Der Brautzug
[20] Der Brautzug. (Zu dem Bilde S. 4 und 5.) „Heisa, da sind wir! Dort steht das Schloß – aufgespielt, Musikanten, daß sie drin merken: der Brautzug kommt!“ So ruft der lustige Rat und schwenkt die Mütze, während der junge kranztragende Edelknecht an der Spitze sich im Sattel hebt und mit seiner grünumlaubten Standarte das Zeichen zum Fahnenschwenken drüben auf der altersgrauen Burgmauer giebt. Denn sie folgen ihm ja dicht auf den Fersen: der Burgherr in der Prachtrüstung mit dem Rautenkranz statt des Helmes, und auf schneeweißem Zelter an seiner Seite das minnigliche Bräutlein im kostbaren, hermelinbesetzten Brokatgewand, die schwere Schapelkrone auf den blonden Flechten. Sie lächelt so heiter und schalkhaft zu seinen geflüsterten Liebesworten, daß man wohl sieht: der schwarze Panzer macht ihr keine Furcht und um das Regiment auf der Burg wird sie nicht verlegen sein. Etwas dergleichen scheint auch der stattlichen Frau Mutter in Gedanken vorzuschweben; sie lächelt befriedigt nach ihrem liebreizenden Töchterlein hinüber, und der ergebungsvoll an ihrer Seite trottende Herr Gemahl sieht gerade aus, als ob er ebenfalls über dieses Kapitel einiges zu sagen wüßte! …
Aber wer wird sich um die Zukunft kümmern, heute, wo das lustige
Hochzeitsgeleite den grünen Wald entlang zieht, wo die große
Turnierfahne im Winde flattert und heller Sonnenschein seine Funken über die
Dahineilenden streut. Wald und Feld sind dieselben, die wir heute sehen,
aber der Künstler, der mehr sieht als andere Leute, läßt, indem er sie
mit diesem Brautzug belebt, ein fröhliches Stückchen Mittelalter an unserem
inneren Auge vorüberziehen. Bn.