Der Ausbruch des Lammbaches bei Kienholz

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Textdaten
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Autor: Br.
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Titel: Der Ausbruch des Lammbaches bei Kienholz
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 647
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[647] Der Ausbruch des Lammbaches bei Kienholz. (Zu den Bildern S. 647 und 648.) Am oberen Ende des reizenden von hohen Bergen überragten Brienzer Sees im Berner Oberland liegen die freundlichen Ortschaften Brienz, Tracht und Kienholz. Sie stehen auf einer alten Kulturstätte, deren Kirche bereits im Jahre 1219 urkundlich genannt wird. In ihrer Nähe lag auch ein Schloß, in welchem die Berner im Jahre 1353 den Bund mit den Urkantonen geschlossen hatten. Es war aber ein unruhiger Boden, auf dem die Menschen sich hier angesiedelt hatten. Die Berge über Kienholz, aus welchen der Lammbach und der Schwandenbach kommen, waren seit uralten Zeiten von Wind und Wetter zernagt und häufig ereigneten sich in ihnen größere und kleinere Bergstürze. Kamen anhaltende Regen, so setzten sich die durchweichten Trümmermassen in Bewegung und dann stürzte mit unwiderstehlicher Gewalt ein Strom von Schlamm und Felsblöcken zu Thal und vernichtete alle Werke menschlichen Fleißes, die in seinem Wege lagen. Ein solcher gewaltiger „Murbruch“ ereignete sich vor beinahe 400 Jahren (1499) und vernichtete das Dorf Kienholz und das durch den Bundesschluß der Berner denkwürdige Schloß. Auf den wüsten Bergtrümmern siedelten sich jedoch von neuem Menschen an, aber die Murbrüche gaben ihnen keine Ruhe. Der Lamm- und der Schwandenbach brachen von Zeit zu Zeit aus und fügten Feldern und Hütten Schaden zu. In den jüngsten Tagen ereignete sich endlich eine gewaltige Katastrophe, die dem Unglück von l499 gleichzukommen scheint. Infolge starker Regen setzte sich Ende Mai ein Murgang im Bette des Lammbaches in Bewegung und erreichte nach einem Lauf von 1200 m Länge den Brienzer See. Damit waren aber die aufgerührten Bergmassen nicht zur Ruhe gekommen. Die Untersuchungen von Fachleuten führten zu der Erkenntnis, daß über kurz oder lang eine weitere Katastrophe zu befürchten sei und daß nunmehr die Orte Kienholz und Schwanden hart von ihr bedroht werden könnten.

Die Katastrophe bei Kienholz: Uebersicht über das Unfallgebiet.

Schon Ende August gingen diese Befürchtungen in Erfüllung. Am 21. August setzte sich der 300 m breite mit Steingeröll gefüllte Lammbach in Bewegung. Oben in den Bergen, wo das Gefälle steiler war, schossen die Geröllmassen mit rasender Geschwindigkeit vorwärts und rissen die steilen turmhohen Ufer des Murganges ein. In der Nähe des Dorfes Kienholz verlangsamte sich der Lauf der furchtbaren Geröllmasse und diesem Umstande verdanken die Einwohner die Rettung ihres Lebens. Die Bevölkerung zu Brienz wurde alarmiert und es gelang, die bewegliche Habe aus den Häusern und einen Teil der Ernte auf den Feldern zu retten. Nun aber ergossen sich die Massen gegen die Häuser. Von ihrer Wucht möge ein Beispiel zeugen. Ein Nebengebäude des Gasthauses „Wilhelm Tell“ wurde von dem Murbruch mit dem Fundament bis zum Seeufer fortbewegt, wo es schiefgeneigt stehen blieb. Der Bach zerstörte ferner den Damm der Brünigbahn und ergoß sich schließlich in den See. Gegen 200 Menschen sind bei dieser Katastrophe obdachlos geworden und haben ihre gesamte Habe verloren. Von unseren Abbildungen zeigt die eine die landschaftliche Lage von Kienholz, in der Mitte der Berge sieht man (bei L) die Schlucht, aus welcher der Lammbach hervorbricht, auf dem anderen Bilde die Geröllmassen des Murgangs und einen Teil der von ihm angerichteten Verwüstungen. Die Bilder sind nach Photographien hergestellt, die im Auftrage eines zur Linderung der Not in Brienz gebildeten Hilfskomitees aufgenommen wurden und zu Gunsten der so hart betroffenen Einwohner von Kienholz verkauft werden.

Nur durch kostspielige und lange Zeit in Anspruch nehmende Arbeiten dürfte es vielleicht möglich sein, ähnliche Katastrophen für die Zukunft zu verhüten. Bis dahin werden wohl die Einwohner der bedrohten Ortschaften ihre Wohnstätten räumen müssen. In die Lage der Unglücklichen können sich die Leser der „Gartenlaube“ wohl versetzen; ist doch der Kampf gegen das furchtbare Naturereignis des „Laufenden Berges“ dem trefflichen Hochlandsroman Ganghofers zu Grunde gelegt. *      

[648]

Die Katastrophe bei Kienholz: Einzelbild aus der Zerstörung.