Der Kirchgang
[418] Der Kirchgang. (Zu dem Bilde S. 392 u. 393.) Einen Sonntag in ländlicher Stille führt uns das anmuthige Bild von Salentin vor, einen wunderschönen Sommersonntag; die Rosen blühen und die Bewohner des reizend im badischen Schwarzwald, im sogenannten Hauensteinerland gelegenen Dorfes wandern im Sonntagsstaat zur Kirche: die Männer angethan mit dem „Mutschenhemd“ und ausgelegter Halskrause, kurzen gefältelten Pumphosen oder „Hotzen“, dem eigenartigen rothen, unten mit einer breiten Goldborte besetzten „Brusttuche“, der langen schwarzen Jacke, der Pelzmütze, mit weißen Strümpfen und Schuhen – die Mädchen in der schwarzen „Plunderkappe“ mit goldgesticktem Boden, im rothen Leibchen mit gesticktem „Brustlatz“ und in dem grünen [419] „Schopen“, einer kurzen Jacke mit Aermeln. Eine lange schwarze Seidenschürze, breite, in die Zöpfe geflochtene Bänder und weiße Strümpfe nebst rothen Laschenschuhen vervollständigen ihre malerische Tracht.
In solchem festlichen Putze sehen wir eine Familie, einen noch jungen Mann, statt seiner kranken Frau sein altes Mütterlein am Arme, mit seinen beiden Kindern und seiner sittsam voranschreitenden Schwester zur Kirche wallen. Es ist noch ziemlich früh, denn noch sind außer ihnen nur wenige Kirchgänger sichtbar. Gleichwohl haben sich schon einige frische Burschen hart neben dem Eingang zum Kirchhof auf die Mauer gesetzt, um über die jungen Mädchen, die hier vorbei müssen, eine ehrsame und stille, aber äußerst vergnügliche Parade abzunehmen. Und sie haben heute Glück, die Drei! Da kommt ja gleich zu Anfang die schöne Monika, auf die im geheimen schon mancher ein Auge geworfen hat. Die reizende Blondine kennt ihre Leute wohl und weiß auch, weshalb sie dasitzen, aber sie blickt nicht auf, sondern geht mit züchtig niedergeschlagenen Augen an ihnen vorüber. Zwei der jungen Bursche schauen ihr nun mit offenbarer Bewunderung ins erröthende Antlitz. Der erste hat sogar die Pfeife aus dem Munde genommen und denkt wohl: „Dunder und ’s Wetter, ischt des Maidli sufer (sauber, hübsch)!“ Der zweite aber weiß, daß die Pfeife ihren Mann ziert, und schmaucht deshalb ruhig weiter. Auf seinem hübschen Gesicht kann man jedoch lesen, daß er bei sich beschließt: „Bi Gott, die g’fallt m’r – die muß mi Schate werde!“
Der dritte guckt nach der andern Seite, wahrscheinlich weil er meint. „Die will doch nix von mir!“ Vielleicht hat ihm die hübsche Hauensteinerin dies schon zu verstehen gegeben und er „trutzt“ deshalb und denkt: „Die b’sieh’ i nimmer mehr!“ Wer kann überhaupt wissen, was so ein junger „Hotze“ – diesen Uebernamen giebt man gewöhnlich scherzweise den Hauensteinern – alles denkt!