David und Salomo/09. Vortrag

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IX.
1. Chron. 16, 25. 26; 27. 28; V. 29.


1.
 Es ist ein eigentümlicher Ausdruck, der in dieser Lection gebraucht wird: Gott habe den Leviten geholfen. Was für eine Hilfe mag das gewesen sein und warum wird das besonders hervorgehoben? Gott hat ihnen geholfen, daß sie nicht starben wie Usa, der seine Hand ausstreckte und die Lade berührte und darüber zu Grunde gegangen ist. Weil David und die Priester ein lebendiges Bewußtsein ihrer Sünden hatten, so hatten sie nicht die völlige gewisse Zuversicht, daß sie verschont bleiben würden. Sie waren tief im Innern überzeugt, daß wenn ein Strahl von dem unnahbaren Sitze Gottes sie getroffen hätte, sie es verdient hätten. Deshalb waren sie auch so voll Furcht und Zittern beim Tragen der Lade, daß man alle sechs Schritte ein Opfer dem HErrn darbrachte, um Seinen Zorn gegen das Volk zu versöhnen. Es ist dem ganzen Zug, namentlich dem ersten Theil desselben anzumerken, welche Furcht im Volke herrschte.| So beginnt diesmal die Heimführung der Lade des HErrn; anders als das erste Mal.

 Was man in der Furcht des HErrn beginnt, das ist wohl begonnen; die Furcht des HErrn ist der Weisheit Anfang, sie legt der HErr in das Herz der Seinen bei all ihrem Thun.


2.
 Alle die bei diesem Zuge sind, selbst der König, tragen ein bescheiden priesterlich Gewand. Auch der König hat all seine Herrlichkeit abgelegt und erscheint im leinenen Leibrock als ein Levit unter seinem Volk. Aus dem Herrscher über alle wird er der erste Sänger und Diener des HErrn: schon dies zu sehen erquickt die Seele. Es ist noch ein Nachklang der Furcht wahrzunehmen, die anfänglich beim Beginn des Zugs das Gemüth des Königs und seines Volks beherrschte. Aber aus dem Psalmwort: „Freuet euch mit Zittern“ sieht man, daß Furcht vor dem HErrn und Freude in dem HErrn zusammengehen können, daß beides kein unverträglicher Gegensatz ist. Die Furcht schützt vor Uebermaaß, hindert das rechte Maaß der Freude nicht. Je mehr aber der Zug sich Zion nähert, desto mehr nimmt die Freude überhand, da erklingen Psalter und Harfen und dröhnen die Trompeten und Posaunen und der König selbst springt und tanzt mit aller Macht vor dem HErrn her. Aber freilich das war ein Tanz besondrer Art. Was sind das für Thoren, die ihre unsittlichen Nachttänze mit Davids Tanz beschönigen wollen. Hat David mit Frauen getanzt, hat er die Wollust dieser Welt gesucht? War nicht sein Tanz vielmehr eine ungesuchte, unwillkürliche Äußerung seiner wachsenden inwendigen heiligen Freude? Solche Tänze würden keinen Tadel verdienen, sondern eingereiht werden können unter das, was im Heiligthum erlaubt| ist. Wer fröhlich ist im HErrn, der senkt seinen Kopf nicht, deß Herze geht in Sprüngen. Aber die Tänze dieser Welt bestauben die Gewissen und führen dahin, daß man die Gränze nicht mehr findet zwischen Kirche und Welt. Fern sei darum alles vom Heiligthum, was unheilig ist, und verschieden von der Welt Gebärde sei die heilige Gebärde des frommen Königs von Israel.


3.

 Wenn der König David in der Freude und dem Überschwang seiner Seele beim Tanzen wirklich das Maaß überschritten hätte, wenn irgend etwas geschehen wäre, das Tadel verdient hätte, wer hätte das am wenigsten sehen sollen? Michal, Davids Weib. Statt dessen aber guckte sie zum Fenster hinaus und übte Kritik, während ihr Gemahl in heiliger Begeisterung sich erging. Michal ist kein heiliges Weib, sondern ein Weltkind, denn wie alle Weltkinder hat sie ein scharfes Auge und scharfen Tadel für die Fehler der Heiligen. Heilige Menschen schließen vor vielem die Augen, mögen nicht alles sehen und auf alles merken, wissen auch Maaß im Tadel. Wer selbst innerlich lebt, der sieht an denen, die mit ihm beten und feiern, nur das Gebet und die Feier der Seele. Wer nicht so gesinnt ist, paßt in keine Gemeinschaft der Heiligen in dieser Welt, der wird immer ein misliebiges Glied der Gemeinschaft sein, ein Dorn, der sticht und verwundet. Darum segnet Gott den König, weil er vor Ihm sich gefürchtet und in Ihm sich gefreut und den Hohn der Welt getragen hat. Gott verleihe uns in diesen drei Stücken David nachzufolgen.

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