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Der Schutz unserer Küsten

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Textdaten
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Autor: M. E. Plankenau
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Titel: Der Schutz unserer Küsten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 535–539
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[535]
Der Schutz unserer deutschen Küsten.
Von M. E. Plankenau.
Die Franzosen in den deutschen Meeren. – Panzerschiffe im Kampfe mit Strandbatterien. – Sperrung der Häfen. – Torpedos. – Einrichtung und Füllung derselben. – Selbstthätige Torpedos. – Das Explodiren. – Aussichten der französischen Flotte in der Ostsee.

Unsere sanguinischen Erbfeinde, deren militärischer Spaziergang nach Berlin schon im Aussetzen so jämmerlich mißglückte, schwärmten in gleicher Selbstüberhebung für eine den Krieg entscheidende Spazierfahrt nach der deutschen Küste. Die französische Seemacht ist allerdings sehr bedeutend und vortrefflich organisirt; jedenfalls ist ihr auch eine wichtige Rolle zuertheilt; dennoch wird sie die Entscheidung dieses Kampfes nicht wesentlich beeinflussen können, so lange nicht Dänemark aus seiner Neutralität heraustritt. Würde sich dieser Fall ereignen, so wäre für Frankreich ein Stützpunkt gefunden, von dem aus es uns sehr ernstlich bedrohen könnte, und deswegen wurde Alles aufgeboten, um das uns benachbarte Inselvolk zur Betheiligung am Rachezuge gegen alles Deutschthum aufzureizen. Bis jetzt sind diese Versuche gescheitert, und wir stehen dem Feinde zur See unmittelbar gegenüber. Im Folgenden soll versucht werden, den Lesern der „Gartenlaube“ einige Anhaltepunkte zu geben zur Beurtheilung irgend welcher unseren Küsten drohenden Angriffe.

Diese können in zweifacher Weise unternommen werden. Der Feind benutzt entweder seine Transportflotte, um eine Invasions-Armee zu landen, oder er versucht mit seinen Panzerschiffen die Einfahrt in die Kriegshäfen zu erzwingen, um die daselbst angehäuften kostbaren Kriegsmaterialien zu zerstören. Der Angreifer ist insofern im Vortheil, als ihm die Wahl freisteht und er seine ganze Macht auf den augenblicklich schwächsten Punkt werfen und durch Ueberraschung große Erfolge erringen kann. Doch hat er wiederum auch große Schwierigkeiten zu überwinden.

Welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, welche zeitraubende Arbeit es ist, eine größere Anzahl Truppen aller Gattungen zu Lande fortzuschaffen, davon hat sich neuerdings Jedermann überzeugen können. Diese Truppen bleiben überdies mit ihren rückwärtsliegen Hülfsquellen in directer Verbindung, sind also einer dauernden Unterstützung gewiß und stets beliebig verwendbar. Anders verhält es sich mit einer Armee, welche zu Schiffe transportirt wird: Selbst im günstigsten Falle vergehen Wochen, ehe Infanterie, Cavallerie, Artillerie nebst Gepäck, Munition, Pferden, Geschützen, Wagen und allem sonstigen Zubehör versammelt und eingeschifft ist, ehe sie am endlichen Bestimmungsorte eintrifft und angriffsweise vorgehen kann.

Die Frankreich zu Gebote stehenden Transportmittel zur See mögen großartig sein, immerhin wäre es aber ein ungeheueres Unternehmen, ein Armeecorps von hinreichender Stärke an unsere Küsten zu werfen. Am Rhein wird Frankreich von einem gewiß ebenbürtigen Gegner bedrängt; kann es dort überhaupt so viele seiner besten Truppen entbehren, sie für lange Zeit der Action entziehen, um endlich einen Schlag zu führen, dessen Gelingen nichts weniger als gesichert ist?

In der Nordsee ist es fast gar nicht möglich, eine solche Armee auszuschiffen. Durch Untiefen und weite marschige Küstenstrecken, auch durch starke Ebbe und Fluth und Witterungsverhältnisse hat die Natur uns wohlgeschützt, während die wenigen Zugangsstraßen durch menschliche Kunst vortrefflich befestigt sind. In der Ostsee dagegen sind verschiedene Stellen, welche eine Landung begünstigen.

Angenommen, unser Panzergeschwader liege in der Nordsee oder – wie wir mit richtigem Selbstgefühl sagen sollten – im deutschen Meere. Geht die französische Transportflotte, wie zu erwarten, nach dem Osten, so läßt sie den Feind zur See hinter sich und findet den Feind zu Lande vor sich. Bei den vorherrschenden Westwinden ist es leicht, nach der Ostsee zu segeln, aber doppelt schwierig, zurückzukehren, und die Zugänge zu ihr sind mit Recht berüchtigt. Die unsere Küsten umspülenden Meere sind schlimme Gewässer, sie bergen manches Geheimniß in ihrem Schooße, und ein Sturm müßte einer so großen Flotte bei so engem Seeraum äußerst gefährlich werden. Napoleon hat sich unter Menschen vergebens nach Verbündeten umgesehen, sollte er sie in den Naturgewalten finden?

Die Franzosen waren als Seeleute niemals bewundernswerth, während die deutschen Seeleute an Tüchtigkeit den besten anderer Nationen nicht nachstehen. Die deutsche Flotte ist nicht zahlreich, aber vortrefflich. An der heimischen Küste findet sie jederzeit Zuflucht und kann bei überraschendem Angriffe durch ihre Geschütze und durch Niederrennen den unbehülflichen, menschengefüllten Transportschiffen unberechenbaren Schaden zufügen, während sie einen Kampf mit Panzerfahrzeugen auch nicht zu scheuen braucht. Sollte Frankreich nicht des Schicksals der spanischen Armada eingedenk sein?

Angenommen, die Transportflotte entginge allen Gefahren und erschiene endlich an der Küste, um eine Landung zu erzwingen, so würde sie doch dort deutsche Männer zu ihrem Empfange gerüstet finden. Nicht die Uebermacht allein entscheidet. Bei Eckernförde ruhmreichen Andenkens wurde auch ein übermächtiger siegesgewisser Feind furchtbar bestraft.

Gelänge es aber trotz tapferster Gegenwehr, oder an einem unbeschützten Punkte, die Invasionsarmee auszuschiffen, dann würde [536] der Waffentanz zu Lande beginnen. Schon die ersten Nachrichten vom Rhein beweisen, daß der miltärische Popanz der Franzosen, von dem Europa sich täuschen ließ, für die deutschen Waffen nichts weniger als unüberwindlich ist, und die angebahnte Entscheidung wird den Franzosen hoffentlich alle ferneren Gelüste nach deutscher Erde auf immer benehmen.

Der Vortheil der Wahl und Ueberraschung, welchen der Feind bei einem Landungsversuche an langgestreckten Küsten für sich hat, ist um vieles beschränkt, wenn er einen Angriff auf die Kriegshäfen unternimmt. Einige derselben kann der Vertheidiger durch versenkte Schiffe derartig versperren, daß jedes Einlaufen natürlich aber auch jedes Auslaufen, unmöglich wird. Die Häfen aber, von welchen aus die eigene Flotte operiren soll, müssen den befreundeten Schiffen zugänglich bleiben, dem Angreifer jedoch das Eindringen möglichst erschweren. Die Erfahrungen der Neuzeit haben nun gezeigt, daß selbst die gewaltigsten Befestigungen von Stein und Erde dem Feuer von Panzerfahrzeugen nicht widerstehen, also auch deren Passage nicht hindern können. Zur Genüge wurde dies im amerikanischen Bürgerkriege bewiesen, während dessen in Bezug auf Angriff und Vertheidigung zu Wasser und zu Lande die großartigsten Versuche gemacht wurden. Darum bekleidet man jetzt auch die Wälle der wichtigsten Fortificationen mit Eisen. Wo aber diese Panzerung noch fehlt, da zertrümmern die kolossalen Geschütze der jetzigen Kriegstechnik in kurzer Zeit die stärksten Granitwälle und verwandeln selbst die Erdwerke in formlose Haufen. Durch die mit so bedeutender Sprengladung versehenen Riesengeschosse wird, wenn sie crepiren, die Erde in solchen Massen aufgeworfen, daß einzeln Geschütze theilweise verschüttet und außer Gefecht gesetzt werden.

Gepanzerte Fahrzeuge im Kampfe mit Strandbatterien können sich frei bewegen, mit Uebermacht auftreten und ihr Feuer beliebig concentriren; sie können sich ihre Entfernungen wählen, so daß sie, während ihre Geschosse noch zerstörend wirken, bei der größeren Widerstandsfähigkeit ihres Panzers fast unverwundbar sind. Bei Nacht und Nebel können sie sich in die Häfen einschleichen oder auch am hellen Tage tollkühn an allen Befestigungen vorüberdampfen und trotz der tapfersten Gegenwehr die vor Anker liegenden Schiffe, die Arsenale und andere Bauten mit ihrem kostbaren Inhalte zerstören und so vernichten, was in langen Jahren durch mühsame Arbeit geschaffen worden war.

Einen solchen Sturmlauf werden selbst gepanzerte Forts nicht aufhalten können, wenn sie auch dem Angreifer eine zehnfache Anzahl von Feuerschlünden entgegenstellten. Die Riesenkanonen der Neuzeit sind aber sehr theuer (zehn- bis zwanzigtausend Thaler), und zu ihrer Aufstellung ist großer Raum erforderlich. Ihre Anwendung kann also nur eine beschränkte sein, und man wird doch nie so viele aufstellen können, daß nicht der Feind mit einer noch größeren Anzahl erschiene. So vorzüglich auch unsere kolossalen Hinterladungsgeschütze sind, so werden sie auf ein bewegliches Ziel in fünf bis acht Minuten doch nur einmal feuern können. Gegen französische Panzer werden sie vielleicht bis auf fünftausend Fuß Entfernung wirksam sein. Angenommen ein Fahrzeug dampft mit zehn Knoten – der Knoten (fünfundzwanzig Fuß) verhält sich zur Viertelminute wie die Seemeile (sechstausend Fuß) zur Stunde – Fahrt vorüber, so legt es die zehntausend Fuß, welche jedes Geschütz nach beiden Seiten bestreicht, in zehn Minuten zurück. Von jedem Geschütz erhält es folglich zwei, höchstens drei Kugeln. Nun vermag allerdings eine einzige unserer Spitzgranaten ein Fahrzeug außer Gefecht zu setzen, vielleicht aber werden zwanzig oder fünfzig oder hundert derselben erst dieses Resultat erzielen. Ein gut construirtes Panzerfahrzeug kann unglaublich viel aushalten. Dennoch hat es eine schwache Stelle – sein Deck. Geschosse, welche von oben herab auf dasselbe niederschmettern, werden ihm äußerst gefährlich. Hochgelegene Batterien sind deswegen am wirksamsten; wenn aber die Bodengestaltung ihre Anlegung nicht gestattet, so muß man sich durch Mörser, und zwar durch gezogene, zu helfen suchen. Diese werfen Geschosse in hohen Bogen und auf bekannte Entfernungen mit großer Genauigkeit.

Um aber dem Angreifer das schnelle Passiren der Batterien unmöglich zu machen und ihn im wirksamsten Feuerbereich der Geschütze festzuhalten, bedient man sich beweglicher Sperrmittel. Eine Art derselben ist ein Netzwerk von starken Tauen und Stricken, welches derartig unter Wasser angebracht ist, daß es sich in die Schraube eines Dampfers verwickelt, deren Umdrehungen verhindert und das Fahrzeug lahm legt, so daß es einem concentrirten Feuer zum Opfer fällt. Andere Hindernisse sind mächtige verankerte Flöße, gewissermaßen schwimmende Inseln, oder eingerammte Pfähle, oder starke Ketten, welche von verankerten mit Luft gefüllten Tonnen oder Kähnen in der erforderlichen Tiefe unter Wasser gehalten werden. Der Sicherheit wegen bringt man in gewissen Abständen zwei oder drei solcher Ketten an. Zersprengt nun auch der Anprall in voller Fahrt dagegenlaufender Dampfer die erste Sperrung, so reicht ihre Kraft doch nicht aus, um sofort auch die nächste zu überwinden; sie müssen zurück und einen neuen Anlauf nehmen, kommen vielleicht mit noch anderen Hindernissen in Berührung und sind so für längere Zeit im Bereiche des Vertheidigers, welcher sie übel zurichten kann.

Diese Sperrmittel sind einer totalen Verrammelung des Hafens insofern vorzuziehen, als sie an genau bezeichneten Punkten offen gelassen oder doch mit Leichtigkeit unterbrochen werden können, um der eigenen Flotte das Aus- und Einschlüpfen zu gestatten.

Um aber die Zurückweisung des Angreifers noch sicherer zu machen, verbindet man mit allen diesen Sperrmitteln noch unterseeische Minen, die sogenannten Torpedos, wahrhaft furchtbare Ungeheuer, welche verborgen in der Tiefe lauern und den arglos nahenden Feind im Nu vernichten.

Diese Vertheidigungswaffe ist übrigens nicht neu. Vor beinahe einem Jahrhundert schon soll sie ein Amerikaner, Bushnell, während des Unabhängigkeitskampfes angewendet haben. Nach ihm, zu Anfang dieses Jahrhunderts, stellte ein anderer Amerikaner, Robert Fulton, der berühmte Erbauer des ersten Dampfschiffes, Versuche damit an und nannte sie Torpedo, nach dem spanischen Namen des unförmlichen Zitterrochens, welcher ihn berührende Menschen und Thiere durch elektrische Schläge eine Zeit lang zu lähmen vermag. Später wurden die Torpedos von den Russen vor Sebastopol, von den Oesterreichern im italienischen Kriege, von [537] den Dänen im Alsensund benutzt, doch hatten sie entweder keine Gelegenheit zu wirken, oder sie bestanden die Probe schlecht. Die im Alsensund liegenden wurden von den Preußen kurz vor ihrem berühmten Uebergang im Wasser aufgesucht und unschädlich gemacht. Die ausgedehnteste und vielseitigste Verwendung fanden sie im amerikanischen Bürgerkriege. Sie bewährten sich so vorzüglich, – die kämpfenden Parteien verloren durch sie allein, trotz aller Vorsichtsmaßregeln, einige dreißig Schiffe, darunter ein Dritttheil Panzerfahrzeuge – daß seit jener Zeit die Torpedos als Angriffs- und Vertheidigungswaffen die größte Beachtung gefunden haben. Sogar auf dem Lande sind sie in Gebrauch genommen worden, und ich selbst habe ihre entsetzlichen Eigenschaften in nächster Nähe kennen gelernt.

Der Torpedo besteht gewöhnlich aus einer Tonne oder Kiste von starkem Blech oder aus einem gußeisernen Behälter von der Form einer Spitzgranate. Je nach Bedarf ist er geräumig genug, um von zwanzig Pfund bis zu zwanzig Centner feinkörniges gutes Pulver, Dynamit oder Dualin, zu fassen. Er wird an einem Holzrahmen befestigt entweder auf den Grund flacher Gewässer gelegt oder an die Sperrungen des Hafens gehängt, oder auch einfach so verankert, daß er in gewünschter Tiefe verharrt; ungefähr fünf bis zwanzig Fuß unter dem Wasserspiegel.

Die Entzündung ist entweder selbstthätig oder sie hängt von dem Willen eines fernen Beobachters ab. Die selbstthätigen Torpedos sind mit Fühlern versehen, mit empfindlichen Hebelwerken, welche, vom Stoß oder Druck eines anlaufenden größeren Körpers in Bewegung gesetzt, die Explosion bewirken. Die Art der Zündung ist sehr verschieden. Sie kann auf mechanischem Wege durch Reibung, Federkraft, durch den Schlag einer in einer Röhre fallenden Kugel auf ein Zündhütchen erfolgen, oder auf chemischem Wege durch in leicht zerbrechlichen Glasröhren befindliche Mischungen hervorgerufen werden. Natürlich explodiren diese selbstthätigen Torpedos auch durch den Anstoß irgend eines anderen schweren Gegenstandes, wie zum Beispiel durch Treibholz, welches die Strömung mit sich führt, und werden auf diese Weise Freund und Feind gleich gefährlich. Ihre Anwendung ist deswegen vorzugsweise auf stille Gewässer beschränkt und auf solche Theile der Hafensperrung, von denen der Vertheidiger selbst sich fern hält. Dort aber werden sie sehr gern verwendet, weil sie keiner Ueberwachung bedürfen und zugleich wohlfeil sind.

Die Fahrstraßen, welche der Vertheidiger für seine eigenen [538] Schiffe offen hält, wird er durch unterseeische Minen von solcher Construction sichern, daß er sie ganz nach Wunsch aus großer Entfernung und zu beliebiger Zeit springen lassen kann. Zu diesem Zwecke bedient man sich des elektrischen Funkens. Gut isolirte Leitungsdrähte, welche unbeschadet ihrer Eigenschaft lange unter Wasser liegen können, sind hierzu unbedingt nothwendig.

Von größter Wichtigkeit ist es, die Lage jedes einzelnen dieser Torpedos genau zu kennen, um den günstigen Augenblick zur Sprengung nicht zu verfehlen. Man hat Stäbe in langer Reihe eingeschlagen und mit ihren Enden so auf den bezüglichen Punkt eingestellt, daß man über sie hin visiren konnte; diese Methode erwies sich aber nicht sicher genug. Eine sinnreiche Benutzung der Camera obscura versprach größere Genauigkeit. Die Stellen, wo Torpedos ruhten, wurden am Lande auf dem in der Camera obscura sichtbaren Miniaturbilde des Hafens markirt, und sobald ein feindliches Fahrzeug einen dieser Punkte deckte, schloß man die betreffende Leitung und zertrümmerte es. Maury, der berühmte Pfadfinder des Meeres, wandte eine dritte nicht weniger genaue Methode an; er stellte an verschiedenen Orten Beobachtungsposten auf, deren Fernrohrvisirungen sich auf den Ankerplätzen seiner Torpedos kreuzten.

Während der Nacht suchte man durch elektrisches Licht oder brennende Holzstöße und Theerfässer die nöthige Beleuchtung zu erlangen, bei Nebel aber war auch diese nicht ausreichend. Ueberdies ereignete es sich verschiedene Male, daß derartige unterseeische Minen während eines Gewitters durch den Blitz entzündet wurden. Um diesen Uebelständen abzuhelfen, ersann der Erfinder der elektrischen Zündung für Torpedos, der österreichische Ingenieur-Officier Baron Ebner, eine Verbesserung, welche seiner Erfindung fast die Unfehlbarkeit errang. Er verband die selbstthätige und die elektrische Zündung auf eine solche Weise, daß sie getrennt niemals, vereint aber stets die Explosion bewirkten. So ist selbst der Blitz jetzt dem Torpedo ungefährlich, wenn nicht gleichzeitig ein schwerer Körper gegen letzteren stößt, und wiederum kann ein Schiff dreist gegen ihn laufen, so lange am Lande die Kette nicht geschlossen ist.

Torpedos dieser Art sind im Innern mit einer complicirten Maschinerie versehen, deren verständliche Beschreibung hier zu weit führen würde. Sie gewährt auch noch den Vortheil, daß die verschiedenen Beobachter in Stand gesetzt sind, durch den Torpedo selbst auf telegraphischem Wege miteinander zu verkehren, ohne eine unzeitige Explosion befürchten zu müssen. Nähert sich aber ein Feind der Mine, so schließt man auf jedem Posten die Leitung; berührt jener dann das Hebelwerk, so ist er verloren. In jedem gut vertheidigten Hafen ist jetzt der ungesperrte Theil des Einganges durch diese Art Torpedos geschützt und zwar so, daß dieselben in mehreren Reihen hintereinander in Entfernungen von fünfzig bis hundert Fuß schachbretartig verankert werden. So besitzt man eine wahrhaft furchtbare unterseeische Batterie. Gleitet der Freund über sie hinweg, so läßt man sämmtliche Leitungen offen und die Ungeheuer sind harmlos; versucht aber der Feind zu folgen, so werden die Ketten geschlossen und er findet sein Verderben.

Außer den obenbeschriebenen festliegenden giebt es auch noch bewegliche Torpedos. Man läßt sie entweder mit der Strömung treiben, oder befestigt sie an kleinen Booten, welche, durch Menschen- oder Maschinenkraft getrieben, den feindlichen Fahrzeugen sich nähern. Diesen wird dann der an der Spitze eines langen beweglichen Mastes befindliche Torpedo unter den Bauch geschoben; er ist natürlich selbstthätig und explodirt bei der Berührung. Die Dunkelheit und Mangel an Wachsamkeit von Seiten des Gegners begünstigen einen solchen Angriff, doch ist die Sprengung zuweilen auch für die im Boote befindlichen Männer verderblich. Während des amerikanischen Bürgerkrieges wurden solche kühne Unternehmungen mehrmals mit glücklichstem Erfolge ausgeführt.

Ein Torpedo vermag nicht nur das stärkste Panzerfahrzeug schwer zu beschädigen und zum Sinken zu bringen, sondern er zertrümmert es zuweilen so vollständig, daß Theile desselben – in einem Falle sogar das losgerissene Mittelschiff nebst der kolossalen Maschinerie – hoch über Wasser geschleudert werden und die ganze Mannschaft ihren Tod findet. Die Wirkung nach der Seite erstreckt sich nicht über einen Radius von zwanzig bis dreißig Fuß; nach oben ist sie aber um so kräftiger. Es ist dies natürlich. Das Wasser selbst bildet im Augenblick der Explosion gewissermaßen ein Geschützrohr mit einem der Sprengladung entsprechenden Kaliber, denn nach unten und seitwärts finden die sich im Nu entwickelnden Gase den meisten Widerstand, treiben also die auf ihnen ruhende Flüssigkeit nach oben hinaus.

Derartige Sprengversuche gewähren ein prächtiges Schauspiel. Mit Donnergetöse, oft auch nur mit einem einzigen dumpfen Schlage, steigt eine Wassersäule von zwanzig bis fünfzig Fuß Durchmesser weit über hundert Fuß Höhe empor, steht einen Augenblick hoch aufgerichtet in ihrer ganzen Majestät und stürzt dann, wie ein Niagara Alles zermalmend, zurück.

Hieraus läßt sich ermessen, ein wie furchtbarer Feind der Torpedo selbst für das mächtigste Panzerschiff ist. Und so groß ist schon seine moralische Wirkung, daß der Angreifer schwerlich Muth genug besitzt, den Eingang in einen mit unterseeischen Minen vertheidigten Hafen zu erzwingen. Dem schwersten Geschützfeuer würde er kühn die Stirn bieten, aber der verborgen lauernden Gefahr gegenüber ist selbst der Seemann furchtsam.

Zu diesen gewissermaßen abwartenden und auch auf bestimmte Orte beschränkten Vertheidigungsmitteln gesellt sich noch ein sehr wichtiges actives, die eigene Seemacht. Im Hafen wird sie bei einem stattfindenden Angriffe nicht nur so manövriren, daß sie die Strandbatterien auf das Wirksamste unterstützt, sondern sie wird auch, wie schon früher angedeutet, dem Feinde auf die hohe See entgegengehen und ihn von den Küsten abzuhalten suchen.

Ist nun auch die französische Panzerflotte bedeutend zahlreicher als die unsrige, so besteht sie doch nur zum Theil aus Fahrzeugen, welche seefähig sind und in unseren Gewässern wirklich kreuzen können. Um die Blokade wirksam aufrecht zu erhalten, müssen sie sich auf verschiedene Strecken vertheilen und so mehrere Geschwader bilden. Das zahlreichste derselben und aus den stärksten Fahrzeugen bestehend wird sich natürlich da aufhalten, wo entweder der Angriff auf einen Kriegshafen beabsichtigt wird, oder wo man unsere Panzerschiffe in Schach halten will.

Die feindliche Flotte kreuzt nun aber an unseren Küsten unter immerhin schwierigen Verhältnissen. Jederzeit muß sie eines überraschenden Angriffs unserer Seemacht gewärtig sein; sie ist den berüchtigten Stürmen unserer Meere ausgesetzt und Zufluchtshäfen, in denen sie sich dauernd aufhalten und beliebig ausrüsten kann, findet sie in den von neutralen Ländern umschlossenen Gewässern nicht, sondern nur in Frankreich. Kriegsdampfer aber müssen sich nach je zehn bis zwölf Tagen – einige früher, andere später mit Kohlen versehen, deren Zufuhr keine Kleinigkeit und doch eine Lebensfrage ist.

Das noble England befreit Frankreich von dieser Sorge und liefert dem Feinde vor unseren Häfen jetzt die nöthigen Kohlen – in diesem Falle ein nothwendiges Kriegsmaterial – und obgleich neutral, unterstützt es doch die eine Partei zum Schaden der andern. Noch schwebt die berüchtigte Alabamafrage, dieser Rostfleck auf Albion’s Ehrenschild, und schon läßt es sich auf ein anderes Geschäft ein. Führten wir dem unsere Küsten bedrohenden Feinde unsere eigenen Kohlen zu, wir könnten uns nicht ärger schädigen, als England es thut.

Aber noch weht die deutsche Flagge von der Gaffel unserer Kriegsschiffe, und sie wird auch mit Hülfe englischer Kohlen nicht besiegt werden. Unsere Seemacht ist noch jung, aber schon gewaltig; Englands Eifersucht ist ein vortreffliches Zeugniß für sie. In diesem Kriege wird sie ihre Feuertaufe empfangen, denn sie wird von Männern geführt, welche nicht geschaffen sind, eine passive Rolle zu spielen. Und deutsche Seeleute werden selbst die Uebermacht nicht scheuen, wenn es gilt, auf dem deutschen Meere die ersten Lorbeern zu erringen.

Unsere Geschütze sind in jeder Beziehung den feindlichen überlegen, Frankreichs „Eisenwällen“ aber werden die Leistungen des Krupp’schen Gußstahls mustergültig in ihre Panzerplatten eingegraben werden. Der „König Wilhelm“ dagegen ist für französische Geschosse nahezu unverwundbar. Seine überlegene Geschwindigkeit, seine furchtbare Armirung – wie sie kein zweites Schiff der Welt besitzt – wird sich auch den meistberufenen französischen Panzerschiffen gegenüber glänzend bewähren.

So sind Deutschlands Küsten hinreichend geschützt, und König Wilhelm wird nicht nur an dem deutsche Flusse, sondern auch auf dem deutsche Meere ein Schrecken der Feinde sein.