Jungfrau Sieglinde (Uhland)
Das war Jungfrau Sieglinde,
Die wollte früh aufstehn,
Mir ihrem Hofgesinde
Zum Frauenmünster gehn.
Mit Blumen und Geschmeide,
Das ward zu großem Leide.
Es stehn drei Lindenbäume
Wohl vor der Kirchenpfort’;
Der sprach viel leise Wort’:
„Was Gold, was Edelsteine!
Hätt’ ich der Blumen eine
Aus deinem Kranz, du Feine!“
Da trieb der Wind sein Spiel,
Daß aus der Blumen Kreise
Die schönste Rose fiel.
Herr Heime thät sich bücken,
Damit wollt’ er sich schmücken.
Da war ein alter Ritter
In Siegelindens Chor,
Dem war es leid und bitter,
„Muß ich dich Hofzucht lehren?
Darfst du vom Kranz der Ehren
Ein Läublein nur begehren?“
O weh dem Garten immer,
O Heil den Linden nimmer,
Wo solcher Streit erwacht!
Wie klangen da die Degen,
Bis unter wilden Schlägen
Sieglinde beugt’ sich nieder
Und nahm die Ros’ empor,
Steckt’ in den Kranz sie wieder,
Und ging zur Kirche vor.
Mit Blumen und Geschmeide,
Wer thät ihr was zu Leide?
Vor Sankt Mariens Bilde
Nahm sie herab die Kron’:
Kein Blümlein kam davon.
Der Welt will ich entsagen,
Den heil’gen Schleier tragen
Und um die Todten klagen.“