Das verständige Schwesterlein
[428] Das verständige Schwesterlein. (Zu unserer Kunstbeilage.) Verliebte Leute haben bekanntlich ihre eigene Vorsehung, denn wie sollten sie sonst zusammenkommen? Das Dümmste und Verkehrteste für diesen Zweck thun sie ja stets mit einer so redlichen Hingebung und vollkommenen Unschuld, daß es sogar die waltenden Schicksalsmächte erbarmt und diese ihnen gelegentlich einen Nothelfer stellen: einen Baumstrunk im Weg, ein im Garten vergessenes Tuch, ein offengelassenes Fenster und ähnliche Veranstaltungen, die das Anknüpfen und Aussprechen erleichtern. Hilft aber das alles nichts und treiben Zwei die Verbohrtheit so weit, daß sie die schönste Waldeinsamkeit (das Schwesterlein zählt nicht, das kann man Blumen suchen lassen), ja sogar die eigens vom Schicksal hingestellte Holzbank zu nichts Besserem benutzen, als mit halben Worten, Seufzern und vielsagenden Blicken diese kostbaren Abendstunden unter den schweigsamen Wipfeln hinzubringen, ohne das erlösende Wort zu finden – ei nun, da nimmt eben die Vorsehung lebendige Gestalt an und stößt mit den Händen des still herbeigeschlichenen Schwesterleins die beiden Zauderer so nachdrücklich zusammen, daß es wirklich keine Kunst mehr ist, das auszuführen, was einen Augenblick später die alten Buchen, der Abendsonnenschein und die verblüffte kleine Vorsehung von diesen beiden zu sehen bekommen! Bn.