David und Salomo/21. Vortrag

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XXI.
2. Chron. 2, 1–2; 3–10; 11–18.


1.
 Zwischen dem Regierungsantritt Salomos und seinem erneuten Entschluß den Tempel zu bauen, liegt mancherlei mitten inne: der Tod Davids, das Freudenfest zu Gibeon, die Einrichtung der Hofhaltung Salomos etc. Nun aber befiehlt Salomo, daß mit Ernst an die Ausführung des Plans gegangen werde. Weil er vorhat zu bauen, so ist das Allernöthigste, daß er die Bauleute anstellte. Schon sein Vater David hat die Arbeiter, die Fremdlinge, aufzeichnen lassen; nun werden sie von Salomo angestellt: 70 000 Lastträger, 80 000 Holz- und Steinhauer und 3600 Amtleute über sie, gibt in Summa 153 600. Diese Arbeiter sind lauter Fremdlinge, Frohnsklaven aus den nicht ausgerotteten Überresten der canaanitischen Völkerstämme. Außerdem hatte Salomo auch noch aus Israel selber 30 000 Mann auserwählt, von denen immer ein Drittel bei der Arbeit auf dem Libanon sein sollte. Diese hatten ihren besondern Dienst und wurden wol auch anders gehalten als die übrigen, die Frohnsklaven, die einfach| gezwungen waren zu arbeiten. Die Israeliten sind ein Volk von freien Hirten und Ackerbauern gewesen, Handel und Industrie war bei ihnen nicht zu Hause. David kann, wie er an den Tempelbau denkt, keine Arbeiter in Israel finden, er muß sie bei den Philistern und Phöniziern suchen. Da sieht man: es ist zu wahrer Bildung nicht nöthig, daß die Culturentwicklung eines Volks von der Stufe des Hirtenlebens und des Ackerbaus fortschreite bis zu Handel und Industrie. Hochentwickelte Industrie eines Volkes bringt Luxus, und der ist ein Vorbote des Gangs zum Verderben. Israel wohnt dicht bei den Philistern und dicht bei dem großen Industrievolk der Phönizier; es hat aber ihre Sitten nicht nachgeahmt. Der Libanon und der Hermon scheiden Israel von den Phöniziern, und der Gegensatz zwischen beiden Völkern ist ein ähnlicher wie bei uns zwischen dem Städter und dem Landmann. Israel nährt Phönizien, und Phönizien versieht Israel mit den Erzeugnissen seines Handels und Gewerbfleißes. Es ist als wenn Gott an den beiden so nah an einander wohnenden Völkern den Unterschied der theokratischen und der rein weltlichen Entwicklung eines Volks hätte zeigen wollen. Israel bleibt ein Volk von Hirten und Ackerbauern, und der Fremdling muß ihm helfen, wenn’s zum Tempelbau geht, daß alles gedeihe, wie es dem HErrn gefällt. – Noch eine Bemerkung möchte ich machen über die in der ersten Lection vorkommenden Zahlen. Nach 2. Chron. 2, 17 u. 18 betrug die Zahl der Vorsteher über die Frohnsklaven 3600, nach 1. Kön. 5, 15 aber 3300. Allein nach 2. Chron. 8, 10 hatte Salomo noch außerdem 250 Oberaufseher über all seine Bauten, so daß, wenn man zusammenzählt, die Summe von 3850 Beamten sich ergibt. Und wenn man zu den 1. Kön. 5, 15 genannten Aufsehern über Salomos Frohnarbeiter die 1. Kön. 9, 23 erwähnten 550 Amtleute rechnet,| so gibt es 3300 + 550 also wieder 3850 Mann. So stimmt also die Gesamtsumme in den Büchern der Könige mit der in den Büchern der Chronika; nur die Eintheilung ist verschieden. So löst sich also eine scheinbare Schwierigkeit leicht und erscheint aufs neue die Glaubwürdigkeit des Buchs der Chronik. Auch sie ist ein inspiriertes Buch, denn Esra, ihr Verfasser, stand wiewol am Ende der alttestamentlichen Zeit, so doch unter göttlichem Einfluß. So erweist sich alles was wir in der Schrift lesen als göttliche Wahrheit, schon hier in der Zeit und noch mehr dort in der Ewigkeit.


2.
 Schon David hat zum Tempelbau herbeigeschafft Holz und Steine ohne Zahl, aber es reicht noch nicht, weil das Haus groß sein soll, um des großen Gottes würdig zu sein. Und doch, wenn man auf die Größenverhältnisse eingeht, so findet man, daß sie so beträchtlich nicht sind. Das Tempelhaus ist 60 Ellen lang und 30 Ellen hoch; das sind die Verhältnisse einer mäßigen Dorfkirche. Und doch redet Salomo von einem großen Haus, und bedarf es eines solchen Aufgebots von Arbeitskräften und eines solchen Kostenaufwands. Allein 20 000 Cor Waizen muß Salomo jährlich als Arbeitslohn dem Hiram und seinen Leuten geben. Ein einziges Cor aber hat einen Inhalt von 19 857 par. Cubikzoll. Man muß aber bedenken, daß Salomo den Platz für das Tempelhaus erst schaffen und den Berg Morija vom Grund aus aufmauern lassen mußte, um den nöthigen Flächenraum zu gewinnen. Darauf wird dann nicht blos das Tempelhaus gesetzt, sondern um dasselbe läuft noch ein dreistöckiger Bau von Kammern und das Ganze ist umgeben mit Vorhöfen und Hallen. Es ist ein ganzes System von Gebäuden und Höfen, eine ganze Burg Gottes, in deren Mitte das eigentliche| Tempelhaus stand. Dazu bedurfte denn Salomo allerdings Massen von Material und von Arbeitern und geschickte Hände von Künstlern. Deshalb verlangt er von Hiram sidonische Arbeiter, und Hiram bestimmt dazu die Giblim (1. Kön. 5, 18) d. h. die Einwohner von Byblus, die zunächst am Abhang des Libanon wohnten. Wie für Herbeischaffung von Material, so hat David auch schon für Heranbildung von Künstlern (Weisen V. 7) gesorgt, die eingegrabene Arbeit in Stein und Metall zu fertigen verstanden. Es fehlt nur ein Mann, um alles zu leiten. Den Verstand zu allem haben die Priester schon, aber für die Ausführung bedarf es einen kunsterfahrenen Mann, und um einen solchen bittet Salomo den König Hiram. Er scheut sich nicht, die Techniker aus den Gränzen von Tyrus und Sidon kommen zu lassen und zu diesem Zweck mit einem Fremden, einem heidnischen König, in Verbindung zu treten. Er zieht weltliche Kunst und Bildung in den Dienst des Heiligthums, aber er thut es ohne Verläugnung seines Glaubens. Er bekennt sich vor Hiram zu seinem Gott, er rühmt Ihn, daß ER größer sei, denn alle andern Götter, darum muß ER das beste Haus haben. Aber es soll kein bloßes Wohnhaus Gottes werden, wie es die heidnischen Göttertempel waren, sondern eine Stätte heiligen Dienstes und der Anbetung im Geist. Salomo geht dem heidnischen König gegenüber sehr unumwunden heraus mit seiner Sprache. Er bekennt, auch wenn er mit der Welt zu thun hat, seinen Gott; er bekennt und verläugnet nicht, und zeigt uns damit den Weg, den wir auch gehen sollen.


3.
 Hiram, der König von Tyrus, der hier mit Salomo verhandelt, ist derselbe, der neben David gelebt hat und nun eine Reihe von Jahren noch mit Salomo zusammenlebt. Es| gibt Regenten mit einer solchen langen Reihe von Regierungsjahren, und nach der Schrift kann der Hiram, an den sich hier Salomo wendet, kein andrer als der Freund Davids gewesen sein, der die Freundschaft, die ihn mit dem Vater verband, nun auf dessen Sohn Salomo übertrug. Hiram der König von Tyrus ist ein treuer Freund Davids gewesen, aber er ist ein Heide. David hat Wohlgefallen an Hiram und Hiram liebt David, aber es ist dem David nie eingefallen, Hiram bekehren zu wollen, noch dem Hiram, sich zu bekehren. Hiram sagt in seinem Antwortschreiben an Salomo: Gelobt sei der HErr, der Gott Israels, der Himmel und Erde gemacht hat: das sagt er doch nicht blos, um dem Salomo eine Schmeichelei zu sagen. Es wird das wirklich seine Meinung gewesen sein. Aber trotzdem er weiß, daß Gott das Volk Israel zu solcher Höhe gehoben hat, trotzdem er es als eine Gnade Gottes gegen Israel preist, daß er ihm in Salomo einen so weisen König und Nachfolger Davids gegeben hat, bleibt er dennoch ein Heide. Hiram glaubt wohl, daß Jehovah sich das Volk Israel zu Seinem Volk erwählt und ihm das Land Canaan zu eigen gegeben habe, aber er glaubt, es gebe auch noch andre Götter, die ihm sein Land gegeben hätten. Er lebt des Glaubens: so manches Land, so mancher Gott. Er ehrt im Land Israels den Gott Israels und in seinem Land seine Götter. Er verehrt den Gott Israels und betet neben Ihm andre Götter an. Aber der HErr leidet keine anderen Götter, keine Mittelwesen oder Dämonen neben sich. ER ist der Götter Gott nur in dem Sinn, daß ER alle andern unter Seine Füße tritt. ER hat die Bande der Finsterniß schon bereit, in welche ER sie nach dem Gericht jenes großen Tages auf ewig schlagen wird. ER spricht ihnen das Wesen nicht ab, aber ER will allein angebetet sein. Das hat David| gethan sein Leben lang, daß er nur den Einen Gott ehrte und alle andern haßte und verachtete, Hiram aber treibt heidnische Religionsmengerei. Darum kann Hiram so reden, wie er redet, und kann es auch hören, wenn David und Salomo ein so entschiednes religiöses Bekenntniß ablegen, wie wenn Salomo hier sagt: Unser Gott ist größer denn alle Götter, ER füllt aller Himmel Himmel, ER braucht kein Haus zur Wohnung. Aber bei aller Willigkeit, den Gott Israels anzuerkennen, bleibt Hiram doch ein Heide, wenn ihm nicht etwa Gott vor seinem Ende noch eine besondre Gnade gegeben hat. Wie viel näher als Huram, der König, steht Huram Abif, der Künstler, den er dem Salomo zusandte, dem Volk des wahren Gottes und vielleicht auch dem wahren Gotte selbst. Seine Mutter war ja eine Tochter Israels aus dem Stamme Dan. Wie schnell mögen inmitten israelitischer Umgebung und während des Dienstes am heiligen Werk die Samenkörner, die mütterliche Unterweisung ohne Zweifel in seine Seele gelegt haben wird, aufgegangen und gereift sein zu völliger Erkenntniß des allein wahren Gottes. Hiram der König von Tyrus interessiert uns nur als Freund Davids und Salomos; viel näher steht uns der halbbürtige Israelit und Künstler des Heiligthums Huram Abif.
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