrten, auf das Leichteste ins Werk gesetzt werden konnte.

Gegenwärtig wird dieses alte Cultursystem durch das der Wechselwirthschaft verdrängt, welches bedeutend größere Capitalien und ausgebreitetere Kenntnisse von Seiten des Feldbauers voraussetzt, der dasselbe anwendet, aber auch einen unendlich beträchtlichern Ertrag gewährt, und dessen Hauptgrundsatz die Unterdrückung des bleibenden Wiesengrundes, des Brachlandes und der Gemeinwaiden und die Vertheilung der für den Anbau bestimmten Ländereien in eine sehr verschiedene Anzahl von Feldern ist, auf denen man abwechselnd eine Menge von Gewächsen baut, deren Cultur bei dem alten System der Dreifelderwirthschaft unmöglich war, und von denen die einen unmittelbar die Nahrung des Menschen, die andern Futter für zahlreiches Vieh und die letzten Materialien für Handwerke und Künste liefern.

Die Wechselwirthschaft ist in viel höherem Grade, als die Dreifelderwirthschaft geeignet, allen Bedürfnissen einer Nation nach den verschiedenen Stufen ihrer Bevölkerung, ihres Reichthums und ihrer Industrie zu entsprechen. Die Dreifelderwirthschaft ist unveränderlich sowohl in Bezug auf die Menge, als auf die Beschaffenheit ihrer Producte; die Quantität animalischer Producte, welche sie für die Ernährung des Menschen darbietet, ist sehr gering; so daß bei den Nationen, welche sie angenommen haben, und noch beibehalten, neunzehn Zwanzigtheile der Bevölkerung gezwungen sind, sich fast ausschließlich von Brod zu nähren. Die Quantität des Getreides, das sie hervorbringt, ist, wenn wir einen mittleren Maßstab für eine gewisse Anzahl von Jahren setzen, unveränderlich und keiner Vermehrung fähig, außer durch Mittel, die man außerhalb ihres Gebietes entlehnt; so daß also bei allen Völkern, deren Unterhalt auf diesem Agricultursystem beruht, die Bevölkerung stehend werden muß, und die Industrie keine Fortschritte machen kann, wenn sie nicht die Materialien, deren sie sich bedient, von außen erborgt.

Wir haben bemerkt, daß der Ertrag der Dreifelderwirthschaft, nach dem Durchschnittsertrag einer gewissen Anzahl von Jahren berechnet, unveränderlich derselbe sey; aber wenn wir diesen Durchschnittsertrag nicht in Betracht ziehen, so finden wir, daß der Witterungswechsel einen so großen Unterschied in den Ertrag einzelner Jahre bringt, daß derselbe bald das Doppelte, bald nur die Hälfte der mittleren Production beträgt. Da die Bevölkerung natürlich auf dem Puncte stehen bleibt, wo der mittlere Ertrag ihrem Bedarf entspricht, so sind einige Jahre des Ueberflusses hinreichend, alles Gleichgewicht aufzuheben. Es ist außer Zweifel, daß die Bevölkerung beständig darnach strebt sich zu vermehren, und daß diese Vermehrung keine Grenzen anerkennt, als die, welche durch die Menge der Subsistenzmittel bestimmt werden. Aber die Vermehrung dieser Subsistenzmittel, welche durch zwei oder drei Jahre des Ueberflusses hervorgebracht wird, [722] ist hier zu schnell, als daß die Bevölkerung gleichen Schritt halten könnte. Der Werth des Getreides muß daher fallen und fällt unter den Preis, der erforderlich ist, um den Pacht oder die Abgaben und die Kosten des Anbau’s zu decken. Dennoch fahren die Feldbauer fort, nach wie vor ihren Waizen und ihren Hafer zu säen, weil es nach ihrem System des Ackerbaues kein anderes Mittel gibt, als in dieses Feld diese oder jene Getreideart zu säen, oder dasselbe unbestellt liegen zu lassen. Die weniger wohlhabenden Pächter und Bauern ruiniren sich, oder verarmen so sehr, daß sie nicht mehr im Stande sind, ihren Feldern die nothwendigen Vorbereitungen zum Anbau zu geben. Wenn dann unter solchen Umständen ein Jahr des Mißwachses eintritt, so ist es unvermeidlich, daß der Preis der unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse nicht eine sehr große Höhe erreiche. Derselbe Ausfall in der zweiten oder dritten Ernte muß eine wahre Hungersnoth hervorbringen, bis die Erhöhung des Preises der Producte dem Anbau eine neue Thätigkeit verleiht und die Feldbauer dahin gekommen sind – was aber nicht in dem Verlaufe von einem oder zwei Jahren erreicht werden kann – ihre Felder aufs Neue in den Stand zu setzen, daß sie reichliche Ernten erzielen. Aber dieser Reichthum selbst, durch ein oder zwei gute Jahre begünstigt, wird wieder dieselben Umstände und die Wiederholung derselben Bewegung herbeiführen. So ist bei diesem System des Ackerbau’s der Ueberfluß selbst ein Unglück, weil er unvermeidlich zur Hungersnoth führt.

Bei den zahlreichen Combinationen der Wechselwirthschaft ist es dagegen nicht bloß Getreide, was der Ackerbau für den Unterhalt des Menschen erzeugt; und da ihre Producte von größerer Mannigfaltigkeit sind, so bieten sie auch größere Sicherheit gegen die Nachtheile dar, welche der Mißwachs einer einzelnen Pflanzengattung in einem ungünstigen Jahre zur Folge hat. Der Anbauer, der zu jeder Jahreszeit Felder besitzt, die eine gute Vorbereitung erhalten haben – es sey zum Anbau von Handelsvegetabilien oder von Pflanzen, die zur Viehfütterung dienen – kann immer, wenn sich das Bedürfniß zeigt, die Bestimmung derselben ändern und in einer sehr kurzen Frist die Nahrungsmittel gewinnen, deren er und seine Mitbürger bedürfen; und er wird nie anstehen dieß zu thun, denn seine Interessen sind hier vollkommen im Einklang mit denen der ganzen übrigen Bevölkerung.

Dieses System des Ackerbaues ist daher allein fähig, einer zahlreichen und industriösen Bevölkerung die Gegenstände des Verbrauchs darzubieten, deren sie bedarf; dieses System allein macht es möglich, das so wünschenswerthe, gleichmäßige Verhältniß zwischen der Masse der Vorräthe und dem Bedarf eines Volkes fest zustellen; während auf der andern Seite bei dem System der Dreifelderwirthschaft, welche dem Menschen Nichts als Nahrungsmittel und wieder kein anderes Nahrungsmittel als Brod liefert, offenbar die Zahl der Einwohner eines Landes, so wie der Zustand seiner Industrie eine bestimmte, sehr beschränkte, Grenze nicht überschreiten kann. So bald einmal, wo letzteres System befolgt wird – mit Ausnahme der ausgedehnten Wiesengründe, welche dasselbe nothwendig macht – alles Land zum Ackerbau verwandt worden ist, kann die Bevölkerung unmöglich sich vermehren, ohne ihre Bedürfnisse von außen zu beziehen; und wenn das gleichmäßige Verhältniß zwischen der Production und der Consumtion einmal aufgehoben ist, so kann es nicht anders, als durch gewaltsame Bewegungen wieder hergestellt werden: unmäßiger Ueberfluß und Hungersnoth sind unvermeidliche Uebel, die periodisch wiederkehren.

Wenn wir unsere Blicke auf den Zustand der Agricultur bei den verschiedenen europäischen Nationen richten, müssen wir anerkennen, daß in dem Wettkampfe, in den alle gegenwärtig mit gleichem Eifer eingetreten sind, Frankreich bisher sehr zurückgeblieben ist. Allerdings hat seit dreißig Jahren, mitten unter den blutigsten Kriegen und Geißeln aller Art, die Bevölkerung dieses Landes sich um ein Fünftheil vermehrt; der innere Reichthum des Landes hat in gleichem Maße zugenommen: aber nicht den Verbesserungen des Agricultursystems verdankt dasselbe dieses Glück, sondern den wohlthätigen Folgen der Revolution. Frankreich verdankt seinen gegenwärtigen Wohlstand der Theilung einer großen Menge von Gemeindegütern, die früher unangebaut, jetzt einer großen Anzahl von Familien Unterhalt und Beschäftigung darbieten, der Aufhebung des Zehnten und der Erhöhung des Ertrages und des Preises der Handarbeiten, welche die Folge von der Theilung einer Menge großer Besitzungen gewesen ist, die in die Hände der jetzt so zahlreichen Classe der kleinen Grundeigenthümer übergingen.

Wir können nicht leugnen, daß es in Frankreich Gegenden gibt, in welchen die Kunst des Ackerbau’s eine Vollkommenheit erreicht hat, die von keiner anderen Nation der Erde übertroffen wird; Flandern hat das erste Beispiel der Wechselwirthschaft in Europa gegeben. Auch andere Theile des Königreiches zeigen eine mehr oder weniger hohe Ausbildung der Agricultur. Aber während jene flammländische Methode vierzig Jahre, nachdem sie zuerst in Großbritannien eingeführt wurde, dort beinahe allgemein angenommener Grundsatz des Feldbaus geworden ist, hat sie sich in Frankreich kaum in die nächsten Umgebungen ihrer Wiege verbreitet.

Die Ursache dieses auffallenden Unterschiedes in der Schnelligkeit, mit der gute Methoden in diesen beiden Ländern sich verbreiten, liegt vor Augen. Der flammländische Ackersmann liest so viel als Nichts und schreibt noch Weniger; was aber das Practische anbetrifft, so muß man ihm die erste Stelle unter den Landbauern von Europa einräumen. Er hat die Kräft seines Bodens studirt und kennt sie mit derselben Genauigkeit, mit welcher ein geschickter Mechaniker die Kraft und den Widerstand von einem jeden einzelnen Theile einer Maschine kennt, die er gebaut hat: er weiß, daß nach dieser Ernte, nach dieser Bestellungsart des Feldes diese Pflanze nicht gedeihen wird, während er von jener andern der reichsten Früchte gewiß ist. Durch Beobachtungen dieser Art und durch [723] Bemühungen im Kleinen ist er dahin gekommen, den Ertrag seines Bodens beinahe völlig unabhängig von dem Einflusse der Witterung zu machen; und dieß ist es, was wir als die letzte Stufe der Vollkommenheit in der practischen Agricultur betrachten müssen.

Aber man versetze diesen Menschen nur fünfzig Lieues von seiner Heimat auf einen Boden von verschiedener Qualität, der folglich auch eine andere Behandlungsart erfordert; man versetze ihn in eine Gegend, wo er keinen vortheilhaften Markt für die Producte findet, die er allein zu bauen gewöhnt ist, und man wird diesen selben geschickten Feldbauer bei jedem Schritt die gröbsten Fehler machen sehen. Wenn die Agricultur eines Landes sich in diesem Zustande befindet, so wird die beste Verfahrungsweise vom Vater auf den Sohn überliefert, kann sich aber unmöglich weiter verbreiten, weil der, welcher sie an einen anderen Ort verpflanzen wollte, mit den Veränderungen, die andere Umstände nöthig machen würden, unbekannt ist.

Die englischen Landbauer dagegen sind nicht auf sclavische Nachahmung beschränkt, sie haben Thatsachen studirt und verglichen und Erfahrungen gesammelt unter den verschiedensten Climaten und unter den mannigfaltigsten Umständen; sie haben die Resultate neben einander gestellt, und Grundsätze aus denselben gefolgert, die unter allen Umständen anwendbar sind: mit einem Worte, sie haben die Theorie der Kunst geschaffen. Von diesem Augenblicke an wurde die Einführung der Wechselwirthschaft einem Jeden möglich, der lesen konnte, und von diesem Augenblicke hat dieses System der Cultur sich bei ihnen mit reißender Schnelligkeit verbreitet.

Gleichfalls in Flandern und zu derselben Zeit haben die Engländer zuerst den Pflug ohne Vorgestell (charrue sans avant-train, swing-plough) kennen gelernt, der gegenwärtig in der ganzen Ausdehnung des brittischen Reiches allgemein in Gebrauch ist; aber sie haben, indem sie die Hauptgrundlage des Instrumentes annahmen, die Formen desselben so verändert, daß es für jede Art von Boden geschickt wurde. In Frankreich hat die geringe Anzahl von Personen, welche den belgischen Pflug kennen, sich damit begnügt, zu sagen, daß er für keinen andern Boden anwendbar wäre, als den, in welchem man sich desselben in seiner Heimat bediente. Jeder District hat seinen alten Pflug beibehalten, der in dem größten Theile von Frankreich die Kosten des Feldbaues verdoppelt oder den Ertrag desselben wegen der schlechten Furchen, die er zieht, in demselben Verhältniß vermindert.

Eine große Anzahl vervollkommneter Ackerbaugeräthe, die in England erfunden sind, haben sich dort mit derselben Schnelligkeit verbreitet, wie der einfache Pflug. Ein schottischer Mechaniker, Namens Meikle, erfand die Dreschmaschine; sie ist gegenwärtig auf allen Gütern von einiger Bedeutung in ganz Großbritannien eingeführt und erhöht den reinen Ertrag des Getreidebaus wenigstens um ein Drittheil, indem sie die Menschen der anstrengendsten und dabei ungesundesten Feldarbeit überhebt. – Ein englischer Pächter, ein Mann von wahrem Genie, Bakewell erkannte vor ungefähr sechzig Jahren zuerst die Fehler der Methode, die bisher bei der Fortpflanzung und Aufziehung der nützlichsten Hausthiere beobachtet worden war, er versuchte sowohl unter dem Wollenvieh, als unter dem Hornvieh besondere Racen zu bilden, die den verschiedenen Arten der Benutzung, zu welcher sie der Agricultur dienen, besonders entsprechend wären. Dieser Mann hat es durch Mühe, Geduld, Sorgfalt und unablässige Beobachtungen dahin gebracht, das Vieh, welches er zog, in Bau und Gestalt völlig seinen Absichten gemäß zu bilden und er hat so eine neue Kunst geschaffen, die sich alle Viehzüchter sogleich angeeignet haben und die seitdem für die Nation eine Quelle von unermeßlichen Reichthümern geworden ist.

Während dieses bewunderungswürdigen Aufschwunges der englischen Industrie ist Frankreich beinahe in allen Theilen des Feldbaus auf der Stufe, die es von Anfang einnahm, stehen geblieben. Die Kenntnisse, die man in Bezug auf die Viehzucht hat, sind hier noch auf demselben Puncte, auf welchem Bakewell dieselben in England fand. Man betrachtet als das Hauptverdienst sowohl bei dem Schlachtvieh, als bei dem, welches zur Production der Milch oder der Wolle bestimmt ist, den größten Wuchs oder den größten Umfang, oder die größte Quantität Milch, Butter oder Wolle, die man von jedem Stück gewinnt; während doch alle diese Rücksichten bei der Wahl einer Race ganz und gar nicht in Betracht kommen dürfen. Nirgend hat man Untersuchungen über das Verhältniß angestellt, welches sich bei jeder Race zwischen der Quantität des verbrauchten Futters und der Quantität Fleisch, Unschlitt, Milch, Arbeit oder Wolle findet, die man erhält; und dieß war doch gerade der Punct, auf den es vor Allem ankam. Man spricht häufig von der Schönheit eines Stiers oder Widders, aber immer setzt man diese Schönheit in den willkürlichen Vorzug, den man diesen oder jenen Formen giebt, ohne daß dieselben mit den Qualitäten, die das Vieh besitzen soll, um die verschiedenen Dienste zu leisten, die man von demselben verlangt, im geringsten Zusammenhang stünden.

Gegenwärtig fängt indessen auch Frankreich, da es alle Nachbarstaaten ein neues System der Agricultur annehmen sieht, das die Hülfsquellen derselben vervielfältigen muß, an zu begreifen, daß ihm nicht länger die Wahl bleibt, ob es gleichfalls dieses System annehmen will, oder nicht. In der That, wenn Alles um uns her fortschreitet, stehen bleiben zu wollen, ist ein wahrer Rückschritt; ja wenn Alles mit der reissendsten Geschwindigkeit fortschreitet, nur langsam fortzuschreiten, ist gleichfalls ein wahrer Rückschritt. Das was gegenwärtig einer großen Anzahl von Menschen, die diese allgemeine Bewegung gern theilen möchten, allein fehlt, sind die landwirthschaftlichen Kenntnisse, die sie sich nicht zu erwerben wissen. Aus Büchern diesen Unterricht zu schöpfen ist bei der großen Anzahl von schlechten, welche die geringe Anzahl von guten Werken verschlungen hat, so gut als unmöglich; außerdem haben einzelne fehlgeschlagene [724] Versuche auch gegen jene, die am Besten gelungen sind, mißtrauisch gemacht, und die einzelnen Verbesserer finden daher keine Nachfolger außer denen, die nicht zufällig Zeugen ihres Verfahrens waren.

Schon vor vierzig Jahren, als die Grundsätze der Agricultur noch sehr unsicher waren, errichtete die Regierung in Frankreich eine gewisse Anzahl von Versuchspachten (fermes expérimentales), die dazu bestimmt waren, die neuen Methoden zu prüfen und über dunkle Puncte der Kunst Aufklärung zu erhalten. Dieser Zweck, den sie auf keine Weise erfüllt haben, ist seitdem bei andern Nationen und in Frankreich selbst durch die Erfahrung von Privatmännern erreicht worden, und folglich als Ziel nicht mehr vorhanden. Die Theorie der Kunst ist geschaffen, es handelt sich nur noch um die Anwendung, und es kann daher nicht mehr die Rede von Versuchspachten, sondern nur von Musterpachten (fermes exemplaires) seyn, in denen man die bereits hinlänglich versuchte und erprobte Methode anwendet und anwenden lehrt.

Diese Musterpachten müssen, um ihrem Zweck zu entsprechen, nicht nur das Vorbild eines sehr productiven, sondern auch eines lucrativen Feldbaus seyn; sie müssen mit Gewinn betrieben werden. Man kaufe oder pachte auf bedeutende Zeit ein Gut von einigem Umfang, setze dem Anbau desselben einen Mann von Talent und Kenntnissen vor und vertraue ihm ein Capital an, das hinreichend ist, um damit eine gute Cultur einzuführen; man lasse ihm vollkommene Freiheit des Thuns, lege ihm aber dagegen schwere Verantwortlichkeit auf und überlasse ihm zur Belohnung seiner Bemühungen, und um sein Privatinteresse mit dem öffentlichen Interesse zu vereinigen, den Ertrag des Gutes, und man wird ein Etablissement gründen, dessen leicht zu berechnende Kosten sich auf die ersten Anlagen beschränken, und von dem der gute Erfolg so fest als immer möglich gesichert ist.

Eine auf diese Art organisirte Musterpacht würde beinahe in die Classe der Privatbenutzungen zurücktreten; und man wird daher leicht geneigt seyn, anzunehmen, daß man den Besitzern selbst überlassen könne, dieselbe zu stiften, oder das neue System auf ihren Gütern einzuführen. Wenn dieß aber nicht geschieht, es sey aus Unwissenheit oder aus Furchtsamkeit, ist es dann nicht nothwendig, sie durch das Beispiel zu ermuthigen und sie durch die Mittel eines praktischen Unterrichtes zu unterstützen? Außerdem hat eine Musterpacht dieser Art den Vortheil, daß ihr Verfahren nicht, wie dieß meist bei bloßen Privatunternehmungen der Fall ist, verborgen und, außer in der nächsten Nachbarschaft, unbekannt bleibt, sondern daß die Erfolge derselben der ganzen Nation offen vor Augen liegen und daher eine allgemeine Nacheiferung hervorrufen.

Das, was bisher die Regierung versäumt hat, ist, freilich in kleinerem Maßstabe, von Privatmännern ausgeführt worden. Ein Anzahl von Einwohnern in dem Departement de la Meurthe schoß durch Subscription oder durch den Verkauf von neunzig Actien zu 500 Franken ein Capital von 45,000 Franken zusammen, und stellte dasselbe zur Verfügung eines geschickten Landwirthes, des Hrn. de Dombasle, der sich verpflichtete – aber ohne Garantie – 5 pro Cent Interessen von demselben zu zahlen, und auf einem Gute von ungefähr 180 Hectaren Landes, das er in Pacht nahm, eine Musterwirthschaft anzulegen. Diese ist jetzt bereits mehrere Jahre in Gang; [2] und Hr. de Dombasle ist in diesem Augenblick damit beschäftigt, neben derselben zwei Institute zu gründen, welche den Einfluß des von ihm gegebenen Beispieles beträchtlich erweitern müssen: eine Fabrik für verbesserte Ackerbauinstrumente, und eine Anstalt, in welcher junge Leute aufgenommen werden, die sich mit der neuen Methode bekannt zu machen wünschen.

Eine Schule dieser Art hat bisher nirgends in ganz Frankreich bestanden; in einem Nachbarlande, in der Schweiz, gründete bereits vor dreißig Jahren Herr von Fellenberg eine solche Schule, die bald sehr berühmt wurde und Zöglinge aus allen Theilen der Welt aufnahm: aber sie verdankte ihren Namen mehr der Neuheit des Gegenstandes und einzelnen nützlichen Erfindungen ihres Stifters, als dauerndem Erfolg. Von vierhundert jungen Leuten, die aus dem Fellenbergschen Institut hervorgegangen sind, hat nach seinem eigenen Geständniß nur eine sehr geringe Anzahl Fortschritte in der practischen Landwirthschaft gemacht. Und dieß kann außerdem Niemand befremden, wenn man weiß, welche Summen die Unterrichtsstunden kosteten, die hier ertheilt wurden. Die ungeheuren Ausgaben, die Hr. v. Fellenberg machte, um den Landbau auf seinem Gute Hofwyl zu verbessern, haben ein beträchtliches Vermögen verschlungen. Nach der Zeit hat er, um sich von seinen Verlusten zu erholen, den Zweck seines Institutes verändert und aus demselben eine bloße Erziehungsanstalt gemacht. Der Erzieher hat wieder gewonnen, was der Landwirth verloren hatte; der Luxus und die Pracht, die jedem, der Hofwyl besucht, überall entgegentreten, zeugen von großem Wohlstande. Um indessen seine früheren Bemühungen nicht vor dem Publikum selbst für unzweckmäßig zu erklären, hat Hr. von Fellenberg, als er Erzieher wurde, den Schein angenommen, als bliebe er Landwirth; er hat seine Feldwirthschaft beibehalten. Alle Reisenden erstaunen über die herrlichen Ernten, über prächtiges Vieh, über Gebäude, die auf die erfindungsreichste Art gebaut und auf das Vollkommenste erhalten sind; nur wenige berechnen, was alles dieß kosten muß, ehe sie es bewundern; aber diese sind der Meinung, daß zu Hofwyl der Erzieher die Kosten des Landwirths zahlt und daß diese berühmte Landwirthschaft nur ein prächtiges und kostbares Aushängeschild ist, welches über der Thür der Erziehungsanstalt hängt.

[757] Unwissende, denen es schwer fällt, ihren Ideen eine andere Richtung zu geben, sehen in jedem Fortschritte Gefahr und folglich auch in den Fortschritten der Agricultur und in der allgemeinen Einführung der neuen Methoden der Landwirthschaft. Einige Verbesserungen, welche diese angenommen hat, haben bereits die Wirkung gehabt, seit dem Frieden ein fortdauerndes Sinken der Getreidepreise zu veranlassen.[3] Schon hat dieses Weichen der Preise angefangen, die Einkünfte der Grundbesitzer sehr fühlbar zu vermindern. Viele unter ihnen beklagen sich daher über den Ueberfluß, welcher den Werth der Producte verringert; in unserer gegenwärtigen Lage, sagen sie, übersteigt die Production bereits die Bedürfnisse der Consumtion, was wird nun die Folge seyn, wenn im ganzen Lande eine Methode eingeführt wird, welche die Production noch erhöht? Und diese Klagen hören wir in einem Lande, wo neunzehn Zwanzigtheile der Bevölkerung des zweckmäßigsten Nahrungsmittels, des Fleisches, noch beinahe völlig entbehren müssen!

Eine einzige Betrachtung muß jede Besorgniß in Bezug auf die Folgen eines zu großen Productenüberflusses, der durch die Annahme des Systems der Wechselwirthschaft hervorgebracht werden könnte, abweisen; und die ist, daß, wenn die Agricultur in einem Lande diese Richtung nimmt, nothwendig auch die Bevölkerung sich sogleich in einem Maße vermehren wird, welches den Verbrauch des Mehrertrages sichert. Buffon hat gesagt: „Neben einem Brote wächst ein Mensch!“ Dieß ist der kräftigste Ausdruck einer unbestreitbaren Thatsache; doch darf man nicht vergessen, noch eine Bedingung hinzuzufügen, nämlich, daß jenes Brod auch von diesem Menschen erreicht werden könne, d. h. daß der Mensch im Stande sey, sich das Brod zu kaufen; denn so lange die menschliche Gesellschaft besteht, ist kein anderes Mittel Etwas zu erwerben denkbar, als daß man für das Erworbene etwas Anderes von gleichem Werthe giebt. Nun ist das Einzige, was die große Mehrheit der Menschen zu geben vermag, nur der Werth ihrer Arbeit; es folgt hieraus, daß neben den Subsistenzmitteln auch eine verhältnißmäßige Masse von Arbeitsmitteln vorhanden seyn müsse, wenn ein Land, welches den größten Reichthum von Producten hat, eine zahlreiche Bevölkerung ernähren soll. Dieß sieht man bei einigen Nationen, wo der Getreidebau, der an und für sich nur weniger Hände bedarf, eine große Ausdehnung erhalten hat, ohne daß sich durch andere Zweige der Industrie auch verhältnißmäßige Erwerbsmittel daneben fänden: ein solches Land ist Polen.

Eine Thatsache, die man seit zehn Jahren allgemein in Europa wahrgenommen hat, ist die fortwährende Abnahme der Interessen aller Capitalien; und die Ursache davon ist offenbar: Der Frieden hat die Arbeit begünstigt, und durch die Verbesserungen der Industrie, durch die Freiheit des Handels und durch Sparsamkeit hat sich die Masse des Besitzes jeder Art beträchtlich vermehrt. Wenn viele Landwirthe klagen, ihre Einkünfte viel schneller sich vermindern zu sehen, als die der andern Stände, so ist der Grund davon nur, daß bei dem allgemeinen Fortschreiten aller Gewerbe, dasjenige, dessen Ertrag ihre Einkünfte ausmacht, unter ihren Händen beinahe auf einem und demselben Puncte stehen geblieben ist; sie haben daher in doppelter Eigenschaft als unfähige Capitalisten und als ungeschickte Fabrikanten verloren. – Auch sind ihre Klagen ohne Zweifel sehr übertrieben. Wenn man sie hört, sollte man glauben, der Preis der Feldproducte sey so gering, daß es ihnen nicht den geringsten Gewinn mehr bringt, ihren Grund und Boden anzubauen. Die einzige Widerlegung, die wir dagegen anzuführen haben, ist die Thatsache, daß sie noch immer fortfahren, ihn zu bauen.

Aus dieser Lage der Dinge, der großen Nachfrage nach Arbeit bei dem geringen Preise des Getreides, geht hervor, daß der Zustand der Tagarbeiter in Frankreich sich sehr verbessert; denn da ihre Dienste häufiger gesucht werden, so verkaufen sie dieselben theurer, während sie auf der andern Seite ihre Lebensbedürfnisse wohlfeiler einkaufen. Sie legen von ihrem Gehalt Etwas zurück, und erkaufen sich von dem Ertrag ihrer Ersparnisse ein kleines Stück Feld, ein Haus, und ziehen eine zahlreiche Familie im Wohlstand auf. So geht das Eigenthum täglich und ohne alle Gewalt aus den Händen des müßigen Reichthumes in die der thätigen Armuth über.

Im Allgemeinen ist nicht zu bezweifeln, daß in Bezug auf das Interesse der consumirenden Classe große Fabriken den kleinern vorzuziehen sind; durch die Ersparnisse, welche der Gebrauch von Maschinen, die für kleine Werkstätten viel zu kostbar sind, in der Arbeit mit sich bringt, werden die großen Anstalten in den Stand [758] gesetzt, ihre Producte zu billigern Preisen zu liefern; sie erdrücken auf diese Weise Alle, die sich nicht derselben Mittel bedienen können. Dieses Resultat, zu welchem wir die Industrie überall gelangen sehen, ist indessen von dem Ackerbau in Frankreich noch nicht erreicht worden. Hier sind die großen Grundbesitzungen die am Schlechtesten angebauten; und so lange nicht die Annahme des Systemes der Wechselwirthschaft und aller der vervollkommneten Ackerbaugeräthe den Ertrag des Bodens gehoben hat, wird die Theilung des Landeigenthumes bei jedem Verkaufe zunehmen, weil bei der Concurrenz zwischen den Käufern aus allen Ständen die Güter nothwendig denen in die Hände fallen müssen, welche den größten Nutzen davon zu ziehen wissen, weil diese den höchsten Preis dafür bieten können. Ein einziger Umstand hält dieses allgemeine Streben nach der Theilung der Güter noch einigermaßen zurück. Die Aristocratie, welche durch die Revolution zu Grunde gerichtet, durch die Restauration sehr großmüthig entschädigt worden ist, hat in Frankreich noch Mehr als die Hälfte von allem Grund und Boden behalten; sie hat aber ihre Verschwendungssucht verloren, und da sie die Fonds, welche sie von ihren Einkünften erspart, auf keine andere Weise zu verwenden weiß, legt sie dieselben häufig auf den Ankauf von Ländereien an. Dieß ist indessen ein Umstand, welcher der allgemeinen Bewegung keinen Damm entgegensetzen kann.

Die Mehrzahl der großen Eigenthümer sind, da sie ihre Güter zu keinem andern Zweck benutzen, als sie zu verpachten, Nichts als Darleiher. Ist es nicht sonderbar, daß man fast immer das Interesse dieser Menschen mit dem der Agricultur verwechselt und identificirt hat, welchem es doch eben so fremd ist, als das Interesse dessen, der sein Geld ausleiht, den Unternehmungen seiner Schuldner? Man verurtheilt ohne Gnade die Härte eines Wucherers, aber man rühmt die Gewandtheit des reichen Grundeigenthümers, der sein Gut zu einem übermäßigen Preise verpachtet; und Niemand fällt es ein, daß beide doch nur ein und dieselbe Sache thun. Die allgemeine Unkenntniß der wahren Grundsätze der Staatshaushaltung erhält diese albernen Vorurtheile, die nur dazu beitragen, die politische Wichtigkeit der unthätigen Classe zu vermehren, deren Vermögen fast insgesammt in Grundbesitz besteht.

Wenn die Grundeigenthümer ihre Güter nicht selbst bauen, so ist der wichtigste Umstand in Bezug auf den Anbau derselben, die Art ihrer Verpachtung. Diese ist im Allgemeinen in Frankreich äußerst schlecht. Mit der einzigen Ausnahme von Flandern und den wenigen Provinzen, in denen das System der Wechselwirthschaft seit sehr langer Zeit befolgt wird, ist die Dauer der Pachtcontracte viel zu kurz, als daß der Pächter Zeit hätte, die Ausgaben, welche die Einführung einer neuen Culturmethode immer nothwendig macht, wieder zu gewinnen und von dieser Veränderung einigen Vortheil hoffen zu dürfen. Ja, in einem sehr großen Theile des Königreiches, in allen den mittleren Provinzen, gibt es in der Regel nicht einmal Pächter (fermiers). Die Güter werden durch unglückliche Meier (metayers) bestellt: Taglöhner, die für drei Jahre alle Arbeiten des Anbaues übernehmen, und dafür von dem Eigenthümer die Hälfte des Rohertrages erhalten. Der Bauer bringt seinen Arm, seine Unwissenheit und seinen guten Appetit mit; der Eigenthümer vertraut ihm einen bereits erschöpften Boden an, alle Geräthe, die zu einer schlechten Bearbeitung desselben erforderlich sind, das Getreide für die erste Aussaat und selbst einen Vorrath, von dem er mit seiner Familie leben kann bis zur nächsten Ernte. Der Bauer arbeitet, säet und erntet; wenn er und die Seinigen gesättigt sind, so gehört alles Uebrige, was er gewonnen hat, dem Eigenthümer. Zuweilen tritt zwischen den Gutsbesitzer und den armen Bauer noch ein drittes Individuum unter dem Namen des Pächters in die Mitte, meist ein verschlagener Einwohner einer kleinen Ortschaft, der dem Ersteren für den Ertrag der Arbeit des Zweiten ein festes und von dem Ausfall der Ernten und dem Getreidepreis unabhängiges Einkommen sichert. Dieser Mensch nimmt keinen thätigen Antheil an den Arbeiten des Ackerbaues; aber er ist bei allen Einsammlungen der Ernten zugegen, er verfolgt den Bauer auf allen seinen Schritten, um sich der ihm gebührenden Hälfte zu bemächtigen. Seine Geschicklichkeit besteht darin, sich mehr als diese Hälfte zu verschaffen, und da er lesen und schreiben kann, was der Bauer gewöhnlich nicht versteht, so hat er tausend Mittel, die Rechnungen mit ihm zu verwirren und zuletzt ihn zu bestehlen. Unter diesem beständig gegenwärtigen Herrn ist die Lage des Bauern noch viel elender. Dieser Pächter, der gewöhnlich einige Vorschüsse gemacht hat, zahlt die Rente des Eigenthümers mit vieler Regelmäßigkeit, er macht mit dem Verkauf seiner Produkte kleine Speculationen und zuweilen bereichert er sich. Sein Dazwischentreten ist für den Eigenthümer sehr bequem, da dieser dadurch aller Aufsicht überhoben wird und zugleich einige Garantie für die Zahlung erhält; aber es ist verderblich für den Landbau, weil es den Bauern im äußersten Elende hält, der sein Feld sorgfältiger bestellen würde, wenn er in guten Jahren einige Ersparnisse machen könnte. So wird der Ackerbau das letzte unter allen Gewerben!

[761] Die französische Gesetzgebung stellt allen Verbesserungen des Ackerbaues große Hindernisse in den Weg. Die Abschaffung des Waiderechts auf den leeren Feldern würde die Fortschritte der Agricultur wirksamer befördern, als alle Preise, die von der Regierung seit dreißig Jahren vertheilt werden. Die Gesetze für den Feldbau sind in Frankreich dieselben geblieben, wie zu der Zeit vor 1788; die einzige administrative Erfindung der Revolution, die aber deshalb um nichts zweckmäßiger geworden ist, war die des Cadasters, die, um einige alte und durch den Verlauf der Zeit längst ausgeglichene oder verwischte Ungerechtigkeiten gut zu machen, noch jetzt täglich neue begeht, und durch die Furcht vor den unaufhörlichen Revisionen eine Menge nützlicher Arbeiten hemmt. Als die Regierungen zuerst eine Grundsteuer auferlegten, zogen sie einen Theil von den Einkünften aller Landgüter an sich und verminderten dadurch um einen verhältnißmäßigen Theil den Capitalwerth der Güter selbst. Die Steuer lastete zu der Zeit, wo sie auferlegt wurde, nur auf den Grundbesitzern; der Besitzer, der nach der Einführung derselben sein Gut verkaufen wollte, erhielt, wenn die Steuer z. B. ein Fünftheil des Ertrages ausmachte, den fünften Theil des Werthes weniger, den das Gut früher hatte. Seit dieser Zeit haben aber alle Besitzungen unzählige Male ihre Herren gewechselt, sey es durch Erbschaft, die freiwillig angenommen wurde, oder durch Verkauf, der eben so freiwillig eingegangen wurde. So ungleich, so ungerecht also auch die ursprüngliche Vertheilung der Steuer gewesen seyn mochte, so traf diese Ungerechtigkeit doch nur den ersten Besitzer und sie hörte auf, so wie das Gut in andere Hände überging. Gegenwärtig ist jeder Steuernachlaß ein Geschenk, auf welches Niemand das Recht hat, Ansprüche zu machen; weil Jeder, der ein Grundstück kaufte, den Belauf der Abgaben kannte, die davon entrichtet werden mußten, und seinen Kaufpreis nur nach dem reinen Ertrag desselben, mit Abzug aller Lasten, bezahlte; und eben so ist jede Steuererhöhung eine neue Confiscation, wie es die erste Einführung der Auflage war. Die Cadastralrevisionen, die in der Absicht geschehen, die Abgaben in ein gleichmäßiges Verhältniß zu den Einkünften zu bringen, bedrohen daher unablässig den thätigen Mann, der seine Arbeit und seine Capitalien darauf verwandt hat, seinen Grund und Boden zu verbessern, in seinem rechtlichen Besitz; während sie dem nachlässigen, der seine Güter aus Faulheit sich verschlechtern läßt, eine Verminderung der Steuer versprechen: sie sind daher eine wahre Strafe, die der Arbeit auferlegt, und zugleich eine Belohnung, die dem Müssiggange ausgesetzt wird.

Ungeachtet aller der Ungleichheiten in dem Verhältniß der Abgaben zu den Einkünften, welche durch den Cadaster verschwunden seyn sollen, bestehen deren doch noch außerordentlich große. Es giebt Ländereien, wo die Abgaben sich auf ein Dritttheil des Ertrages belaufen; andere bezahlen nur ein Fünfzehntheil. Ob dieses Mißverhältniß sich von der ursprünglichen Ungleichheit der Steuervertheilung, oder von den verschiedenen Verbesserungen herschreibt, die später auf den anfangs gleichmäßig besteuerten Gütern eingeführt wurden; so ist sie immer ein gleichtreffender Beweis von der Ungerechtigkeit aller Cadastralrevisionen. Außerdem ist der Netto-Ertrag einer Besitzung, in Hinsicht auf ihren Kaufpreis, vollkommen unabhängig von dem Verhältniß der Steuern, die darauf lasten, zu dem Brutto-Ertrag. So sind in dem Departement der Somme z. B. viele Güter zu einem Dritttheil ihres Ertrags besteuert, während sie dieß in dem benachbarten Departement von Pas de Calais nur zu einem Fünftheil sind, und dennoch finden wir, daß die Landerwerbungen in dem einen dieser Departements nicht vortheilhafter sind, als in dem andern; in dem der Indre und Loire (Tours), wo man nur ein Zehntheil oder Zwölftheil des Ertrages zahlt, sind die Erwerbungen weniger vortheilhaft; statt 2½ oder 3 Prc. zu bringen, wie in den Departemens der Seine und des Pas de Calais, bringen hier die Grundbesitzungen kaum 2 Prc.; und in mehreren Departemens der Mitte, wo die Steuern im Durchschnitte ungefähr ein Sechstheil des Einkommens betragen, bringt die Anlegung von Geldern in liegenden Gründen oft 4 und zuweilen 5 Prc.

Diese Ungleichheit ist schwer zu erklären. Man begreift nicht, wie man in einem und demselben Lande durch Grunderwerb mit 100,000 Franken 4000 Franken Renten kaufen kann, während man in einer benachbarten Provinz, vielleicht dreißig oder vierzig Lieues entfernt, für denselben Preis nur 2500 oder höchstens 3000 Franken erhält. Die Departemens im Innern von Frankreich, die am Schlechtesten angebaut und in jeder Beziehung die elendesten sind, wo man viele Ländereien noch nicht einmal urbar gemacht hat, sind diejenigen, wo die Landerwerbungen sich am Vortheilhaftesten finden, und 4 oder 4½ Prc. von den dazu verwandten Capitalien tragen. Im Gegentheil [762] sind es die Provinzen, wo die Cultur seit langer Zeit ihre höchste Vollkommenheit erreicht hat, wo keine Verbesserung und folglich auch keine Vermehrung des Ertrages mehr möglich scheint, wie Flandern, das Elsaß, die Normandie, einige sehr fruchtbare Thäler im Innern, die Limagne von Auvergne u. a., wo man es schwer findet, mehr als 2 Prc. Interessen von den Capitalien zu erhalten, die man auf den Ankauf von liegenden Gründen verwendet. So kann man also sagen, daß in Frankreich die Landerwerbungen in den armen Gegenden vortheilhafter sind, als in den reichen. Zur Erklärung dieser auffallenden Erscheinung wird man kaum Etwas anführen können, als daß man für die Zahlung des Pachtgeldes in den letztern größere Sicherheit hat, als in den erstern. Vielleicht muß man indessen auch noch in Anschlag bringen, daß es angenehmer ist, in einer reichen Provinz zu wohnen, als in einer armen, wo man beständig das traurigste Bild des Elends vor Augen hat.

Wir müssen in Frankreich zwei, in Bezug auf das Clima, scharf von einander getrennte Länder unterscheiden; das eine, wo die Milde der Winter die Cultur des Oelbaumes gestattet, das nur aus einigen Departemens besteht, die von dem mittelländischen Meere bespühlt werden; das andere, wo der Anbau dieses Baumes nicht möglich ist, und dieses begreift das ganze übrige Königreich. Beide haben völlig verschiedene Producte und müssen daher auch völlig verschiedene Methoden des Anbaus haben. Bisher ist nur von den Verbesserungen dieser Methoden, die dem nördlichen Frankreich zu empfehlen sind, die Rede gewesen; aber die Provence hat ein System des Ackerbaus, welches der Beschaffenheit ihres Bodens und ihres Climas eben so wenig angemessen ist. Der Zustand von Feindseligkeit, der lange Zeit zwischen den verschiedenen Provinzen von Frankreich bestand, legte früher einer jeden einzelnen die Nothwendigkeit auf, alle ihre Bedürfnisse sich durch den Ackerbau selbst zu verschaffen. Während dieser langen Blocade, die durch unaufhörliche Kriege und Fehden unterhalten wurde, war jede Provinz genöthigt, sich auf den Anbau von Producten einzulassen, die zu einer Zeit des Friedens und der Handelsfreiheit gewiß dem Lande fremd geblieben wären. So hat man Getreide in Bergländern gebaut, wo der Anbau desselben sehr kostspielig und die Ernte äußerst unsicher ist; so hat der Weinbau sich viel zu weit im Norden ausgedehnt, wo die Fröste des Frühlings, die Regen des Sommers und die kalten Nächte des Herbstes zuweilen die ganze Ernte vernichten oder wenigstens die Trauben nicht zur Reife kommen lassen. Kurz es scheint, daß die Forderungen der Natur bei der Vertheilung der verschiedenen Arten des Feldbaus in Frankreich so gut als gar nicht berücksichtigt worden sind. Hieraus geht die außerordentliche Verschiedenheit des Werthes derselben Producte in der einen und in der andern Provinz hervor; so ist z. B. der Durchschnittspreis des Getreides in den innern Provinzen beinahe um die Hälfte geringer, als in denen am Gestade des mittelländischen Meeres, und die gemeinen Weine des Südens kosten durchgehends vier oder fünfmal Weniger, als die gemeinen Weine des Nordens. Dieser Zustand der Dinge, wo eine große Menge Ländereien für eine Cultur verwendet wird, zu der sie nicht geeignet sind, muß für die Production im Ganzen sehr nachtheilig seyn; erhalten wird er nur durch die Schwierigkeit und den theuren Preis der Transportmittel. Seit dem Frieden hat man in Frankreich zwar angefangen, einige Canäle anzulegen, aber diese sind in commercieller Hinsicht nicht von Wichtigkeit. Der Süden und der Norden ist es, den man in Verbindung setzen sollte. Den Canal der Rhone müßte man eröffnen; dadurch würde eine Revolution in der Landwirthschaft der südlichen Provinzen bewirkt werden. Sobald das Getreide des Nordens mit geringen Kosten zu erhalten wäre, würde die Provence sich gezwungen sehen, den Anbau der Cerealien, der in ihrem trockenen Clima so unsicher ist, ganz aufzugeben; dagegen würden ihre Weine, die gegenwärtig beinahe gar keinen Werth haben, weil sie keinen Markt finden, sich über das ganze übrige Frankreich verbreiten, wo die Cultur des Weinstocks nur in einigen bevorzugten Cantonen von Bourgogne und der Champagne beibehalten werden würde, in denen die Lage, der Boden und vielleicht auch die größere Sorgfalt des Winzers den nachtheiligen Einfluß der geographischen Breite aufwiegen und einen Wein von ausgezeichneter Qualität und sehr hohem Preis erzeugen.

Wenn der Absatz des Weines in der Provence nicht mehr auf die sehr mäßige Consumtion der nüchternen Bevölkerung und die sehr unbedeutenden Nachfragen vom Auslande her beschränkt seyn wird, so wird er sich über viele Felder ausdehnen, die gegenwärtig vom Getreide eingenommen werden; vielleicht wird einst, wenn die Freiheit den Landbau in der spanischen Halbinsel und in Griechenland wieder emporgebracht hat, der Weinstock im südlichen Frankreich selbst den Olivenbaum verdrängen. Denn mit Ausnahme weniger Striche in der südlichen Provence hat der Oelbaum seit zwanzig Jahren durch ungewöhnlich harte Winter Viel gelitten; und sein Ertrag ist daher einer Rente zu vergleichen, die periodischen Reductionen ausgesetzt ist, und oft durch einen Banquerott ganz aufhört. Viele Grundbesitzer in der Provence und in Languedoc, die durch die Fröste von 1826 ihre Olivenpflanzungen zu Grunde gerichtet sahen, haben schon jetzt die Oelbäume durch Weinstöcke und Mandelbäume ersetzt; andere haben Maulbeerbäume gepflanzt und diese haben sich am Besten befunden. Die Erziehung der Seidenwürmer ist ohnehin in diesem Augenblicke unter allen Zweigen der landwirthschaftlichen Industrie, denen das südliche Frankreich sich ergeben kann, der vortheilhafteste; und doch gibt es nur eine sehr geringe Anzahl von Districten – in den protestantischen Cevennen – wo dieselbe jene Ausdehnung erreicht hätte, deren sie fähig ist. Der Anblick der reichen, thätigen und sittlichen Bevölkerung dieses Landstriches bildet den auffallendsten Gegensatz gegen das tiefe Elend und die grobe Unwissenheit der benachbarten Gegenden, welche diese Quelle des Reichthums noch nicht benutzt haben.

[763] Der Gedanke, die Cultur des Oelbaums beinahe ganz aufzugeben, wird wahrscheinlich in Frankreich geringen Beifall finden, da man noch allgemein eine Art von Nationalstolz darein zu setzen gewohnt ist, daß man sich selbst genügen könne, und den Handel mit dem Auslande als einen Tribut betrachtet. Nichts beweist in höherem Grade, wie wenig Handelsgeist die französische Nation besitzt, als diese albernen Vorurtheile. Napoleon legte, durch die Einführung des Continenalsystems, Frankreich die Entbehrung aller Colonialwaaren auf; sogleich entwickelte sich eine neue Industrie, die anfangs durch ihre Uebertreibung lächerlich, bald einen sehr hohen Grad der Vollkommenheit erreichte. Die Kunst den Runkelrübenzucker zu bereiten ist jetzt allgemein bekannt. Man weiß, daß bei dem gegenwärtigen Tarif der Eingangszölle, die Fabrikation des Runkelrübenzuckers einigen Vortheil bringt. Viele Personen stehen daher nicht an, die allgemeine Einführung desselben zu wünschen, und wenn morgen Frankreich seine Colonien verlöre, so ist kaum daran zu zweifeln, daß die Regierung sogleich den Tarif der Zölle von fremden Zuckern erhöhen würde, um die Production des einheimischen Zuckers zu befördern. Wenigstens ist dieß der Wunsch eines Staatsmannes, der das chemische Verfahren dieser Kunst zu der Zeit ihrer Neuheit beschrieben hat. [4]

Wie dem aber auch seyn möge, ungeachtet aller der Hindernisse, die in Frankreich den Fortschritten der Landwirthschaft noch im Wege stehen, ungeachtet der falschen Richtungen, die unwissender Eifer oft derselben geben will; alle Künste haben in diesem Lande durch die Revolution einen allgemeinen, unwiderstehlichen Impuls erhalten; durch die rückgängigen Maßregeln der Regierungen, die auf einander abwechselnd gefolgt sind, ist dieser Impuls gemäßigt, aber nie völlig aufgehalten worden; und nie hat das Streben nach Verbesserung aller Zweige der Industrie schnellere Fortschritte gemacht, als in diesem Augenblicke, wo man in diesem unaufhaltsamen Drange den Damm erkennen kann, an welchem die Bemühungen der Contrerevolution gescheitert sind. Auch der Ackerbau muß an dieser allgemeinen Bewegung Theil nehmen, und vielleicht in wenigen Jahren schon wird er den Erfolg seiner Fortschritte durch eine große Vermehrung des Nationalreichthums bezeichnet haben.

  1. Révue Trimestrielle, No. II.
  2. Die Resultate des Verfahrens und der Beobachtungen des Hrn. de Domasle sind in einem Werke niedergelegt, von welchem bisher unter dem Titel: Annales agricoles de Roville, par M. de Dombasle, jährlich ein Band erschienen ist. – Roville heißt die Gemeinde – zwischen Epinal und Nancy, – in welcher die Musterpacht des Hrn. von Dombasle gelegen ist.
  3. Das Jahr 1827 ist das erste, welches eine Ausnahme gemacht hat.
  4. Des Hn. von Chaptal.