Der Edle von Handschuchsheim
Ein Ritter fromm, von edlem Muth,
An Sitten hochgeehrt und gut,
Ging täglich in die Kirch zur Zeit,
Von seiner Burg nicht sonder weit.
Daß er sich niedersetzt in Ruh,
Und einschläft betend vor’m Altar,
Der Sanct Kathrina heilig war.
Ein’ Jungfrau sah er vor sich stehn,
Wie Spinngeweb’ voll Himmelsthau,
Wenn Morgenlicht auf Rosen schaut,
Von Diemant schien es eine Laube,
Voll Strahlen schien hindurch der Glaube.
Zwei schöne schwebende Jungfrauen,
Doch wie viel schöner die Gekrönte!
Aus tausend bunten Vögeln tönte.
Der Jüngling fürcht’ sich vor dem Wunder,
Sie sprach: „Da du doch edel bist,
Wie zeigst du dich unadelich,
Wir kommen darum, wie wir sollen,
Daß wir dich jetzt ansehen wollen,
In dieser deiner müden Ruh;
Willst du dir ein Gemahl gern freien
Hier unter uns erwähl von dreien!“
Da er nun diese Wort’ gehört,
Erwacht mit himmlischer Lieb durchgossen,
Seine Augen rannen von ihm erschlossen.
Ein’ Jungfrau sprach zu ihm da gnädig:
„Nimm Die, so jetzt mit dir geredet,
Kann ich jetzund versprechen dir,
Also ist sie vor Gott auch höher,
Und deiner Bitt Gewährung näher;
Ihr Namen ist dir wohlbekannt,
Darauf der Jüngling sie thät grüßen
Und fiel der Jungfrau still zu Füßen,
Hub an zu weinen inniglich,
Und bat die Heilige demüthiglich,
Allzeiten über ihn erbarmen.
Sie setzt’ ihm auf einen Rosenkranz,
Der gab von sich ein’n Sonnenglanz,
Und sprach: „Nimm diesen Kranz der Liebe
Verschwand also vor seinen Augen,
Mit ihren zweien Beijungfrauen.
Da nun der Ritter jetzt erwacht,
Hat er des Rosenkranz gedacht;
Thät ihn mit Wohlgeruch umwinden.
Nachdem es aber sich begab,
Daß man dem Ritter sehr oblag,
Und wider Willen muß er freien,
Ihm ward in seinem jungen Leben
Ein’ schöne, edle Jungfrau geben;
Ließ doch von der Gewohnheit nit,
All Tag er Kathrinen bitt’,
In seinen Nöthen nicht verlassen.
Da nun sein’ Hausfrau schwanger ging,
Sie einen Argwohn auch empfing,
Wenn er ging nach Kathrinen Kirche,
Er möcht’ vielleicht in diesen Tagen
Ein’ Andre lieber, dann sie, haben.
Einsmals bestellt sie eine Magd,
Zu der sie diese Worte sagt:
Die Magd sagt ihr aus bösem Sinn:
„Ich weiß wohl, wo er hingegangen;
Hat nach des Pfaffen Schwester Verlangen.“
Die Frau ward ob dem Wort betrübt,
Da nun der Herr zurücke kam,
Der Frauen Traurigkeit vernahm,
Fragt er, warum sie traurig wär?
Sie sagt, sie hörte böse Mähr,
Zu des Pfarr’s Schwester in die Schulen.
Er sagt: „Du hast nicht recht gehört,
Oder bist sonst worden bethört,
Die ich lieb hab in meiner Pflicht,
Es ist ein’ Andere zur Frist,
Die tausendmal viel schöner ist.“ –
Stand also auf von seinem Bett,
Als wenn er noch zu buhlen hätt,
Wie vor auch zu Sanct Katharin.
Ob dieser Antwort das Gemüth
Der edlen Frau war tief betrübt,
Sie sprang im Zorn vom Bett herab,
Der Ritter vom Gebet heim kam,
Die Trauerbotschaft nun vernahm,
Sah sein Gemahl des Tods verschieden,
Und dort im Blut umwälzet liegen,
Daß er in ein Ohnmacht hinfiel.
Da er nun wieder zu sich kam,
Hub bitterlich zu weinen an,
Klopft an sein Herz, rauft aus sein Haar,
„O heilge, heilge Katharin,
Sieh an, in welcher Noth ich bin!
Ach, ich hab’ meine Treu verloren,
Und bin meineidig an dir worden!“
Zur Kirche der Sanct Katharin,
Mit Seufzen er sein’ Bitt vorbracht,
Bis um ihn her war dunkle Nacht,
Und traurig prächtig Stern bei Stern
Mit ihren Jungfrau’n da erschien
Die heilge Jungfrau Katharin,
Dem Ritter, der vor dem Altar
Da lag und halb entschlafen war;
Mit ihren beiden Beijungfrauen.
Sie sprach zu ihm: „Haft Unrecht than,
Daß du mich so verlassen, Mann!
Auf dich genommen andre Last,
Doch hast du mich zierlichermaßen
Geliebt und doch nicht ganz verlassen.
Steh’ auf und geh mit Freuden heim,
Dir soll diesmal geholfen seyn.
Hat eine Tochter dir geboren.
Die wird dir lange Zeit nachleben,
Der sollst du meinen Namen geben.
In ihrem Gebet wird sie sich üben,
Also, daß sie in einem Jahr
Den Großvater aus großer Gefahr
Des Fegfeuers erlösen wird,
Der immer noch im Feuer irrt.“ –
Die Thränen ihre Hand’ einsaugen.
Doch wie der Birken weiße Rinde,
So wächst ein Handschuh davon geschwinde
Auf ihren Händen weiß wie Schnee,
Der fällt und weckt ihn am Altar,
Da er vor Kummer schlafen war.
Da findet er den Handschuh weiß,
Wie Niemand ihn zu weben weiß.
Denn Euer Gemahl, die lebet wieder,
Und hat in diese Welt geboren,
Ein’ schöne Tochter auserkoren.“
Ob dieser fröhlichen Botschaft
Stand auf und dankte Katharin,
Den Handschuh steckt zum Helme kühn,
Zog wiederum zu seiner Frauen,
Die er mit Freuden an thut schauen,
Drückt sie zu sich an seinen Leib,
Fing an zu weinen gleich dem Kind,
Bat um Verzeihung seiner Sünd.
Drauf sprach die Frau: „Wir sollen loben
Denn da ich mich vor Leid getödtet,
Und lag in allen meinen Nöthen
Zu mir schon kamen höll’sche Knaben,
Mein’ Seel sie wollten genommen haben,
Für mich gebeten; Gott verziehn,
Daß er den Leib der Seel noch ließe,
Daß sie in ihm noch konnte büßen.“
Die Frau ließ drum ein Kloster bauen,
Der Ritter zog in’s heilge Land,
Vom Handschuh große Kraft empfand;
Den Rosenkranz, den Handschuh weiß
In’s Kloster gab nach seiner Reis’;
Dort ist der Handschuh noch zu schauen,[2]
Und manch ein Lied und manch ein Reim
Preißt noch die Herrn von Handschuchsheim.[3]
[457] Obige alte Legende nebst den Anmerkungen ist mitgetheilt in J. Baader’s „Sagen der Pfalz, der Bergstraße und des Odenwalds.“ (Mannheim, Verlag von Bassermann, S. 307. u. f.)
- ↑ An der Westseite der Kirche im „Nonnengarten“ trifft man Fundamente und Gewölbe des Frauenklosters, welches einst hier bestand und unter dem Namen der „Jungfrauen in der Klause,“ so wie der „Mutter und Schwestern in der Klause“ in alten Weißthümern des sechszehnten Jahrhunderts und im Lorscher Judicialbuche vorkommt.(Leonhords „Freundenbuch für Heidelberg etc.“ S. 189).
- ↑ In der Kirche zu Handschuchsheim befinden sich viele Grabsteine, Monumente, Wappen etc. welche sich auf die Edlen von Handschuchsheim beziehen und durch das Familienwappen, einen silbernen Handschuh im blauen Felde, kenntlich sind.
- ↑ [457] Ueber 500 Jahre hindurch stand das uralte Geschlecht der Handschuchsheimer in Blüthe und großem Ansehen, bis der Letzte des Stammes, Johann von Handschuchsheim, im Jahr 1600 von Friederich von Hirschhorn in einem Zweikampfe auf dem Marktplatze zu Heidelberg erstochen wurde. Ein Denkmal in der Handschuchsheimer Kirche, den letzten Herrn von Handschuchsheim in voller Kriegsrüstung darstellend, mit einem Löwen zu Füßen, hat folgende, auf jene That bezügliche Inschrift:
„Als man zählt 1583 Jahr,
In der Nacht den 25. Juni zwar,
Ward geboren Hanns von Hantschuchsheim.
Auf Einen stunde der Adeliche stamm allein.
5Von Kurfürst Friedrichen Pfalzgraven bei Rhein
Ward beschrieben gen hoffe zu reiten ein.
Zu dienen stellt er sich gehorsamlich dar,
Sein’s Alters fünfzehn und ein halbes Jahr.
Zu Heidelberg auf dem Markt bei Nacht
10Friedrich von Hirschhorn in hardt stach
Den 14. Decembris im sechzehnhundertsten Jahr.
Ueber siebenzehn Tag hernach sein Leben endet gahr.
Alles ist gegeben in des Herrn handt.
Er lößt keine Uebelthat ohnbelandt.
15Ob ich schon zeitlich werde gerücket hin,
Sterben ist meines lebens gewinn.“