Das schwimmende Pathchen

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Titel: Das schwimmende Pathchen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 666
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Das schwimmende Pathchen.


Wie wir schon in Nr. 33 unseres Blattes unseren Lesern mitgetheilt haben, stand damals der Stapellauf eines neuen Stralsunder Schiffes bevor, das auf den Namen „Die Gartenlaube“ getauft werden sollte. Dieser Taufact und Stapellauf ist nun vollbracht. Ein Augenzeuge der Feierlichkeit setzt uns in den Stand, dem vielfach gegen uns ausgesprochenen Wunsch entsprechend, eine kurze Beschreibung derselben hier folgen zu lassen.

Rüstig wurde noch am 23. August auf der Kirchhoff’schen Werft gearbeitet, um Alles für den Stapellauf am folgenden Tage vorzubereiten. Der Abend war herrlich und versprach einen schönen Morgen für den andern Tag. Eine leichte Brise aus Norden hatte für den beabsichtigten Stapellauf einen günstigen Wasserstand herbeigeführt, und so schien denn Alles den besten Fortgang nehmen zu wollen. In ungetrübtem Glanze begann die Sonne am Morgen des Vierundzwanzigsten ihren Lauf. Leichtes Gewölk hing nur hier und da an dem sonst blauen Himmel, und über die ganze an Abwechslung reiche Landschaft schien ein leichter, freundlicher Herbstduft gelagert. Zwar hatte der über Nacht gen Süden umgesprungene Wind den Wasserstand im Hafen um vier bis fünf Fuß verringert und schien die Feierlichkeit bedenklich zu machen; aber noch am Vormittag sprang der Wind abermals in nördlicher Richtung um, und so konnte denn mit um so größerer Zuversicht auf Gelingen an die Ausführung gegangen werden.

Manches Schiff wohl hatte im Laufe der Jahre die Stralsunder Werften verlassen; aber noch bei keinem hatte sich eine so große Zuschauermenge eingefunden, als beim Stapellauf der „Gartenlaube“ am 24. August. Im Interesse der lieben Schuljugend war es gewiß ein recht glücklicher Zufall, daß der 24. August auf einen Sonnabend fiel, wo am Nachmittag die Schulen geschlossen zu sein pflegen; denn so konnte sie nun rechtzeitig, d. h. ein paar Stunden vor dem festgesetzten Termine nach dem Schauplatze hinauseilen und die möglichst günstigste Position einnehmen. Aber auch die erwachsene Bevölkerung ließ es nicht an Zuzug fehlen, und je näher die bestimmte Stunde rückte, in desto dichteren Schaaren eilten nicht Hunderte, nein, Tausende hinaus zu den Werftplätzen und auf den gegenüberliegenden Hafendamm. In freundlichster Weise hatten sämmtliche Herren Schiffsbaumeister ihre Werften geöffnet und die Benutzung ihrer im Bau begriffenen Schiffe oder der Bauholz- und Plankengerüste als Tribünen gestattet. Es war in der That ein herrliches Panorama, das sich da vor dem Auge ausbreitete! Rechts und links in bunter Menge, Kopf an Kopf gedrängt, die aus allen Ständen herbeigeeilten Zuschauer! Ueber sich der freundliche Himmel, vor sich die See und der Hafen mit seinen zum größten Theil zu Ehren des Tages beflaggten Schiffen! Rechts die kleine Insel Dänholm mit ihrem (leider vormaligen) Marine-Etablissement, und noch weiter drüben Rügen mit dem freundlichen Dörfchen Altfähre im Vordergrunde, links aber das altehrwürdige Stralsund mit seinen Thürmen und Festungswällen!

Und nun erst das bis jetzt noch namenlose Schiff selbst, der Mittelpunkt der Neugierde und des geschäftigen Treibens! Wie stattlich stand er da, der schöne Dreimaster, in sonst fast voller Takelung, nur noch der „Raaen“ (Querstangen an den Masten) entbehrend! Die „Bramstangen“ (die Verlängerungen des eigentlichen Mastes) waren „gestrichen“ und nur der „Top“ (äußerste Spitze) des „Großmastes“ (des mittelsten und größten Mastes), bestimmt den „Stander“ mit dem Namen des Schiffes nach vollzogener Taufe zu tragen, erschien noch unbeflaggt. Dafür aber flatterten sonst eine große Menge der buntesten und verschiedenartigsten Flaggen lustig hinaus in die Luft, und auch der Schmuck von Blumen und Kränzen mit Namenszügen in ihrem Innern konnte natürlich nicht fehlen. Am Bord des Schiffes selbst aber tummelte sich, außer dem nöthigen Schiffspersonal und einer Anzahl geladener und ungeladener erwachsener Gäste, lustig eine muntere Schaar Jungen, denen das Glück zu Theil geworden war, das Schiff auf seiner Landfahrt von der Werft bis zur See begleiten zu dürfen. Dieses selbst kehrte, wie es jetzt bei allen größeren Schiffsbauten auf der Werft üblich ist, seine Vorderseite (Vordersteven) dem Lande, seine Hinterseite aber (Hintersteven) der See zu. Hier am „Spiegel“ sah man das bunte Wappen der Stadt Stralsund, und unter diesem wird später der Name „Die Gartenlaube“, von Blumenranken umgeben und trefflich in Holz geschnitzt, prangen; am Vordersteven aber an der „Gallion“ (eine Art Ausbau) unter der „Krülle“ (eine Art Giebelstück an der äußersten Spitze) erglänzte in bunten Farben auf dem „Brustschilde“ der ebenfalls trefflich in Holz geschnitzte und heraldisch richtig ausgeführte deutsche Reichsadler.

Unter dem Schiffe selbst ertönten jetzt unter dem Zuruf eines der beschäftigten Zimmerer in regelmäßigem Tacte mächtige Hammerschläge, und hier ist wohl der Ort, um denjenigen Lesern der Gartenlaube, welche dem Stapellaufe eines Schiffes noch nicht beigewohnt haben, das Bild eines solchen in kurzen Umrissen zu entwerfen.

Während das Schiff auf den „Stapelblöcken“ (d. i. übereinander gelegten und befestigten starken Holzstücken, deren unterstes das größte, deren oberstes aber das kleinste ist) gebaut wurde, ruhte dasselbe auf dem Kiel und den Seitenstücken, so jedoch, daß es, da die Stapelblöcke nach der Landseite und dem Vordersteven zu am höchsten, nach der Seeseite aber am niedrigsten waren, nicht auf einer horizontalen, sondern nach der Seeseite geneigten Ebene lag. Zum Ablaufen ist das ganze Gewicht des Schiffes auf eine bewegliche Grundlage übertragen worden und für diese eine Bahn construirt, auf der sie gleiten kann. Auf jeder Seite des Kiels, etwa um ein Viertel der Schiffsbreite, ist nämlich ein langer Balken, der „Schlittenbalken“ (noch eigentlicher „Sudholz“) genannt, unter den Schiffskörper gekeilt, und unter diesem befindet sich eine starke, feststehende, geneigte Bahn, die „Gleitplanken“, auch „Schmierplanken“ oder „Seitenpfannen“ genannt. Das ganze mit dem Kiel parallel laufende Zimmerwerk heißt man wohl auch „Schlitten“. Um zu vermeiden, daß das Schiff etwa vom geraden Wege abweiche, sind zwei „Borten“ an die Gleitplanken (Seitenpfannen) befestigt und stark abgestützt. Die Stapelblöcke, bis auf einige am Vordersteven, sind bereits weggenommen und kurze starke Rinnen (Kielpfannen) statt ihrer unter den Kiel gebracht. Alles ist gehörig an seiner Stelle: Kiel, Gleit- und Schlittenplanken sind stark mit Talg, Oel und Seife bestrichen, das Schiff ruht jetzt eigentlich auf drei Kielen oder richtiger gesagt in den zwei oben erwähnten Seitenpfannen und in der Pfanne, die den Kiel trägt.

Um das Schiff von den Stapelblöcken zu heben und seine ganze Last auf Rinne und Schlitten zu bringen, treibt man, vom Hintersteven beginnend nach dem Vordersteven zu, Keile unter die Kielpfannen, und zwar geschieht dies von zwei Seiten zugleich. Von dieser Arbeit eben ertönten jene mächtigen Hammerschläge, deren oben Erwähnung geschah.

Die letzte Rinne in der Nähe des Vorderstevens war eben gekeilt, eine Stütze nach der andern gefallen: nur ein Stapelblock und eine Strebe unter dem Kiel hielten noch das gewaltige Gebäude auf seinem alten Lager zurück. Das Schiff war zum Ablaufen fertig und der Moment der Taufe somit gekommen. Schon vernahm man einzelnes Knacken vom Schiffe her, als ob es den Augenblick nicht erwarten könne, wo auch das letzte Hinderniß beseitigt sei, um seinem wahren Elemente zueilen zu können. Alles stand voller Erwartung, man kann sagen banger Erwartung, „ob wohl auch das Werk gelingen werde.“

An dem (der Landseite zugekehrten) Vordersteven hing, an zwei vom Bord ausgehenden Schnüren befestigt, die nach unten in einem Winkel zusammengebunden waren, eine Flasche mit Champagner. Von diesem Vereinigungspunkte der zwei Schnüre ging noch eine dritte, längere aus, deren Ende eine Nichte des Capitains, Fräulein Schröder, welche die Taufe vollziehen sollte, in der Hand hielt. In kurzer Entfernung nun vor dem Schiffe stehend, umgeben von dem Rheder des Schiffes, von dem stellvertretenden Pathen etc., sprach die junge Dame folgende Verse:

„Fahr’ hin nun zu den blauen Wellen,
Mein Schiff, Du deutschen Fleißes Zier!
Mag Ost, mag West die Segel schwellen, –
Glück auf, mein Fahrzeug! Gott mit Dir!

Sei Du ein Gruß am fernen Strande
Dem deutschen Aug’, das Dich erblickt,
Ein Gruß vom lieben Vaterlande,
Der jedes deutsche Herz erquickt!

Ich will Dir einen Namen geben,
Der ist in aller Welt bekannt,
In aller Welt, wo Deutsche leben:
‚Die Gartenlaube‘ sei benannt!“

Bei den letzten Worten ließ die Jungfrau die Schnur, nachdem sie dieselbe vorher straff an sich gezogen, aus der Hand gleiten. Unter lautem Klirren zerbarst die Flasche am Vordersteven, mit ihrem schäumenden Inhalte Planken und Erdboden tränkend, und in demselben Augenblicke wurde auf dem Top des Großmastes der Stander mit dem auf weißem Grunde in Roth ausgeführten Namen „Die Gartenlaube“ aufgehißt. – Der Taufact war vollzogen.

Jetzt wurde nun noch vermittelst einer seitwärts arbeitenden Ramme die Strebe unter dem Kiel herausgeschlagen. An allen Gliedern knackte und krachte das mächtige Schiffsgebäude, gleich einem Löwen, der stolz seine Mähne schüttelt. Langsam kam es in Bewegung, die aber immer schneller und schneller wurde, so daß durch die bedeutende Reibung Rauch und Funken unter dem Kiel hervorbrachen. Endlich hatte das Schiff seine Holzbahn verlassen und stürzte sich nun unter mächtigem Brausen in die hochschäumende See, begrüßt von dem vieltausendstimmigen Hurrah der versammelten Menge und von Kanonendonner, als es nun, eine lange Furche ziehend, stolz auf seinem Elemente schwamm.

Vielleicht dürften den Lesern der Gartenlaube einige kurze Notizen in Bezug auf die Größe des Schiffes nicht uninteressant sein. Seine Länge über Deck beträgt 133 Fuß rheinländisch, die Länge auf dem Kiel 115, seine Breite 29 und seine Tiefe 15½ Fuß. Sein Gehalt wird sich zu ungefähr 280 Lasten à 4000 Pfund bemessen. Sein großer Anker wiegt 22 und der nachgrößte 20 Centner. Die äußere und innere Einrichtung am Bord sind ebenso zweckmäßig als, was namentlich die Wohnräume anlangt, bequem und sogar mit einiger Eleganz ausgestattet, so daß Alles bei dem Beschauer einen befriedigenden und wohlthuenden Eindruck hinterlassen muß.

So liegt nun „die Gartenlaube“ vor der Werft, um vorerst noch gekupfert zu werden und ihrer sonstigen Ausrüstung harrend. Dann wird sie, nachdem sie in Danzig Ladung eingenommen, ihre erste Reise nach Brasilien antreten. Mögen all die guten Wünsche, die ihr mit auf den Weg gegeben sind, in Erfüllung gehen! Möge das Glück sie begleiten auf allen ihren Fahrten und dieselben segenbringend machen für den wackern Capitain mit seinen Leuten wie für den Rheder, zur Ehre auch ihres Baumeisters! Das walte Gott!