David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie/Kapitel 7.23

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7.22 Die Einheitswurzeln für einen zusammengesetzten Wurzelexponenten und der durch sie bestimmte Kreiskörper. David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie (1932) von David Hilbert
7.23 Der Kreiskörper in seiner Eigenschaft als Abelscher Körper.
7.24 Die Wurzelzahlen des Kreiskörpers der -ten Einheitswurzeln.
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23. Der Kreiskörper in seiner Eigenschaft als Abelscher Körper.
§ 99. Die Gruppe des Kreiskörpers der -ten Einheitswurzeln.

Der Kreiskörper der -ten Einheitswurzeln ist bei jedem Werte von , wie man leicht erkennt, ein Abelscher Körper, und zwar gelten die folgenden eingehenderen Sätze:

Satz 128. Bedeutet eine ungerade Primzahl, so ist der durch bestimmte Kreiskörper ein zyklischer Körper.

Der durch bestimmte Kreiskörper entsteht durch Zusammensetzung des imaginären quadratischen Körpers und des reellen Körpers . Der reelle Körper ist zyklisch vom Grade .

Beweis. Der erste Teil des Satzes 128 folgt, wenn wir die Substitution

(Ersetzung von durch ) einführen, wo unter eine Primitivzahl nach verstanden werden soll. Offenbar sind dann alle Substitutionen der Gruppe des Körpers Potenzen von .

Um den zweiten Teil des Satzes 128 zu beweisen, betrachten wir die Substitutionen

Dann folgt leicht, daß die Potenzen von und deren Produkte mit die sämtlichen Substitutionen des Körpers ausmachen.

Auf Grund des Satzes 128 ist auch für jede zusammengesetzte Zahl die Gruppe des Kreiskörpers der -ten Einheitswurzeln unmittelbar anzugeben.

Die Aufstellung des Zerlegungs-, des Trägheits- und des Verzweigungskörpers für ein gegebenes Primideal in kann auf Grund der Bedeutung dieser Unterkörper mit Hilfe der in § 95, § 96 und § 97 bewiesenen Sätze über die Zerlegung einer rationalen Primzahl im Kreiskörper leicht bewirkt werden. So ergibt sich insbesondere das folgende Resultat:

Satz 129. Bedeutet eine ungerade Primzahl, und betrachtet man den Kreiskörper der -ten Einheitswurzeln, so ist für das in enthaltene Primideal der Körper ein überstrichener Verzweigungskörper und der in ihm enthaltene Körper der -ten Einheitswurzeln der Verzweigungskörper, während der Körper der rationalen Zahlen gleichzeitig die Rolle des Zerlegungs- und des Trägheitskörpers für übernimmt. Ist ferner ein von verschiedenes Primideal in vom Grade , so ist für der Körper selbst der Trägheitskörper, während als Zerlegungskörper von derjenige Unterkörper -ten Grades von erscheint, der zu der Substitutionengruppe

gehört. Dabei bedeutet eine solche Substitution der Gruppe des Körpers , welche mit ihren Potenzen diese Gruppe vollständig erzeugt.

§ 100. Der allgemeine Begriff des Kreiskörpers. Der Fundamentalsatz über die Abelschen Körper.

Wir erweitern nunmehr den Begriff des Kreiskörpers, wie er bisher in Betracht kam; wir bezeichnen als einen Kreiskörper schlechthin nicht nur einen jeden durch die Einheitswurzeln von irgendeinem Exponenten bestimmten Körper , sondern auch einen jeden, irgendwie in einem solchen besonderen Kreiskörper enthaltenen Unterkörper. Da jeder Körper ein Abelscher Körper ist und ferner, wenn und irgendwelche Exponenten bedeuten, der Körper der -ten Einheitswurzeln und der Körper der -ten Einheitswurzeln beide zugleich in dem Körper der -ten Einheitswurzeln als Unterkörper enthalten sind, so gelten für diesen erweiterten Begriff des Kreiskörpers allgemein die folgenden Tatsachen:

Satz 130. Jeder Kreiskörper ist ein Abelscher Körper. Jeder Unterkörper eines Kreiskörpers ist ein Kreiskörper. Jeder aus Kreiskörpern zusammengesetzte Körper ist wiederum ein Kreiskörper.

Es ist nun eine fundamentale Tatsache, daß die erste Aussage in diesem Satze 130 sich, wie folgt, umkehren läßt:

Satz 131. Jeder Abelsche Zahlkörper im Bereiche der rationalen Zahlen ist ein Kreiskörper [Kronecker (2[1], 13[2]), Weber (1[3]), Hilbert(6[4])].

Um den Beweis dieses fundamentalen Satzes vorzubereiten, erinnern wir daran, daß nach § 48 jeder Abelsche Körper sich aus solchen zyklischen Körpern zusammensetzen läßt, bei denen die Grade Primzahlen oder Primzahlpotenzen sind. Wir konstruieren nun folgende besonderen zyklischen Körper. Es bedeute eine ungerade Primzahl und eine Potenz derselben mit positivem Exponenten; dann ist der durch bestimme Körper ein zyklischer Körper vom -ten Grade. Der zyklische Unterkörper vom -ten Grade dieses Körpers werde mit bezeichnet. Ferner bestimmt die Zahl einen reellen zyklischen Körper vom -ten Grade. Dieser Körper werde mit bezeichnet. Endlich sei eine Potenz einer beliebigen Primzahl ( oder ) und außerdem eine Primzahl mit der Kongruenzeigenschaft nach ; dann besitzt der Kreiskörper vom Grade offenbar einen zyklischen Unterkörper vom Grade . Dieser zyklische Körper -ten Grades werde mit bezeichnet. Die Körper , , sind Kreiskörper bez. von den Graden , , ; die Diskriminanten dieser Körper , , sind infolge der Sätze 39 und 121 Potenzen bez. der Primzahlen , , . Daß es bei jeder Annahme von Primzahlen mit der Kongruenzeigenschaft nach gibt, steht nach der letzten Bemerkung in § 97 fest, kommt jedoch hier nicht in Frage.

Wir werden in den folgenden Paragraphen zeigen, daß jeder Abelsche Körper als Unterkörper in einem solchen Körper enthalten ist, der durch Zusammensetzung aus und geeigneten Körpern , , entsteht. Zu diesem Nachweise ist eine Reihe von Hilfsbetrachtungen vorauszuschicken.

§ 101. Ein allgemeiner Hilfssatz über zyklische Körper.

Hilfssatz 15. Wenn ein zyklischer Körper von einem Grade , wo eine beliebige Primzahl ( oder ) ist, nicht den betreffenden Körper bez. als Unterkörper enthält, so entsteht durch Zusammensetzung von mit dem durch bestimmten Körper ein Körper vom Grade , und es gibt dann stets in eine ganze Zahl mit folgenden Eigenschaften: der Körper ist auch durch die Zahlen und bestimmt; bezeichnet eine beliebige nicht durch teilbare ganze rationale Zahl, und wird aus der Gruppe des Körpers die Substitution

ins Auge gefaßt, so ist die -te Potenz einer Zahl in .

Beweis. Die erste Behauptung über den Grad von folgt unmittelbar daraus, daß und außer dem Körper der rationalen Zahlen keinen gemeinsamen Unterkörper haben. Es sei nun eine den Körper bestimmende ganze Zahl von der Art, daß auch keine Potenz von in einem Unterkörper von liegt; es sei ferner eine solche Substitution der Gruppe von , welche mit ihren Potenzen diese Gruppe erzeugt. Wir setzen, wenn und beliebige Exponenten sind:

Die Ausdrücke können nicht sämtlich verschwinden, da sonst wegen notwendig auch die Determinante

verschwinden müßte und dann nach der Bemerkung auf S. 71 die Zahl keine den Körper bestimmende Zahl wäre. Es sei eine solche Potenz von , für welche ausfällt. Vermöge folgt dann, daß die Zahl und ferner alle Zahlen Zahlen in dem Körper sind. Da

wird und ebenfalls eine den Körper bestimmende Zahl ist, so sehen wir, daß der durch und bestimmte Körper, dessen Grad höchstens ist, den Körper vom Grade enthält; der erstere Körper ist daher mit diesem letzteren Körper identisch, und die Zahl besitzt die im Hilfssatz 15 angegebene Eigenschaft.

Wir machen noch folgende Bemerkung. Der durch und bestimmte Körper ist, wie man leicht erkennt, relativ zyklisch vom Relativgrade in bezug auf und besitzt daher einen einzigen Unterkörper‚ der enthält und relativ zyklisch vom Grade in bezug auf ist. Bedeutet nun den Unterkörper -ten Grades von , so muß danach der aus und zusammengesetzte Körper mit dem durch und bestimmten Körper identisch sein.

§ 102. Von gewissen Primzahlen in der Diskriminante eines zyklischen Körpers vom Grade .

Hilfssatz 16. Wenn ein zyklischer Körper von einem Grade ist, wo eine beliebige Primzahl ( oder ) ist, und wenn den Unterkörper -ten Grades von bezeichnet, so besitzen die etwaigen von verschiedenen Primteiler der Diskriminante von durchweg die Kongruenzeigenschaft nach .

Beweis. Zunächst betrachten wir den Fall, daß eine ungerade Primzahl und ist. Wir nehmen an, es fände sich im Gegensatz zu unserer Behauptung eine rationale, in der Diskriminante von aufgehende Primzahl ‚ welche nach ist. Es sei , ferner eine Primitivzahl nach , und man nehme aus der Gruppe des Körpers die Substitution . Ist ein idealer Primfaktor von im Körper , so ist das Primideal , wegen nach , nach Satz 119 von einem Grade ; mithin ist nach Satz 129 der Zerlegungskörper des Primideals von einem Grade ; die übrigen Primfaktoren von sind dann

während , d. h.

(39)

wird. Desgleichen gelten auch für die zu konjugierten Primideale die entsprechenden Gleichungen

(40)

Nach Hilfssatz 15 gibt es eine ganze Zahl in ‚ so daß die beiden Zahlen und den aus und zusammengesetzten Körper bestimmen, und für welche obendrein gleich der -ten Potenz einer Zahl in wird. Da und zwei ganzzahlige Funktionen von sind, welche im Sinne der Kongruenz nach keinen gemeinsamen Faktor haben, so gibt es drei ganzzahlige Funktionen , , der Veränderlichen , so daß

ist, und hieraus folgt

wo eine Zahl in ist. Wegen der vorhin bewiesenen Gleichungen (39) und (40) für die Primideale läßt sich als eine solche ganze oder gebrochene Zahl schreiben, daß Zähler und Nenner keinen der Primfaktoren enthalten und daher zu prim sind; das gleiche gilt somit von der Zahl . Wir setzen in solcher Weise, daß eine ganze, zu prime Zahl in und eine ganze rationale Zahl bedeutet. Der Körper wird dann auch durch die beiden Zahlen und bestimmt. Die Relativdiskriminante der Zahl in bezug auf ist , und da zu prim ist, so ist mithin auch die Relativdiskriminante von in bezug auf prim zu . Da andererseits auch die Diskriminante von nicht durch teilbar ist, so ist nach Satz 39 auch die Diskriminante von und folglich nach Satz 85 auch die Diskriminante des Körpers prim zu ‚ was unserer Annahme widerspricht.

In ähnlicher Weise erschließen wir die Richtigkeit des Hilfssatzes 16 bei ungeradem , wenn der Exponent angenommen wird. Es sei ‚ ferner bezeichne r eine Primitivzahl nach , und aus der Gruppe des Körpers sei . Es sei eine in der Diskriminante von aufgehende, von verschiedene Primzahl und ein idealer Primfaktor von in . Nehmen wir nach , aber nach an, so liegt das Primideal jedenfalls auch in dem Unterkörper des Körpers , d. h. es ist , und ebenso gelten für die zu in konjugierten Primideale die Gleichungen:

Da Primitivzahl nach ist, so wird nach , und mithin lassen sich drei ganzzahlige Funktionen der Variablen derart bestimmen, daß

ist; hieraus folgt alsdann, wenn eine nach Hilfssatz 15 bestimmte Zahl bedeutet,

wo eine Zahl in ist. Wegen der vorhin bewiesenen Eigenschaft der Primideale ist und folglich auch eine Zahl, deren Zähler und Nenner zu prim ausfallen. Wir können daher die letztere Zahl setzen in solcher Weise, daß eine ganze, zu prime Zahl in und eine ganze rationale Zahl bedeutet. Es ist dann , und daraus ergibt sich , wo ebenfalls in liegt. Da der durch und bestimmte Körper, wie am Schlusse des § 101 bemerkt wurde, mit demjenigen Körper identisch ist, welcher durch Zusammensetzung aus und entsteht, und da die Relativdiskriminante der Zahl in bezug auf den zu primen Wert besitzt, so ist die Relativdiskriminante des Körpers in bezug auf prim zu . Andererseits ist die Diskriminante von ebenfalls nicht durch teilbar, und folglich gilt das gleiche auch von der Diskriminante des Körpers und damit auch dann von der des Körpers . Der letztere Umstand aber widerspricht unserer Annahme.

Um die Richtigkeit des Hilfssatzes 16 für zu erkennen, machen wir zunächst die Annahme und wenden dann auf den zyklischen Körper vom 4-ten Grade den Hilfssatz 15 an. Wir setzen und betrachten aus der Gruppe von die Substitution . Es sei der quadratische Unterkörper von , und wir nehmen an, es gebe eine in der Diskriminante von aufgehende ungerade Primzahl , welche nach ist. Infolge der letzteren Eigenschaft ist in unzerlegbar. Ist nun die uns durch Hilfssatz 15 angewiesene Zahl durch teilbar, so bilden wir die Zahl . Da nach Hilfssatz 15 andererseits sein soll, wo in liegt, so folgt , d. h. . Infolgedessen ist das Quadrat einer Zahl in ; wir können setzen in solcher Weise, daß eine ganze, zu prime Zahl in und eine ganze rationale Zahl bedeutet. Da der Körper mit dem Körper übereinstimmt, und da andererseits die Relativdiskriminante der Zahl in bezug auf zu prim ist, so ist auch die Relativdiskriminante des Körpers in bezug auf prim zu , und hieraus folgt, daß die Diskriminante von nicht durch teilbar ist, entgegen der Voraussetzung.

Ist im Falle der Exponent , so setzen wir . Nehmen wir dann an, es gäbe eine in der Diskriminante von aufgehende Primzahl nach und nach , und ist ein idealer Primfaktor von in , so bliebe ungeändert bei einer Substitution , wo entweder oder zu nehmen ist; folglich wäre . Wegen nach würde, ähnlich wie oben, eine Gleichung von der Gestalt:

gelten, und aus dieser schließen wir, wie vorhin bei ungeradem , auf einen Widerspruch mit der Annahme, wonach in der Diskriminante von aufgeht. Damit ist der Hilfssatz 16 vollständig bewiesen.

Aus dem Hilfssatze 16 folgt ohne Schwierigkeit die weitere Tatsache:

Hilfssatz 17. Es sei ein zyklischer Körper von einem Grade , wo eine beliebige Primzahl ( oder ) ist; der Unterkörper l-ten Grades von werde mit bezeichnet; die Diskriminante des Körpers enthalte die von verschiedene Primzahl : dann kann stets ein Abelscher Körper von einem gewissen Grade mit folgenden beiden Eigenschaften gefunden werden:

Erstens. Der aus und einem gewissen Kreiskörper zusammengesetzte Körper enthält als Unterkörper.

Zweitens. Die Diskriminante des Körpers enthält nur solche Primzahlen, die auch in der Diskriminante des Körpers aufgehen, darunter aber nicht die Primzahl .

Beweis. Nach Hilfssatz 16 besitzt die rationale Primzahl die Kongruenzeigenschaft nach ; man konstruiere nach § 100 den zyklischen Kreiskörper vom Grade , dessen Diskriminante eine Potenz von ist, und betrachte den aus und zusammengesetzten Körper ‚ dessen Grad sei. In gilt , wo ein Primideal in bedeutet. Es sei ein in aufgehendes Primideal des Körpers . Da das Primideal in der Gradzahl des Körpers nicht aufgeht, so ist dieser Körper Verzweigungskörper des Primideals und als solcher nach Satz 81 relativ zyklisch, und zwar mindestens vom Relativgrade , in bezug auf den Trägheitskörper des Primideals , der heiße. Da ferner zyklische Körper von höherem als dem -ten Grade in nicht vorkommen können, so hat genau den Relativgrad in bezug auf . Hieraus folgt, daß der Körper vom Grade ist. Die Differente des Trägheitskörper ist nach Satz 76 nicht durch teilbar, und daher ist, mit Rücksicht auf Satz 68, die Diskriminante des Körpers nicht durch teilbar. Andererseits enthält diese Diskriminante wegen Satz 39 nur solche rationale Primzahlen, welche in der Diskriminante von aufgehen. Endlich folgt aus Satz 87, daß der aus und zusammengesetzte Körper mit übereinstimmt. Der Körper besitzt demnach alle im Hilfssatz 17 verlangten Eigenschaften.


§ 103. Der zyklische Körper vom Grade , dessen Diskriminante nur enthält, und die zyklischen Körper vom Grade und , in denen bzw. als Unterkörper enthalten ist.

Hilfssatz 18. Wenn die Diskriminante eines zyklischen Körpers von einem ungeraden Primzahlgrade ausschließlich die Primzahl enthält, so stimmt mit überein.

Beweis. Wir setzen und, ‚ wo eine Primitivzahl nach bedeute. Schreiben wir überdies , so ist ein Primideal in , und es wird im Sinne der Idealtheorie ; endlich gilt die Kongruenz

Wir betrachten nun die uns durch Hilfssatz 15 angewiesene Zahl . Da das Primideal in vom ersten Grade ist, so folgt, wenn gesetzt wird, in Anbetracht der Gleichung und nach Satz 24 die Kongruenz nach , wobei eine Kongruenz zwischen gebrochenen Zahlen dann bestehen soll, wenn sie sich durch Multiplikation mit einer zum Modul teilerfremden ganzen Zahl in eine gewöhnliche Kongruenz verwandeln läßt. Da zu prim ist, so wird der aus und zusammengesetzte Körper auch durch und bestimmt sein. Wir setzen nach , wo eine ganze rationale Zahl bedeute; dann ist nach .

Nunmehr führen wir den Nachweis dafür, daß die Kongruenz nach besteht. Zu dem Zwecke nehmen wir an, es sei nach , wobei der Exponent ausfällt und eine nicht durch teilbare ganze rationale Zahl bedeutet.

Wir berücksichtigen, daß nach dem Hilfssatze 15 und folglich auch die -te Potenz einer Zahl in ist; wir setzen , wo eine Zahl des Körpers sei. Diese Gleichung liefert die Kongruenz nach . Aus dieser folgt zunächst nach , und dies liefert nach . Hieraus würde endlich nach folgen, was unmöglich ist, da Primitivzahl nach sein soll und ist. Diese Betrachtung lehrt die Richtigkeit der Kongruenz nach .

Wir setzen nun in solcher Weise, daß eine ganze Zahl in und eine ganze rationale Zahl bedeutet; es ist dann nach . Nehmen wir nun an, der Körper sei von dem Körper verschieden, so entsteht durch Zusammensetzung aus und der durch und bestimmte Körper vom Grade . Es ist andererseits , wie die Gleichung zeigt, eine ganze Zahl des Körpers , und die Relativdiskriminante dieser Zahl in bezug auf ist gleich , wo eine Einheit ist. Da zu prim ist, so ist mithin die Relativdiskriminante des Körpers in bezug auf den Körper ebenfalls prim zu . Bezeichnen wir daher mit einen idealen Primfaktor von im Körper , so besitzt mit Rücksicht auf Satz 93 in diesem Körper einen Trägheitskörper , welcher den Grad hat. Die Diskriminante dieses Trägheitskörpers ist prim zu , und wegen Satz 85 müßte sie daher den Wert oder besitzen. Daß es aber einen zyklischen Körper vom Primzahlgrade mit der Diskriminante nicht gibt, folgt entweder direkt aus Satz 44 oder mittels Satz 94, wenn wir den in diesem Satze 94 mit bezeichneten Körper gleich dem Körper der rationalen Zahlen nehmen und die Tatsache berücksichtigen, daß im Körper der rationalen Zahlen alle Ideale Hauptideale sind. Damit ist der Beweis für den Hilfssatz 18 erbracht.

Hilfssatz 19. Wenn ein zyklischer Körper vom Grade , wo gleich einer ungeraden Primzahl oder gleich ist, den Körper bzw. als Unterkörper enthält, so ist Unterkörper eines solchen Körpers, welcher aus bez. und aus einem gewissen zyklischen Körper von einem Grade durch Zusammensetzung entsteht.

Beweis. Es sei bez. . Der größte sowohl in als in bez. enthaltene Unterkörper werde mit bezeichnet; habe den Grad , wo eine positive ganze rationale Zahl bedeutet. Es sei eine solche Substitution aus der Gruppe des Körpers , welche mit ihren Potenzen diese Gruppe erzeugt, und eine solche Substitution, welche die Gruppe des Körpers bez. erzeugt. Setzen wir und , so erzeugen und beide Male diejenigen Untergruppen vom Grade , zu denen als Unterkörper einerseits von , andererseits von bez. gehört. Der aus und bez. zusammengesetzte Körper ist in bezug auf vom Relativgrade und daher überhaupt vom Grade .

Um die Gruppe des Körpers zu ermitteln, bezeichnen wir mit eine den Körper und mit eine den Körper bez. bestimmende Zahl und verstehen unter unbestimmte Parameter. Die Größe genügt einer Gleichung vom -ten Grade, deren Koeffizienten ganzzahlige Funktionen von und sind, und Welche in dem durch die Parameter und bestimmten Rationalitätsbereich irreduzibel ist. Die verschiedenen Wurzeln dieser Gleichung sind von der Gestalt

,

wo gewisse Paare ganzer Zahlen bedeuten. Da einem bekannten Satze zufolge sowohl wie sich als rationale Funktionen von ausdrücken lassen, wobei die Koeffizienten ganzzahlige Funktionen von und werden, so sind auch die Größen ebenso ausdrückbar; wir setzen

wobei eine rationale Funktion von bedeutet, deren Koeffizienten ganzzahlige Funktionen von sind. Es bezeichne nun irgendeine Zahl in oder überhaupt eine rationale Funktion von , deren Koeffizienten in liegen; dann wird gleich einer rationalen Funktion der Größe , deren Koeffizienten ganzzahlige Funktionen von sind. Es drücken sich ferner die zu konjugierten Größen in der Gestalt

aus, und das System der betreffenden Substitutionen bildet die Gruppe des Körpers . Wegen

wird

,

und hieraus folgt leicht:

, (41)

wenn allgemein die Festsetzung getroffen wird, falls und nach ist. Aus (41) folgt die Vertauschbarkeit der Substitutionen der Gruppe , d. h. der Körper ist ein Abelscher Körper.

Es bezeichne eine Primitivzahl nach ; da insbesondere eine zu konjugierte Zahl ist, so muß es jedenfalls eine Substitution in der Gruppe geben, bei welcher der zweite Index nach ist. Wir setzen eine solche Substitution . Der Grad der aus erzeugten zyklischen Gruppe ist . Es kann ferner leicht erkannt werden, daß alle diejenigen Substitutionen der Gruppe , bei denen der zweite Index nach ausfällt, für sich eine zyklische Untergruppe vom Grade bilden. Es sei eine erzeugende Substitution dieser zyklischen Gruppe. Die Gruppe entsteht dann offenbar durch Zusammensetzung aus den Potenzen von und den Potenzen von . Zu der aus den Potenzen von bestehenden Untergruppe gehört offenbar im Körper der zyklische Unterkörper bez. . Zu der aus erzeugten Gruppe gehört in ein gewisser zyklischer Unterkörper vom Grade . Die beiden Körper bez. und haben keinen gemeinsamen Unterkörper außer dem Körper der rationalen Zahlen, und der Körper entsteht daher durch Zusammensetzung aus diesen beiden zyklischen Körpern. Damit ist der Hilfssatz 19 vollständig bewiesen.

§ 104. Beweis des Fundamentalsatzes über Abelsche Körper.

Wir beweisen nunmehr den Fundamentalsatz 131 in folgender Art. Zunächst ist in § 48 festgestellt worden, daß jeder Abelsche Körper sich aus zyklischen Körpern zusammensetzen läßt, deren Grade Primzahlen oder Primzahlpotenzen sind; es ist daher nur nötig, zu zeigen, daß jeder zyklische Körper von einem Grade , wo eine Primzahl bezeichnet, ein Kreiskörper ist.

Um diesen Beweis zu führen, nehmen wir an, es sei bereits die Richtigkeit des Fundamentalsatzes 131 für alle diejenigen Abelschen Körper erkannt, deren Grad eine niedere Potenz von als ist.

Es werde nun der in enthaltene Unterkörper vom -ten Grade ins Auge gefaßt. Nehmen wir an, daß die Diskriminante von eine von verschiedene rationale Primzahl enthält, so ist nach Satz 39 auch die Diskriminante von durch teilbar. Ferner existiert nach Hilfssatz 17 ein Abelscher Körper vom Grade der Art, daß Unterkörper des aus und dem Kreiskörper zusammengesetzten Körpers wird. Ist dann ein zyklischer Körper von niederem als -ten Grade oder aus mehreren solchen zyklischen Körpern zusammengesetzt, so erweist sich auf Grund unserer Annahme als Kreiskörper, und mithin ist auch ein Kreiskörper. Es ist demnach nur noch der Fall in Betracht zu ziehen, daß ausfällt und ein zyklischer Körper vom Grade ist. Wie der vorhin angewandte Hilfssatz 17 aussagt, enthält die Diskriminante von nur solche Primzahlen, welche in der Diskriminante von aufgehen, aber nicht die Primzahl ; die Diskriminante von enthält also mindestens eine rationale Primzahl weniger als die Diskriminante von .

Wir bezeichnen den Unterkörper -ten Grades von mit . Geht dann in der Diskriminante von noch eine von verschiedene rationale Primzahl auf, so können wir auf den Körper das nämliche Verfahren anwenden, das wir soeben für den ursprünglich vorgelegten Körper dargelegt haben, und gelangen dann entweder zu der Einsicht, daß ein Kreiskörper ist, oder wir werden auf einen zyklischen Körper vom Grade geführt, dessen Diskriminante wieder mindestens eine rationale Primzahl, nämlich die Primzahl , weniger enthält als die Diskriminante des Körpers . Das so eingeleitete Verfahren führt nach einer gewissen Anzahl sich folgender Anwendungen entweder auf einen Körper , der sich auf Grund unserer Annahme bereits als Kreiskörper erweist, oder wir gelangen schließlich zu einem zyklischen Körper vom Grade von der Art, daß der in enthaltene Unterkörper vom -ten Grade eine Diskriminante besitzt, welche keine rationale Primzahl oder nur die Primzahl enthält. Da es nach den Bemerkungen auf S. 213 einen zyklischen Körper -ten Grades mit der Diskriminante nicht gibt, so tritt notwendig der letztere Umstand ein.

Wir unterscheiden nunmehr zwei Fälle, je nachdem eine ungerade Primzahl oder gleich 2 ist.

Im ersteren Falle stimmt nach Hilfssatz 18 mit überein.

Im zweiten Falle ist, wenn ausfällt, der Körper entweder gleich oder gleich und mithin offenbar ein Kreiskörper. Für erweist sich jedoch stets gleich . Ist nämlich ein reeller Körper, so ist offenbar auch reell, und daraus folgt die Behauptung. Ist jedoch ein imaginärer Körper, so bilden die sämtlichen reellen Zahlen desselben einen reellen Unterkörper vom Grade , und da notwendig in diesem reellen Körper enthalten ist, so ist ebenfalls reell und stimmt also mit überein.

In den beiden oben unterschiedenen Fällen ist somit, wenn wir von , absehen, stets der Körper bez. . Nach Hilfssatz 19 ist infolgedessen Unterkörper eines Körpers, der sich aus bez. und einem zyklischen Körper vom Grade zusammensetzt. Da nun der Fundamentalsatz 131 zyklische Körper von der letzteren Beschaffenheit bereits als bewiesen angenommen worden ist, so erweist sich auch als Kreiskörper. Damit ist der Fundamentalsatz 131 vollständig bewiesen, und zugleich ist ersichtlich, in welcher Weise man alle Abelschen Körper von gegebener Gruppe und gegebener Diskriminante aufstellen kann.

  1. [358] Über die algebraisch auflösbaren Gleichungen. Ber. K. Akad. Wiss. Berlin 1853.[WS 1]
  2. [359] Über Abelsche Gleichungen. Ber. K. Akad. Wiss. Berlin 1877.[WS 2]
  3. [361] Theorie der Abelschen Zahlkörper. Acta Math. 8 u. 9 (1886), (1887).[WS 3]
  4. [358] Ein neuer Beweis des Kroneckerschen Fundamentalsatzes über Abelsche Zahlkörper. Nachr. K. Ges. Wiss. Göttingen 1896.[WS 4]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Kronecker, Leopold: Über die algebraisch auflösbaren Gleichungen, in: Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1853 S. 365–374 Berlin-Brandenburgische Akademie und 1856, S. 203–215 MDZ München
  2. Kronecker, Leopold: Über Abelsche Gleichungen, in: Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1877, S. 845–851 Berlin-Brandenburgische Akademie
  3. Weber, Heinrich: Theorie der Abel’schen Zahlkörper, in: Acta Mathematica, Band 8 (1886) S. 193–263 Internet Archive und Band 9 (1887) S. 105–130 Internet Archive
  4. Hilbert, David: Ein neuer Beweis des Kronecker’schen Fundamentalsatzes über Abelsche Zahlkörper, in: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen – Mathematisch-Physikalische Klasse, 1896, S. 29–39 GDZ Göttingen
7.22 Die Einheitswurzeln für einen zusammengesetzten Wurzelexponenten m und der durch sie bestimmte Kreiskörper. Nach oben 7.24 Die Wurzelzahlen des Kreiskörpers der -ten Einheitswurzeln.
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