Die Patenschaft der Lokomotiven

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Titel: Die Patenschaft der Lokomotiven
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 428
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[428] Die Patenschaft der Lokomotiven. Seitdem es Lokomotiven giebt, hat man sich daran gewöhnt, sie gewissermaßen als eine Art Haustier zu betrachten – man gab ihnen Namen. Allgemein bekannt ist der Name des Siegers beim Lokomotivenwettstreit der Liverpool-Manchester-Eisenbahn, des 1829 von Stephenson vorgeführten „Rocket“: wir wissen, daß die beiden ersten auf deutschem Boden zwischen Nürnberg und Fürth in Dienst gestellten Lokomotiven die bezeichnenden Namen „Adler“ und „Pfeil“ hatten; wir treffen auf der Leipzig-Dresdener Bahn als erste den „Komet“, dann die Lokomotiven „Blitz“, „Windsbraut“, „Renner“, „Sturm“, „Elefant“, „Drache“, „Adler“, „Pfeil“ – lauter Namen, die lebhafte Anklänge an das verwandte Gebiet des Rennsports haben. Was man in der Natur als Sinnbild für Geschwindigkeit, für Kraft auftreiben konnte, mußte Pate stehen.

Diese Sitte fand in den ersten Jahrzehnten unseres Eisenbahnwesens allgemeine Verbreitung, bis die Umstände vielfach eine Aenderung erheischten. Seitdem sich die Zahl der Lokomotiven außerordentlich vermehrt hat – wir besitzen deren auf den normalspurigen Bahnen gegenwärtig rund 15 500 – und seitdem große Betriebe in einer Hand vereinigt wurden, mußte man aus praktischen Gründen und weil das Auffinden neuer Namen immer schwerer wurde, von der Namengebung vielfach absehen. Preußen mit seinen mehr als 10 000 Lokomotiven gab diesen einfach fortlaufende Nummern; ihm folgten die elsaß-lothringischen, die badischen und hessischen Bahnen, und nur noch Bayern, die Pfalz, Württemberg, Sachsen, Mecklenburg, Oldenburg und die meisten Privatbahnen haben, abgesehen von einigen Verwaltungen, die Namen und Zahlen zugleich gebrauchen, das alte System beibehalten. Man hat auf der Suche nach Namen die verschiedensten Gebiete abgestreift. Städte der alten und neuen Welt, Burgen und Schlösser, Seen und Flüsse, einzelne Berge und ganze Gebirge, Pässe, Moore, Erdteile, die Tierwelt, das Planetensystem, mußten ihre Namen herleihen, dann griff man auf die mythologischen Gestalten der Griechen, der Römer, der Germanen („Wotan“, „Baldur“, „Hödur“ sind mehrfach vertreten) zurück, Fürsten und Fürstinnen, Feldherren, Minister, Gelehrte, Erfinder, Baumeister, Komponisten, Dichter, Astronomen, Mathematiker, namentlich Berühmtheiten des engeren Vaterlandes standen Pate. Bayern hat seinen Hans Sachs, seinen Baader, Gabelsberger, Fugger, Stiglmayer, Schwanthaler, Orlando; Württemberg seinen Helfenstein, seine Weibertreu, Sachsen seine Reformatoren, seine Metalle, Edel- und Halbedelsteine. Mecklenburg hat seinem Fritz Reuter und dessen Geisteskindern, Onkel Bräsig, Fritz Hawermann, Mining, Lining, Hanne Nüte durch Lokomotiventaufe ein Denkmal gesetzt; die Ostpreußische Südbahn bat neben Stroußberg, ihrem Gründer, die bedeutendsten Feldherren und Schlachtorte von 1870/71 verewigt.

Die eigenartigsten Namen hat jedenfalls Oldenburg. Eine landschaftliche Blumenlese stellen z. B. dar die Namen: Geest, Moor, Marsch, Watt, Deich, Siel, Wald, Esch, Warf, Tief, Düne, Welle, Priele, Aue, Tiede, welche man einer Reihe kleiner Tenderlokomotiven gegeben hat; drollig aber klingen gewiß die dem Reiche der Gnomen entlehnten Namen einer Schar ähnlicher flinker Fahrzeuge, die dort teils Rangierdienste versehen müssen, teils zum Personenzugsdienst verwendet werden; sie heißen: Schnipp, Schnapp, Burr, Tick, Tack, Tuck, Puck, Muck, Schnuck, Schnurr, Hin, Her, Kurz, Klein, Holm, Flink, Flott, Frisch, Fix, Drock, Hill.