3. Über die Zerlegung der Ideale eines Zahlkörpers in Primideale.
[Mathem. Annalen Bd. 44, S. 1–8 (1894).]
Die Grundlage für die Theorie der algebraischen Zahlen bildet der Satz, daß jedes Ideal eines Zahlkörpers auf eine und nur auf eine Weise in Primideale zerlegt werden kann. Dieser Satz ist zuerst von R. Dedekind[1] allgemein ausgesprochen und bewiesen worden. Einen zweiten, wesentlich hiervon verschiedenen Beweis gab L. Kronecker[2]. Die vorliegende Abhandlung enthält einen neuen Beweis[3] dieses Satzes.
Es sei ein beliebiger Zahlkörper vom -ten Grade vorgelegt; dann stelle ich folgende Definitionen auf:
Ein unendliches System von ganzen algebraischen Zahlen , , … des Körpers, welches die Eigenschaft besitzt, daß eine jede lineare Kombination derselben wiederum dem Systeme angehört, heißt ein Ideal des Körpers; dabei bedeuten , , … beliebige ganze algebraische Zahlen des Körpers. Sind , …, solche Zahlen des Ideals , durch deren lineare Kombination unter Benutzung ganzer algebraischer Koeffizienten alle Zahlen des Ideals erhalten werden können, so setze ich kurz
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Wie leicht gezeigt werden kann, gibt es im Ideal stets Zahlen , …‚ von der Art, daß eine jede Zahl des Ideals gleich einer linearen Kombination derselben von der Gestalt ist, wo , …‚ ganze rationale Zahlen sind. Die Zahlen , …‚ heißen eine Basis des Ideals .
Ein Ideal, welches alle und nur die Zahlen von der Gestalt enthält, wo jede beliebige ganze Zahl des Körpers darstellt, heißt ein Hauptideal und wird mit oder auch kurz mit bezeichnet.
Eine jede Zahl des Ideals heißt kongruent nach dem Ideal oder in Zeichen:
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Wenn alle Zahlen eines Ideals
kongruent
nach
sind, so heißt das Ideal
kongruent nach
oder in Zeichen
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Offenbar ist jedes Ideal kongruent nach dem Ideal und nach dem Ideal selbst.
Ein von verschiedenes Ideal , welches nach keinem anderen Ideal außer nach und nach sich selbst ist, heißt Primideal.
Wenn man jede Zahl eines Ideals mit jeder Zahl eines zweiten Ideals multipliziert und die so erhaltenen Zahlen linear mittels beliebiger ganzer algebraischer Koeffizienten kombiniert, so wird das so entstehende neue Ideal das Produkt jener beiden Ideale genannt, d. h. in Zeichen
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Ein Ideal heißt durch das Ideal teilbar, wenn ein Ideal existiert, derart, daß ist. Ist durch teilbar, so ist nach dem Ideal .
1. Ein Ideal kann nur nach einer endlichen Anzahl von Idealen sein.
Zum Beweise bilde man die Norm einer beliebigen Zahl des Ideals ; ist dann etwa ein Ideal, nach welchem ist, so muß offenbar auch nach sein. Die Basiszahlen von seien von der Gestalt
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wo , …, eine Basis der ganzen Zahlen des Körpers und wo , , …, ganze rationale Zahlen sind. Bedeuten , , …, bezüglich die kleinsten positiven Reste der Zahlen , , …, nach dem Modul , so wird
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und diese Darstellung des Ideals läßt unmittelbar die Richtigkeit der Behauptung erkennen.
2. Ein jedes von verschiedene Ideal ist nach mindestens einem Primideal .
Denn falls nicht schon selbst ein Primideal ist, so gibt es ein von und von verschiedenes Ideal , nach welchem ist. Es sei ferner ein von und von verschiedenes Ideal, nach welchem ist; ein von und verschiedenes Ideal, nach welchem ist usw. In der Reihe , , , , … ist jedes Ideal nach allen folgenden Idealen. Überdies sind sämtliche Ideale dieser Reihe untereinander verschieden. Denn die Annahme , hätte nach und mithin auch nach zur Folge; da jedoch auch nach ist, so wäre notwendig und dieser Umstand widerspricht der Voraussetzung. Nach Satz 1 bricht die Reihe dieser Ideale , , , , … ab. Das letzte Ideal ist ein Primideal.
Der eben bewiesene Satz kann auch wie folgt ausgesprochen werden.
Wenn ein Ideal nach keinem Primideal ist, so ist es das Ideal .
3. Wenn das Produkt zweier Ideale und ist nach einem Primideal , so ist entweder oder nach dem Primideal .
Ist etwa nicht nach , so bestimme man eine Zahl des Ideals , welche nicht nach ist. Ferner bilde man aus durch Hinzufügung der Zahl das Ideal . Dieses Ideal ist offenbar weder nach noch nach irgendeinem anderen Primideal und folglich nach Satz 2 gleich dem Ideal , d. h.
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wo , , …, geeignet gewählte ganze algebraische Zahlen des Körpers sind. Die erhaltene Gleichung lautet als Kongruenz geschrieben: nach dem Primideal . Bezeichnet nun irgendeine Zahl des Ideals , so ist nach Voraussetzung nach . Und hieraus folgt nach Multiplikation mit die Kongruenz nach dem Primideal .
4. Wenn ein Ideal nach einem Hauptideal ist, so ist durch teilbar. Aus folgt notwendig .
In der Tat, da alle Zahlen des Ideals durch die Zahl teilbar sind, so kann man setzen und hat dann . Ist ferner nach , so folgt nach Division durch die Zahl , daß nach ist. Da wegen nach in gleicher Weise auch nach ist, so folgt notwendig .
5. In einem jeden Primideal gibt es stets eine rationale Primzahl von der Art, daß eine jede andere ganze rationale Zahl des Ideals diese Primzahl als Faktor enthält.
Zum Beweise nehme man die Norm einer Zahl von und zerlege in seine rationalen Primfaktoren. Faßt man diese als Hauptideale auf, so ist nach Satz 3 einer derselben etwa nach dem Primideal . Gäbe es nun in noch eine ganze rationale Zahl , welche nicht durch teilbar wäre, so bestimme man zwei ganze rationale Zahlen und derart, daß ist; hieraus würde nach folgen, was nicht möglich ist.
Nunmehr nehmen wir zunächst an, daß der vorgelegte Zahlkörper ein Galoisscher[4] Körper sei; dann wird aus jedem Ideal des Körpers jedenfalls wieder ein Ideal des nämlichen Körpers entstehen, wenn wir in jenem Ideal statt einer jeden Zahl eine konjugierte Zahl einsetzen. Sind insbesondere alle aus einem vorgelegten Ideal auf diese Weise entstehenden konjugierten Ideale mit dem vorgelegten Ideal identisch, so nenne ich das Ideal ein ambiges Ideal. Dieser Begriff des ambigen Ideals ist ein wesentliches Hilfsmittel meines Beweises. Von einem ambigen Ideal gilt der Satz:
I. Wenn ein ambiges Ideal nach einem Primideal ist, so sind alle Zahlen von durch teilbar, wo die zu gehörige Primzahl bedeutet.
In der Tat, wenn eine Zahl des Ideals ist, so gehören auch die zu konjugierten Zahlen dem Ideal an; dieselben sind folglich sämtlich nach dem Primideal . Nun sei
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die Gleichung -ten Grades mit ganzen rationalen Koeffizienten , welcher die Zahl genügt. Diese Koeffizienten sind als homogene Funktionen der Wurzeln der Gleichung ebenfalls nach dem Primideal und mithin nach Satz 5 durch teilbar. Die Zahl genügt der Gleichung
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und da die Koeffizienten dieser Gleichung sämtlich ganze algebraische Zahlen sind, so ist auch eine ganze algebraische Zahl.
Ferner läßt sich für ein ambiges Ideal leicht die Richtigkeit des folgenden Satzes erkennen:
II. Wenn ein ambiges Ideal nach einem Primideal ist, so gibt es immer eine rationale Zahl von der Art, daß die Zahlen des Ideals durch , aber nicht sämtlich durch eine höhere ganze oder gebrochene Potenz von teilbar sind.
Zum Beweise wähle man eine beliebige Zahl des Ideals ; dieselbe genüge der Gleichung -ten Grades
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wo allgemein eine ganze rationale Zahl bedeutet, welche durch die ganze Potenz , aber durch keine höhere Potenz von teilbar ist. Die kleinste der Zahlen werde genannt. In allen anderen Zahlen des Ideals denke man sich in gleicher Weise die zugehörigen rationalen Zahlen bestimmt. Da die Nenner dieser rationalen Zahlen die Zahl nicht übersteigen, so gibt es unter ihnen notwendig eine kleinste Zahl; ist etwa diese kleinste Zahl, dann erfüllt die Zahl die Bedingungen des Satzes. Denn erstens sind offenbar sämtliche Zahlen des Ideals durch teilbar. Zweitens nehmen wir an, es wären sämtliche Zahlen des Ideals durch teilbar, wo eine rationale Zahl bedeutet; es müßten dann auch die Zahl und die zu konjugierten Zahlen durch teilbar sein, und dann wären die Koeffizienten der obigen Gleichung bezüglich durch teilbar. Hieraus folgt allgemein oder , und da selbst eine der Zahlen ist, so ergibt sich ; d. h. die Zahlen des Ideals sind nicht sämtlich durch eine höhere als die -te Potenz von teilbar.
Wir beweisen nun für den Galoisschen Körper der Reihe nach die folgenden Sätze:
III. Zu jedem vorgelegten Primideal läßt sich stets ein Ideal so bestimmen, daß das Produkt ein Hauptideal ist.
Zum Beweise bilde man die zu konjugierten Ideale . Wie man durch Übergang zu den konjugierten Körpern leicht einsieht, sind diese Ideale sämtlich ebenfalls Primideale und allen gehört die nämliche Primzahl zu. Das Produkt ist offenbar ein ambiges Ideal[5]. Nach Satz II gibt es eine rationale Zahl , wo und ganze Zahlen sind, von der Beschaffenheit, daß die Zahlen von durch , aber durch keine höhere Potenz von teilbar sind. Das Ideal wird folglich durch teilbar und der Quotient ist offenbar wieder ein ambiges Ideal. Wir nehmen nun an, es sei ein Primideal, nach welchem ist. Da dann auch nach ist, so müßte nach Satz 3 entweder oder oder nach sein. Es sei etwa nach , so würde, da ein Primideal ist, folgen, d. h. nach dem Primideal und folglich müßte nach Satz I das Ideal durch teilbar sein, d. h. wäre durch und folglich wären die Zahlen von sämtlich durch eine höhere als die -te Potenz von teilbar; dies widerspricht der Wahl des Exponenten . Aus Satz 2 folgt somit , d. h. . Setzen wir ‚ so folgt .
IV. Ein ldeal kann nur auf eine einzige Weise als Produkt von Primidealen dargestellt werden.
Zum Beweise nehmen wir an, es gebe zwei Zerlegungen des Ideals etwa:
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wo und Primideale sind. Da wegen der ersten Zerlegung das Ideal nach ist, so folgt aus der zweiten Zerlegung nach Satz 3, daß eines der Primideale , , , …, nach ist. Es sei etwa nach ; dann wird, weil ein Primideal ist, notwendig . Nun konstruiere man nach Satz III ein Ideal von der Art, daß gleich einem Hauptideal wird und multipliziere die beiden obigen Darstellungen von mit . Wegen folgt dann
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und hieraus nach Satz 4:
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Auf diese doppelte Zerlegung des Ideals wende man das eben eingeschlagene Verfahren von neuem an: man erkennt so schließlich die Identität der beiden vorgelegten Darstellungen des Ideals .
V. Ein jedes Ideal läßt sich stets als Produkt von Primidealen darstellen.
Ist ein Primideal, nach welchem wird, so bestimme man nach Satz III ein Ideal derart, daß gleich einem Hauptideal wird. Durch Multiplikation jener Kongruenz mit folgt dann nach dem Ideal und gemäß Satz 4 ist daher . Nach Multiplikation dieser Gleichung mit und Division durch ergibt sich . Wenden wir auf das Ideal das nämliche Verfahren an, wie soeben auf , so ergibt sich , wo ein Primideal bedeutet, nach welchem ist. In gleicher Weise erhalten wir ‚ wo ein Primideal bedeutet, nach welchem ist usw. Die Einsetzung dieser Werte von , , … liefert für das Ideal der Reihe nach die Darstellungen , , …. Nun gibt es nach Satz 1 nur eine endliche Anzahl von Idealen, nach denen ist. Ist diese Anzahl, so wird jedenfalls das eingeschlagene Verfahren nach -maliger Anwendung abbrechen. Denn es ist nach den Idealen , , , … und diese Ideale sind nach IV sämtlich voneinander verschieden. Nach Beendigung des Verfahrens erhalten wir für das Ideal die verlangte Zerlegung:
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,
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wo , , , …, Primideale sind.
Damit ist der Beweis des Satzes von der Zerlegung in Primideale für einen Galoisschen Körper vollständig geführt.
Wir betrachten nun einen beliebigen Körper niederen als -ten Grades, dessen Zahlen sämtlich auch Zahlen des eben behandelten Galoisschen Körpers sind und bezeichnen zur Unterscheidung die Zahlen und Ideale dieses niederen Körpers mit großen Buchstaben. Wir denken uns die Zahlen des Galoisschen Körpers als rationale Funktionen der Wurzel einer irreduziblen Gleichung -ten Grades dargestellt und bezeichnen dann die übrigen Wurzeln dieser Gleichung mit , , …, . Diese Wurzeln sind dann rationale Funktionen von und die Einsetzung derselben an Stelle von bewirkt den Übergang zu den konjugierten Körpern. Es gibt, wie die Galoissche Theorie lehrt, eine gewisse Gruppe von Substitutionen: , , …, von der Eigenschaft, daß jede Zahl des niederen Körpers bei einer Substitution dieser Gruppe ungeändert bleibt und daß auch umgekehrt jede bei diesen Substitutionen ungeändert bleibende Zahl des Galoisschen Körpers dem niederen Körper angehört. Nun zerlege man ein Ideal des niederen Körpers im Galoisschen Körper in Primideale etwa und bestimme dann die Ideale , …, derart, daß die Produkte , …, Hauptideale werden. Setzen wir , so wird auch gleich einem Hauptideal und es gilt daher eine Gleichung von der Gestalt
,
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wo , , …, Zahlen des Ideals sind. Auf diese Gleichung wende man die Substitutionen , …, an; es ergeben sich dann der Reihe nach Gleichungen von der Gestalt
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Die Multiplikation aller Gleichungen liefert
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wo sowohl als auch die Koeffizienten , …, bei Anwendung der Substitutionen der Gruppe ungeändert bleiben und daher Zahlen des niederen Körpers sind. Bezeichnen wir das Ideal (, …, ) des niederen Körpers mit , so gilt im niederen Körper die Gleichung . In der Tat ist infolge der vorigen Gleichung eine Zahl des Ideals und es bedarf daher nur des Nachweises, daß jede Zahl des Ideals durch teilbar ist. Nun ergibt wegen jede der Zahlen , …, mit jeder der Zahlen , …, multipliziert ein durch teilbares Produkt, ebenso ergibt jede der Zahlen , …, mit jeder der Zahlen , …, , multipliziert ein durch teilbares Produkt usw. und hieraus folgt, daß das Produkt von irgend Zahlen , …, multipliziert mit einer der Zahlen , …, durch teilbar ist. Setzen wir ‚ so wird und diese Gleichung zeigt, daß zu jedem vorgelegten Ideal des niederen Körpers stets ein Ideal des niederen Körpers derart bestimmt werden kann, daß das Produkt ein Hauptideal des niederen Körpers wird. Aus diesem Satze kann der Satz von der eindeutigen Zerlegung eines Ideals in Primideale für den niederen Körper genau so geschlossen werden, wie oben aus Satz III die Sätze IV und V abgeleitet worden sind. Da ferner ein jeder beliebige Körper als ein Körper aufgefaßt werden kann, welcher in einem Galoisschen Körper als niederer Körper enthalten ist, so haben wir hiermit den Satz von der eindeutigen Zerlegung eines Ideals allgemein als gültig erkannt.
- Ostseebad Cranz, den 26. September 1893.