Der Königssohn (Uhland)
Der alte, graue König sitzt
Auf seiner Väter Throne,
Sein Mantel glänzt wie Abendroth,
Wie sinkende Sonn’ die Krone.
Euch theil’ ich meine Lande.
Mein dritter Sohn, mein liebstes Kind!
Was lass’ ich dir zum Pfande?“
„Gib mir von allen Schätzen nur
Gib mir drei Schiffe! so fahr’ ich hin,
Und suche nach einem Throne.“
Der Jüngling steht auf dem Verdeck,
Sieht seine Schiffe fahren,
Mit seinen goldnen Haaren.
Das Ruder schallt, das Segel schwillt,
Die bunten Wimpel fliegen,
Meerfrauen mit Gesang und Spiel
Er spricht: „Das ist mein Königreich,
Das frei und lustig streifet,
Das um die träge Erde her
Auf blauen Fluten schweifet.“
Mit Sturm und mit Gewitter.
Die Blitze zucken aus der Nacht,
Die Maste springen in Splitter.
Und Wogen stürzen auf das Schiff,
Verschlungen ist der Königssohn
Sammt seinem lust’gen Reiche.
Versunken, wehe, Mast und Kiel!
Der Schiffer Ruf verschollen!
Um den die Wogen rollen?
Er schlägt mit starkem Arm die Flut
Und fürchtet die Wellen wenig,
Trägt hoch das Haupt mit goldner Kron’,
Ein Königssohn, mir aber ist
Die Heimath längst verloren.
Erst hat die schwache Mutter mich,
Die irdische, geboren.
Das starke Meer, mich wieder.
In Riesenarmen wiegte sie
Mich selbst und meine Brüder.
Die Andern all ertrugen’s nicht,
Zum Reiche wohl erkor sie mir
All diese weiten Lande.
Was spähest du nach der Angel
Vom Morgen bis zur Nacht,
Kein Fischlein aufgebracht?
Ich angle nicht nach Fischen,
Ich sah in Meeresschacht,
Wohl jeder Angel allzu tief,
Wie schreitet königlich der Leu!
Schüttelt die Mähn’ in die Lüfte.
Er ruft sein Machtgebot
Durch Wälder und Klüfte.
Mit dem Speer in starker Hand,
Um die Schultern mir schürzen
Sein Goldgewand.
Der Aar, ein König, schwebet auf,
Will langen sich zur Kron’ herab
Die goldene Sonne.
Doch in den Wolken hoch
Soll ihn fahen und spießen
Daß er mir sinke zu Füßen.
Im Walde läuft ein wildes Pferd,
Hat nie den Zaum gelitten,
Goldfalb, mit langer, dichter Mähn’,
Der Königssohn, er fängt es ein,
Hat sich hinauf geschwungen,
Es bläht die Brust und schwingt den Schweif,
Kömmt wiehernd hergesprungen.
Die in den Thälern hausen.
Sie hören’s vom Gebirge her
Wie Sturm und Donner brausen.
Da sprengt herab der Königssohn,
Des wilden Rosses Mähne fleugt,
Die Hufe Feuer streuen.
Da drängt sich alles Volk herzu
Mit Jubel und Gesange:
Den wir erharrt so lange!“
Es steht ein hoher, schroffer Fels,
Darum die Adler fliegen,
Doch wagt sich keiner drauf herab,
In alten Mauern liegt er dort,
Mit seinem goldnen Kamme,
Er rasselt mit der Schuppenhaut,
Er hauchet Dampf und Flamme.
Ist keck hinaufgedrungen,
Die Arme wirft er um die Schlang’
Und hält sie fest umrungen.
Er küßt sie dreimal in den Schlund,
Er hält im Arm ein holdes Weib,
Das schönst’ in allen Reichen.
Die herrliche, gekrönte Braut
Hat er am Herzen liegen,
Ein Königsschloß gestiegen.
Der König und die Königin,
Sie stehen auf dem Throne,
Da glüht der Thron wie Morgenroth,
Viel stolze Ritter stehn umher,
Die Schwerdter in den Händen,
Sie können ihre Augen nicht
Vom lichten Throne wenden.
An seine Harf’ gelehnet,
Er fühlet, daß die Zeit erschien,
Die er so lang ersehnet.
Und plötzlich springt vom hohen Glanz
Er schaut hinauf und wird nicht satt
Der Herrlichkeit und Fülle.
Er greifet in sein Saitenspiel,
Das ist gar hell erklungen,
Sein Schwanenlied gesungen.