David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie/Kapitel 7.20

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7.19 Die Bestimmung der Anzahl der Idealklassen des quadratischen Körpers. David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie (1932) von David Hilbert
7.20 Die Zahlringe und Moduln des quadratischen Körpers.
7.21 Die Einheitswurzeln mit Primzahlexponent l und der durch sie bestimmte Kreiskörper.
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20. Die Zahlringe und Moduln des quadratischen Körpers.
§ 88. Die Zahlringe des quadratischen Körpers.

Die Theorie der Ringe und Moduln eines quadratischen Körpers erledigt sich rasch durch Spezialisierung der allgemeinen in Kapitel 9 entwickelten Sätze. Man findet leicht, daß jeder Ring des Körpers durch eine einzige Zahl von der Gestalt erzeugt werden kann, wo die in § 59 definierte Zahl bedeutet, die mit 1 zusammen eine Basis von bildet, und wo eine gewisse positive ganze Zahl, nämlich den Führer des Ringes , bezeichnet. Ist insbesondere negativ und außerdem , so findet sich nach Satz 66 die Anzahl der regulären Ringklassen des Ringes durch die Formel

ausgedrückt, wo das Produkt über alle in enthaltenen voneinander verschiedenen rationalen Primzahlen zu erstrecken ist [Dedekind (1[1], 3[2])].

§ 89. Ein Satz von den Modulklassen des quadratischen Körpers. Die binären quadratischen Formen.

Betreffs der Modulklassen endlich gilt im quadratischen Körper die folgende Tatsache:

Satz 116. In einer beliebigen Modulklasse des quadratischen Körpers gibt es stets reguläre Ringideale [Dedekind (1[1])].

Beweis. Es sei [] ein beliebiger Modul des Körpers , wobei also ganze Zahlen sind, und die Diskriminante der durch [] bestimmten Modulklasse; ferner bezeichne das durch die Zahlen bestimmte Ideal und das zu konjugierte Ideal. Nunmehr bestimme man eine durch teilbare ganze Zahl des Körpers so, daß prim zu ausfällt. Setzen wir dann

,     ,

so wird [] ein mit [] äquivalenter Modul, während zugleich das durch bestimmte Ideal prim zu ausfällt.

Ist nun eine gerade Zahl, so ziehen wir zunächst die drei ganzen Zahlen , , in Betracht; darunter ist notwendig mindestens eine prim zu , denn anderenfalls müßten sich unter diesen drei Zahlen gewiß irgend zwei finden, die mit der Zahl einen und den nämlichen idealen Primfaktor gemein haben, was dem widerspräche, daß das Ideal prim zu ist. Es sei etwa prim zu . Nunmehr bezeichne man die ungeraden in aufgehenden rationalen Primzahlen mit , , …, . Da prim zu ist, so muß mindestens eine der drei Zahlen , prim zu sein. Es sei prim zu , ferner sei prim zu , …‚ wo , , … ganze rationale Zahlen bedeuten sollen. Dann folgt leicht die Existenz einer ganzen rationalen Zahl von der Art, daß prim zu wird.

Setzen wir nun

,     ,

wo , die zu , konjugierten Zahlen bedeuten, so ist eine ganze rationale positive und eine ganze algebraische Zahl, und es wird der Modul äquivalent dem Modul [, ]. Zugleich ergibt sich wegen die Norm . Der Modul [, ] ist offenbar ein reguläres Ringideal in dem durch die Zahl bestimmten Ringe , und hiermit ist der Satz 116 vollständig bewiesen.

Wegen

stimmt die Diskriminante dieses Ringes mit der Diskriminante der betrachteten Modulklasse überein. Der erhaltene Ring ist zugleich der einzige, welcher mit [] äquivalente Moduln unter seinen regulären Ringidealen aufweist. Der Satz 116 zeigt, daß es im quadratischen Körper auf dasselbe hinauskommt, die Modulklassen oder die Klassen regulärer Ringideale zu betrachten.

Nach den allgemeinen Ausführungen in § 30 und § 35 entspricht einer jeden Modulklasse eines quadratischen Körpers eine Klasse binärer quadratischer Formen mit ganzzahligen Koeffizienten, und umgekehrt entspricht jeder solchen Formenklasse mit einer nichtquadratischen Diskriminante eine Modulklasse eines quadratischen Körpers, wobei die Modulklasse und die Formen stets gleiche Diskriminante besitzen. Danach ist durch die Untersuchungen in diesem Abschnitte zugleich die Theorie der quadratischen Formen mit vorgeschriebener Diskriminante vollständig erledigt.

§ 90. Die niedere und die höhere Theorie des quadratischen Zahlkörpers.

Die in diesem dritten Teile des Berichtes entwickelten und einheitlich dargestellten Untersuchungen machen die niedere Theorie des quadratischen Zahlkörpers aus; unter der höheren Theorie des quadratischen Zahlkörpers begreife ich die Darstellung derjenigen Eigenschaften dieses Körpers, zu deren naturgemäßer Herleitung die Benutzung gewisser Hilfskörper höheren Grades nötig ist. Ein Abschnitt dieser höheren Theorie findet in dem vierten Teil dieses Berichtes Platz. Die Theorie der zu einem imaginären quadratischen Körper gehörigen Klassenkörper sowie der dazu gehörigen relativ-Abelschen Körper erfordert jedoch zu ihrem Aufbau die Methode der komplexen Multiplikation der elliptischen Funktionen, und dies ist ein Gegenstand, welcher von der Aufnahme in diesen Bericht ausgeschlossen werden mußte.



  1. a b [356] Vorlesungen über Zahlentheorie von P. G. Lejeune Dirichlet, 2. bis 4. Aufl. Braunschweig 1871–1894.[WS 1]
  2. [356] Über die Anzahl der Idealklassen in den verschiedenen Ordnungen eines endlichen Körpers. Braunschweig 1877.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Dedekind, Richard: Vorlesungen über Zahlentheorie von P. G. Lejeune Dirichlet, 4. Auflage, Braunschweig, 1894, Internet Archive


7.19 Die Bestimmung der Anzahl der Idealklassen des quadratischen Körpers. Nach oben 7.20 Die Einheitswurzeln mit Primzahlexponent l und der durch sie bestimmte Kreiskörper.
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