Der Bunte Zelter
[140] Der bunte Zelter. Nach Hüon dem Spielmannskönig von Wilhelm Hertz. Das Gedicht, welches wir unter dem vorstehenden Titel den Lesern der „Gartenlaube“ vorführen (S. 136 bis 139), gehört in die Klasse der altfranzösischen sogenannten „Fabliaux“, deren Blüthe in das 13. Jahrhundert fällt. Es waren dies Novellen in Versen, welche sich in der wirklichen Welt abspielten und der Mehrzahl nach sehr derbe Gegenstände behandelten. Zu den feinsten und anmuthigsten dieser Gattung gehört „Der bunte Zelter“, welchen uns W. Hertz in meisterhafter Uebertragung vermittelt.
Der Titel „Spielmannskönig“ taucht bereits im 12. Jahrhundert auf, doch ist es da noch ungewiß, ob er ein bloßer Ehrentitel, oder ob eine Autorität über andere „Spielleute“ mit ihm verbunden war. Im 13. Jahrhundert ist das Letztere der Fall. Die Spielleute organisirten sich während desselben wie die übrigen Gewerbe zu Zünften, deren Vorstände den Titel „Spielmannskönig“ (le roy des menestrels oder einfach le roy) führten. Ein solcher scheint der Dichter Huon le roy gewesen zu sein, von dessen Schicksalen wir übrigens nichts weiter wissen, als daß er im 13. Jahrhundert gelebt hat. – Sechs Jahrhunderte also sind verflossen, seit dieser Spielmannskönig die Liebesgeschichte vom „bunten Zelter“ dichtete, welche heute noch mit dem allen echten Dichterwerken eigenen Zauber unvergänglicher Jugend jeden für Poesie empfänglichen Leser anmuthet.