Der Graf von Zollern
Der Graf von Zollern.[1]
Schwäbische Romanze.
Der junge Hohenzoller-Graf
Er dient dem Würtemberger brav,
Er dient ihm redlich früh und spat
In Jagd und Feld, im Feld und Rath.
Die Wittw’ im Lande Meister ward,
Da sattelt’ er sein Roß und spricht:
Fahrt wohl, dem Weibe dien’ ich nicht!
Sein Knappe sprach: Herr, das ist schlimm!
Er aber lachte trotziglich:
„Es wird kein Weib verschlingen mich!“
Er rief so laut es unter’m Thor,
Da drang es in der Herrin Ohr;
Traf ihn ein Bot’ am vollen Glas.
Der reicht ein kleines Brieflein hin
Ihm von der Würtembergerin;
Er zieht die Augen ein so tief:
„Verschlingen alleweg will ich
Dein Gut, dein Schloß, dein Leben, dich!
Kein feiges Weib, wie du geglaubt,
Es traf dein Hohn ein Fürstenhaupt!“
Entgegnet spottend ihm der Graf:
Doch anders hab’ ich jetzt zu thun;
Die Städte lassen mich nicht ruh’n.
Von Reutlingen, von Ulm die Herr’n
Es ist auf ihr beladnes Roß
Gefallen gar zu oft mein Troß.“
Und indem zog der helle Hauf’
Der Städter aus dem Thal herauf;
Der junge Graf bestellt sein Haus.
Er zieht die Flügelbrück’ empor,
Verriegelt wohl sein neunfach Thor;
Die Knechte führt er auf den Wall,
Und frohen Muthes bleibt der Held,
Es mangelt ihm nicht Speis’ und Geld,
Er schmaust und zecht ein ganzes Jahr: –
Zum Abzug bläst der Feinde Schaar.
Zweitausend sind es oder mehr.
Der Knappe spricht: „Gnad’ uns o Christ!
Die würtemberg’sche Fahn’ es ist!“
Der kühne Graf kämpft noch ein Jahr,
Er beißt die Lippen sich vor Wuth:
„Verschlungen hat sie doch mein Gut!“
Die Thore schließt er traurig auf,
Es zieht herein der Feinde Hauf,
Die Würtemberger lachen drein.
Nach Stuttgart führt man ihn zu Roß:
„Verschlungen habt Ihr, Frau, mein Schloß.
Ihr ließet mir kein Lösepfand, –
Die stolze Gräfin winket stumm,
Und lächelt arg und kehrt sich um,
Ins ferne Land, in einen Thurm,
Schickt sie den Feind zu Molch und Wurm.
Sein Haar wird grau, sein Blick löscht aus,
Da sinkt er traurig in das Knie:
„Verschlungen hat mein Leben sie!“
Und seines Kerkers Pforte springt,
„Im Grabe liegt das grimme Weib;
Frey seyd Ihr, Herr! an Seel’ und Leib!
Er tritt hervor ans Himmelslicht,
Und hebt sein bleiches Angesicht,
„Fort, fort in das gelobte Land!“
„Mich hat sie mir gelassen, mich!“
Er schwingt, wie sonst, zu Rosse sich,
Er fliegt durch die besonnte Flur,
Er springt vom Roß, er steigt ins Schiff,
Er schwimmt vorbei am Felsenriff,
Er ist der erste auf dem Strand;
Er fasset das gelobte Land. –
Und seine Brust die Kerkerluft;
Die Kraft, im Innersten versehrt,
Ihr Letztes hat sie aufgezehrt.
Dem Knappen sinkt er in den Arm,
Der Morgenwind umhaucht ihn warm;
Sein sterbend Haupt, es neiget sich,
Er seufzt: „verschlungen hat sie mich!“
Gustav Schwab.
- ↑ Probe aus der Schrift: Die Neckarseite der würtemb. Alb; Wegweiser und Reisebeschreibung. Mit Romanzen, Stuttg. Metzler. 1823.