David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie/Kapitel 7.16

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7.15 Der relativ-zyklische Körper vom Primzahlgrade. David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie (1932) von David Hilbert
7.16 Die Zerlegung der Zahlen im quadratischen Körper.
7.17 Die Existenz der Geschlechter im quadratischen Körper.
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Dritter Teil.
Der quadratische Zahlkörper.
16. Die Zerlegung der Zahlen im quadratischen Körper.
§ 59. Die Basis und die Diskriminante des quadratischen Körpers.

Es bedeute eine ganze rationale, positive oder negative Zahl, die durch keine Quadratzahl außer teilbar und auch von verschieden ist; die quadratische Gleichung

ist dann im Bereich der rationalen Zahlen irreduzibel. Wir verstehen im folgenden unter stets im Falle die positive Wurzel jener quadratischen Gleichung und im Falle diejenige ihrer Wurzeln, welche positiv imaginär ist. Die so festgelegte algebraische Zahl bestimmt einen quadratischen reellen, bezüglich imaginären Zahlkörper, der oder auch schlechthin heiße; dieser Körper ist stets ein Galoisscher Körper. Durch die Operation der Vertauschung von mit in einer Zahl oder einem Ideal des Körpers geht man zu der konjugierten Zahl bez. dem konjugierten Ideal über. Dieser Übergang werde durch Vorsetzung des Substitutionszeichens angedeutet.

Unsere erste Aufgabe ist die Aufstellung einer Basis des quadratischen Körpers und die Ermittlung seiner Diskriminante [Dedekind (1[1])].

Satz 95. Eine Basis des quadratischen Körpers bilden die Zahlen , , wenn

genommen wird, je nachdem die Zahl nach ist oder nicht. Die Diskriminante von ist, entsprechend diesen zwei Fällen,

Beweis. Die Zahl ist stets ganz, da sie der Gleichung

(21)

genügt. Bezeichnet die zu konjugierte Zahl, so ist die Diskriminante der Zahl . Nach § 3 S. 72 ist daher jede ganze Zahl des Körpers in der Gestalt

darstellbar, wo , ganze rationale Zahlen sind.

Im Falle, daß nach ist, schließen wir aus der Kongruenz nach , daß durch teilbar sein muß. Die letztere Kongruenz in Verbindung mit der ersteren hat wiederum nach zur Folge, d. h. muß durch und daher notwendig auch durch teilbar sein. Da mithin die ganzen rationalen Zahlen , beide durch teilbar sind, so ist die im Nenner des obigen Ausdrucks für stehende Zahl hebbar.

Ist andererseits nach , so schließen wir aus der Kongruenz nach , wie vorhin, daß sowohl wie durch teilbar sein muß und mithin jedenfalls in Zähler und Nenner des Ausdrucks für hebbar ist. Wir erhalten dadurch , wo , ganze rationale Zahlen bedeuten. Man erkennt aber leicht durch Bildung der Norm , sowohl für als auch für nach , daß ein Ausdruck mit ganzen rationalen Zahlen , nur dann durch teilbar sein kann, wenn , beide gerade sind. Wendet man dieses auf und sodann wieder auf an, so zeigt sich, daß auch im Falle nach eine jede ganze Zahl des Körpers in der Gestalt mit ganzen rationalen Zahlen , darstellbar ist.

Der zweite Teil des Satzes ergibt sich aus der Formel:

,

durch welche nach § 3 die Diskriminante des Körpers definiert wird.

§ 60. Die Primideale des quadratischen Körpers
.

Das Problem der Zerlegung der rationalen Primzahlen in Primideale des Körpers wird durch folgenden Satz zur vollständigen Erledigung gebracht:

Satz 96. Jede in aufgehende rationale Primzahl ist gleich dem Quadrat eines Primideals in . Jede ungerade, in nicht aufgehende rationale Primzahl zerfällt in entweder in das Produkt zweier verschiedener, zueinander konjugierter Primideale ersten Grades und oder stellt selbst ein Primideal zweiten Grades vor, je nachdem quadratischer Rest oder Nichtrest für ist. Die Primzahl ist im Falle nach in in ein Produkt zweier voneinander verschiedener konjugierter Primideale zerlegbar oder selber Primideal, je nachdem oder nach ausfällt.

Beweis. Der erste Teil dieser Behauptung, welcher sich auf die in aufgehenden Primzahlen bezieht, ist eine Folge des allgemeinen Satzes 31. Ist eine in aufgehende ungerade Primzahl, so finden wir

,

wo ein Primideal ersten Grades ist, welches seinem konjugierten gleich wird. Geht die Primzahl in auf, so wird

, bzw. ,

je nachdem oder nach ist.

Die Zerlegung der in nicht aufgehenden Primzahlen geschieht auf Grund des Satzes 33 unter Berücksichtigung der zu demselben in § 13 S. 91 gemachten Bemerkung. Danach ist eine jede zu prime rationale Primzahl im Körper entweder in zwei voneinander verschiedene Primideale zerlegbar oder selbst ein Primideal, je nachdem die linke Seite der in Betracht kommenden Gleichung (21) im Sinne der Kongruenz nach reduzibel oder irreduzibel ist. Ist die betreffende Primzahl ungerade, so finden wir die Kongruenz

, bez. , ()

offenbar dann reduzibel, wenn quadratischer Rest nach ist, und dann irreduzibel, wenn quadratischer Nichtrest nach ist. Setzen wir im ersteren Falle nach , so ergibt sich:

Die beiden Primideale und rechter Hand sind wegen

in der Tat voneinander verschieden. Im Falle nach ist die Kongruenz nach offenbar reduzibel oder irreduzibel‚ je nachdem oder nach ist, d. h. je nachdem oder nach ausfällt. Im ersteren Falle findet man:

Die beiden Primideale rechter Hand sind wegen

in der Tat voneinander verschieden.

Als Basiszahlen der eben aufgestellten Primideale können dienen:

je nachdem oder nach ist. Man erkennt diese Tatsache leicht aus einer Umkehrung des Satzes 19, wenn man jedesmal aus dem hier angegebenen Zahlenpaare und dem dazu konjugierten die Determinante bildet. In der zweiten Zeile der aufgestellten Tabelle soll eine der Kongruenz nach genügende und dazu im Falle nach ungerade Zahl bedeuten.
§ 61. Das Symbol

Um die gewonnenen Resultate über die Zerlegung der rationalen Primzahlen in übersichtlicherer Weise aussprechen zu können, führen wir folgendes Symbol ein. Ist eine beliebige ganze rationale Zahl und eine ungerade rationale Primzahl, so bedeute das Symbol den Wert , oder , je nachdem die Zahl und quadratischer Rest oder quadratischer Nichtrest nach oder durch teilbar ist; ferner bedeute den Wert , , oder , je nachdem ungerade und quadratischer Rest oder quadratischer Nichtrest nach oder durch teilbar ist. Mit Benutzung dieses Symbols erhält der obige Satz 96 folgende Fassung:

Satz 97. Eine beliebige rationale Primzahl ( oder ) ist im Körper in zwei voneinander verschiedene Primideale zerlegbar oder selbst Primideal oder gleich dem Quadrat eines Primideals, je nachdem , oder ist [Dedekind (1[1])].

Wir unterscheiden, den bisherigen Entwicklungen entsprechend, drei Arten von Primidealen, nämlich:

     1. die Primideale ersten Grades , welche von ihren Konjugierten verschieden sind;

     2. die Primideale zweiten Grades , die durch die in unzerlegbaren rationalen Primzahlen dargestellt werden;

     3. die Primideale ersten Grades , deren Quadrate den in aufgehenden rationalen Primzahlen gleich sind.

Nach den in § 39 und § 41 aufgestellten Definitionen bildet der Körper für die Primideale der ersten Art den Zerlegungskörper, für die Primideale der zweiten Art den Trägheitskörper und für die Primideale der dritten Art den Verzweigungskörper.

§ 62. Die Einheiten des quadratischen Körpers.

Was die Frage nach den Einheiten des Körpers betrifft, so sind nach Satz 47 die zwei Fälle zu unterscheiden, ob ein imaginärer oder ein reeller Körper ist.

Im ersteren Falle enthält nur solche Einheiten, welche zugleich Einheitswurzeln sind; und da in einem quadratischen Körper außer nur die primitiven 3-ten, 4-ten, 6-ten Wurzeln der Einheit vorkommen können, so sind die einzigen imaginären quadratischen Körper, welche noch andere Einheiten als enthalten, die zwei Körper und . Der erstere Körper enthält die beiden Einheiten , der letztere die 4 Einheiten . Die Diskriminanten dieser zwei Körper sind bez. ; nach Satz 50 muß daher in jeder Idealklasse dieser Körper ein Ideal vorkommen, dessen Norm bezüglich ist. Da ferner im Körper die Zahl gleich der Norm des Hauptideals wird, so folgt, daß jeder dieser beiden quadratischen Körper nur eine Idealklasse besitzt. Mithin gibt es in diesen Körpern nur Hauptideale, und es ist also jede positive ganze rationale Zahl, welche zur Norm eines Ideals in bez. geeignet ist, stets Norm einer ganzen algebraischen Zahl in dem betreffenden Körper; hieraus folgen die bekannten Sätze über die Darstellung ganzer rationaler positiver Zahlen in den Gestalten , bezüglich , wo und ganze rationale Zahlen sein sollen.

Ist dagegen ein reeller Körper, so gibt es nach Satz 47 stets eine Grundeinheit , welche verschieden von ist, und durch welche sich jede vorhandene Einheit des Körpers auf eine Weise in der Gestalt darstellen läßt, wo eine ganze rationale Zahl bedeutet.

Die Umstände, unter denen die Norm dieser Grundeinheit gleich oder gleich ausfällt, sind bisher nur in besonderen Fällen aufgedeckt worden [Arndt (1), Dirichlet (4), Legendre (1), Tano (1)]. Vgl. überdies S. 168 den ersten Abschnitt des Beweises zu Hilfssatz 13.

§ 63. Die Aufstellung des Systems der Idealklassen.

Die Ausführungen in § 24 ermöglichen für jeden besonderen Wert die Aufstellung aller Idealklassen des quadratischen Körpers und die Berechnung der Anzahl dieser Klassen. Hierher gehörige Tabellen sind auf dem Grunde der Theorie der reduzierten quadratischen Formen angefertigt worden [Gauss(1), Cayley (1)].


  1. a b [356] Vorlesungen über Zahlentheorie von P. G. Lejeune Dirichlet, 2. bis 4. Aufl. Braunschweig 1871–1894.[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. a b Dedekind, Richard: Vorlesungen über Zahlentheorie von P. G. Lejeune Dirichlet, 4. Auflage, Braunschweig, 1894, Internet Archive


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