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Der Fuchs bei Schmiedefeld

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Textdaten
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Autor: Friedrich Bernhard Störzner
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Titel: Der Fuchs bei Schmiedefeld
Untertitel:
aus: Was die Heimat erzählt. Sagen, geschichtliche Bilder und denkwürdige Begebenheiten aus Sachsen, S. 161–165
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Arwed Strauch
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Digitalisat der SLUB Dresden und bei Commons
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69. Der Fuchs bei Schmiedefeld.

Wer je von den freundlichen Lesern aus der Bautzener Landstraße dahingewandert ist, dem wird auch der altehrwürdige Gasthof „zum Fuchs“ bei dem Dorfe Schmiedefeld nicht unbekannt sein. Gewiß hat er auch hier, vom Wandern ermüdet, eine kurze Rast gehalten. Dieses Gasthaus, an dessen westlichem Giebel eine zweihundertjährige Linde steht, feierte im Jahre 1897 ein Jubiläum. Wie eine Jahreszahl über der Haustüre nach dem Hofe zu beweist, wurde das Gebäude im Jahre 1797 neuerbaut.

An den „Fuchs“ bei Schmiedefeld knüpft sich so manche geschichtliche Erinnerung. Seine Gründung fällt in eine sehr frühe Zeit.

Hofraum des Gasthofes „zum Fuchs“ bei Schmiedefeld.

Um dem Bedürfnisse der Reisenden entgegenzukommen, wurden hier und dort an der im 12. Jahrhundert erbauten Bautzener Landstraße Häuser errichtet, in denen die Reisenden Unterkunft und Verpflegung fanden. Auch da, wo heute der „Fuchs“ steht, errichtete man ein Unterkunftshaus für die Fremden, nebenan auch eine Feldschmiede, die heute ebenfalls noch besteht. So wurden beide Gebäude der Anfang vom heutigen Dorfe Schmiedefeld, das fünf Minuten seitwärts liegt.

Das Dorf Schmiedefeld war schon im Jahre 1221 vorhanden und führte damals den Namen „Schmidvelt“. Mit der Zeit entwickelte sich der gegenwärtige Name.

Welchen Namen das hier an der Bautzener Landstraße errichtete Unterkunftshaus ursprünglich führte, weiß man nicht. Im 17. Jahrhunderte wurde dasselbe „der Weiße Fuchs“ genannt, später „Gasthof zu den drei Linden“. Diesen Namen führte das Gasthaus bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Vor dem Gebäude standen damals drei große, stattliche Linden, welche der Gastwirt Richter aber abschlagen ließ. Nach dem Jahre 1850 entsteht der [162] Name „der Dürre Fuchs“, und diese Bezeichnung führt der Gasthof noch heutigen Tages. – Dieser Name dürfte zu der Annahme führen, daß in frühsten Zeiten hier Füchse keine Seltenheit waren. Man gab damals Orten oder einzelstehenden Gebäuden Namen aus sehr naheliegenden Ursachen. –

„Der Fuchs“, seit Jahrhunderten an einer vielbenützten Heer- und Handelsstraße gelegen, hat alle Wechselfälle der Zeiten durchgemacht, und wenn dieser uralte Gasthof seine Erlebnisse vom Anfang bis zur Gegenwart erzählen könnte, so würden sicherlich ganze Bände gefüllt werden, und wir erhielten einen hochinteressanten Beitrag zur Geschichte unserer Heimat. An ihm vorüber sind alle jene Heeresmassen gezogen, welche je auf sächsischem Boden gestritten haben. In den Kriegszeiten wurden seine Bewohner wiederholt geplündert. Oftmals flüchteten die Bewohner mit den übrigen des Ortes in die umliegenden Wälder und ließen die Feinde schalten und walten, wie diese wollten. Wiederholt mußten die Gebäude aus den Trümmern wieder aufgebaut werden.

Interessante Einzelheiten knüpfen sich an den „Fuchs“ besonders während der Freiheitskriege. Hier im „Fuchs“ nahm Napoleon wiederholt Quartier, und noch heute zeigt man jenes Zimmer, in dem er einst wohnte. Bis vor einigen Jahren war noch eine Fensterscheibe vorhanden, in die Napoleon seinen Namenszug mit einem Diamanten gekritzelt hatte. Diese Fensterscheibe ist aber zerbrochen worden und leider verloren gegangen. Auch der Kaiser Alexander von Rußland hat dreimal Quartier im „Fuchs“ genommen. Der damaligen Wirtin, die eine sehr schöne Frau war, soll er bei seinem Abschiede eine Backmulde voller Dukaten geschenkt haben. –

Zum ersten Male nahm Napoleon am 17. Juli 1807 im „Fuchs“ Quartier. Damals eilten Tausende von Menschen aus der weitesten Umgebung hierher, um Napoleon zu sehen, der einen so großen Druck auf Sachsen in jener Zeit ausübte. –

Im Jahre 1813 sah der „Fuchs“ auch die Trümmer von Napoleons Heere, das dieser nach Rußland geführt hatte. Einige Monate vorher, im Winter 1812, war Napoleon selbst als Flüchtling durch Schmiedefeld geeilt. Hier hatte er einige Stunden Aufenthalt genommen und zwar in der alten Posthalterei, um die Pferde vor seinem Schlitten auswechseln zu lassen. Die ersten Trümmer seines stolzen Heeres kamen im Februar 1813 auf dem „Fuchse“ an, aber in einem Zustande, der auch den Gefühllosen zum Mitleide bewegen mußte. In Transporten von 50 bis 80 Wagen wurden die Kranken, Verwundeten, Sterbenden in naßkalter Witterung Tage und Wochen hindurch von Polen hergefahren, doch waren sie ohne Pflege und Lebensmittel. Vor Regen, Schnee und Wind fanden sie in den offenen Wagen keinen Schutz und erstarrten förmlich vor Kälte. Da spielten sich hier gar jammervolle Scenen ab. Diejenigen Soldaten, die noch gesund waren, kamen am Stocke als wandelnde Leichen dahergeschwankt, halb verhungert, dazu waren die Kleider ganz und gar abgerissen. Auf den Knieen flehten die heimkehrenden Krieger Napoleons die Bewohner des „Fuchses“ und des nahen Dorfes um einen Bissen Brot und küßten ihn dann, bevor sie denselben zum Munde führten. Trockene Kartoffeln waren den Soldaten ein Leckerbissen, freilich ein halbes Jahr früher hatten die nach Rußland ziehenden Krieger andere Ansprüche gemacht. Damals war es auf dem „Fuchse“ vorgekommen, daß die Franzosen Brote aushöhlten, mit ihrem Kote verunreinigten und dann im Hofe umherrollten. Jetzt wären sie froh gewesen, wenn sie hätten Brot empfangen können.

Im März 1813 zogen die Russen am „Fuchse“ vorüber, welche die [163] geflohenen Franzosen verfolgten. Diese Durchmärsche dauerten bis Anfang Mai. Schlimmere Zeiten erlebte der „Fuchs“ im Mai des Jahres 1813. Da hörten die Durchmärsche der Heere nicht auf, das Plündern und Rauben schien kein Ende nehmen zu wollen. Was die Franzosen nicht nahmen, das begehrten die Russen. Am 12. Mai Vormittags entspann sich am „Fuchs“ nach dem Kapellenberge zu ein heftiger Kampf zwischen Russen und Franzosen. Der „Fuchs“ war von den Franzosen in ein festes Blockhaus umgewandelt worden. Die Steine, auf welchen die mächtigen Tore ruhten, sind noch heute zu sehen. Die Russen hatten den Kapellenberg, die Franzosen das Dorf Schmiedefeld besetzt. Bei diesem Kampfe gingen 39 Gebäude des Dorfes in Flammen auf. Die übrigen Gebäude des Ortes waren durch die Soldaten so arg zerstört worden, daß von 143 Gebäuden Schmiedefelds nur noch drei bewohnt werden konnten. „Der Fuchs“ war noch am besten weggekommen. Das feste Blockhaus hatte guten Widerstand geleistet. Jetzt wurde der „Fuchs“ zu einem Lazarett eingerichtet. Alle Räume desselben wurden mit Verwundeten aller Art angefüllt. Das Jammern war groß. Manche starben, noch ehe ärztliche Hilfe kam. Vom „Fuchse“ aus wurden die Verwundeten nach Dresden in das Hauptlazarett gebracht. Zu diesem Zwecke beorderte man die Bewohner der umliegenden Dörfer, mit Schubkarren nach dem „Fuchse“ zu kommen, um die Verwundeten auf denselben nach Dresden zu bringen. So mußten allein an einem Tage 300 Schubkarren auf dem „Fuchse“ eintreffen. Die Toten begrub man auf den umliegenden Feldern, wo sie heute noch ruhen, da ist der Russe neben den Franzosen gebettet. Beim Ackern und Drainieren sind wiederholt Waffenstücke gefunden worden. Da fand man Hufeisen, Waffenknöpfe, Sporen, auch Münzen. Erst vor wenigen Jahren fand der jetzige Besitzer des Gasthauses „zum Fuchs“, Herr Richter, einige Goldstücke, sogenannte Dukaten, auf einem Acker beim Kleehauen. Noch heute werden solche hier gefunden.

Der „Fuchs“ bei Schmiedefeld.

Gebler, ein geborener Großröhrsdorfer, berichtet in seinen damals gemachten Aufzeichnungen folgendes:

„Am 22. Mai nach der Schlacht bei Bautzen kamen Scharen von Verwundeten auf allen Straßen zwischen Bautzen und Dresden. Diejenigen, welche nicht zu gehen vermochten, wurden auf Wagen und in Ermangelung [164] solcher, auf Schiebeböcken in’s Lazarett nach Dresden gefahren. Da gab es Jammer zu sehen! Verstümmelte Glieder, weitklaffende Wunden, – aber die Gewohnheit hatte das Gefühl abgestumpft. Da in den Ortschaften unserer Gegend Pferde und Wagen selten geworden waren, so mußten auch von hier aus viele Männer mit Schiebeböcken gestellt werden. So wurden denn die armen Menschen auf holprigen Wegen über Steine und Pflaster gefahren und lagen gewöhnlich nur auf ein wenig Stroh ohne weiche Unterlage. Manche Unbarmherzige schoben die scheinbar Toten von ihren Wagen oder Schiebeböcken und kümmerten sich nicht darum, ob sie auch die Augen wieder aufschlugen. Am 30. Mai mußte Großröhrsdorf 50 Schiebeböcke mit etwas Stroh versehen und zu jedem zwei starke Männer auf den „Fuchs“ bei Schmiedefeld schicken, um Verwundete nach Dresden zu fahren. In gleicher Weise mußte das Dorf am 4. Juni 40 Schiebeböcke auf den „Fuchs“ besorgen; wo die unglücklichen Passagiere auf gleichen Fuhrwerken von Bautzen her ankamen, und denselben Tag nochmalige 40 Schiebeböcke, bemannt wie die vorigen, ebenfalls auf den „Fuchs“. –

Was für ein Wogen und Drängen in jener Zeit auf dem „Fuchse“ gewesen sein muß, kann man daraus schließen, was der damalige Pastor Jacob in Schmiedefeld hierüber wörtlich berichtet:

„In diesem Jahre 1813 hatte Schmiedefeld an Einquartierung 4 Divisions- und 10 Brigadegeneräle, 32 Oberste, 28 Oberstleutnants, 49 Majore, 387 Oberoffiziere, 468 Unteroffiziere, 33884 Gemeine, 538 Pferde, für welche ebensoviel Rationen geschafft werden mußten, 213 Spannpferde. Dazu mußte das Dorf 80 Wagen und 2 Chaisen, 14 reitende und 144 Fußboten stellen. Die Mannschaften kosteten der Gemeinde 12657 Taler 16 Groschen, die Rationen für die Pferde 2294 Taler 4 Groschen, die Spannwagen 242 Taler 12 Groschen, die Boten 27 Taler 18 Groschen und die Hauptsumme 15322 Taler 2 Groschen. Was geliefert worden ist an Wagen, Vieh, Heu und Stroh, nebst der ganzen Ernte beträgt 43608 Taler 16 Groschen, nämlich 240 Taler 8 Groschen war die Lieferung und die Prästande, 43368 Taler 8 Groschen mit Inbegriff des Schanzens, Todtenbegrabens und Pferdeverscharrens.“

Bis in den Herbst 1813 hinein waren die Kriegslager in der Nähe des Fuchses aufgeschlagen. Die Bewohner des Fuchses und des nahen Dorfes hielten oft tagelang in den umliegenden Wäldern sich an verborgenen Schlupfwinkeln auf, da sie vielfach des Lebens nicht sicher waren. Nur zur Nachtzeit wagten sie sich schüchtern herbei, um zu sehen, wie alles stehe und ob ihr Heim noch erhalten sei oder nicht. Ließen die Bewohner sich sehen, so wurden sie oft mißhandelt und bis auf den Tod geängstet. Ruhigere Zeiten traten erst mit dem Jahre 1814 ein. Über das sonstige Verkehrsleben im „Fuchs“ vergl. „Schmiedefeld vor 60 Jahren“.

An die verkehrsreiche Zeit erinnern heute die großen Gastzimmer, der weite Hof, die große Küche, die umfangreichen Stallungen.

Der Aufenthalt auf dem „Fuchse“ ist auch heute noch nicht uninteressant. Die altehrwürdigen Gebäude reden zu dem, der Sinn für die Vergangenheit hat. Sie erinnern ihn lebhaft an den Wechsel der Zeiten. Die Jahrhunderte ziehen an seinem Geiste vorüber. Vor seinem Auge entrollt sich ein interessantes Bild nach dem anderen, von der Gründung der Bautzener Landstraße an bis zur Gegenwart.

Nimmt man Platz am Fenster des geräumigen Gastzimmers, mit dem Blick nach der Landstraße zu, oder setzt man sich zu längerer Rast an einem [165] Sommerabende unter die jahrhundertalte „Fuchslinde“ draußen im Garten, welche mit ihrem weitausgebreiteten Blätterdache das Gasthaus überschattet, dann nimmt man wahr, daß die Bautzener Straße, welche hier hart vorüberführt, auch heute nicht ganz verkehrsarm ist. Da jagen Kutschen und Landauer vorüber, Lastwagen schleichen träge dahin, Radfahrer und Automobilisten fliegen vorbei, Wanderer ziehen daher, und zum Abend finden sich auch einige Stammgäste aus den nächsten Dörfern auf dem „Fuchse“ ein, um hier nach getanem Tagewerke sich zu erholen, besonders ist das an Sonn- und Festtagen der Fall. Da nimmt man vielfach den „Fuchs“ als Wanderziel. Aber auch im Winter hat der „Fuchs“ bei Schmiedefeld seine Gäste. Selbst beim unfreundlichsten Wetter tritt noch ein Jäger mit seinem Hunde über die gastliche Schwelle, kehrt noch ein Last- oder Holzfuhrmann hier ein. Hat man dann seinen Platz neben dem dunklen Kachelofen, mit dem Blicke hinaus auf die Landstraße und hinüber nach dem Waldessaume, dann läßt es sich gemütlich hier sitzen und plaudern oder einsam seinen Gedanken nachhängen. Haben an einem Winterabend so verschiedene Gäste sich hier zusammengefunden, dann kommt es ab und zu auch vor, daß ein Alter im weißen Haare, der die früheren Zeiten noch kennengelernt hat, aus jenen vergangenen Tagen erzählt, während der Wintersturm durch’s Geäst der alten „Fuchslinde“ braust. Das klingt dann wie ein Märchen aus früheren Jahrhunderten.