Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung/Teil 1 Kapitel 43

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Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung
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[146]
TITULUS XLIII.
Von Bancorothierern und flüchtigen Schüldenern / und wie gegen ihre Personen und Güter gehandelt und procedirt werden sol:
ARTICULUS 1.

Nach dem eine zeithero sich / leider / vielmahls begeben / das etliche unter den Kauff- und Handels-Leuten gefährlicher und betrieglicher Weiß / im Schein Trauen und Glaubens / Geld und Wahren bey andern / weit über ihr Vermögen / wissentlich auffgeborget / entlehnet und gekaufft / auch durch ihren übermässigen Pracht / übel und fahrlässig Haußhalten / unordentlich verschwenden / und grosse unnöthige Gebäu / in merckliche Schulde-Last gerathen / und dadurch ihren Nechsten / wider die Christliche Liebe / Recht und Billigkeit / betrogen / und zu Schaden gebracht / und hernacher auffgestanden /außgetretten / und sich in andere Gebiethe begeben haben und [147] Begleiten lassen / und aber solche betriegliche und schädliche Handlungen / die sich einem Diebstal wol vergleichen / dem gemeinen Nutz / Handthierung und Kauffmanschafft / zu unträglichen Schaden und Nachtheil gereichen / und derowegen gegen solche muthwillige Bancorothierer / als dem Gemeinen- und Privat-Nutzen / schädliche / nachtheilige Personen / andern zum abscheulichen Exempel / billich mit ernst zuverfahren ist: So wollen und ordnen Wir / das obgedachte Falliten[1] / in dieser Stadt und Gebiethe nicht sollen geleitet / sondern wann sie betreten / in gefängliche Hafft genommen / und auff den Winserbaum verwahrlich enthalten werden. Und da sie / nach beschehener Vergleichung mit ihren Creditorn, wieder zu Häußlichen Wohnungen kommen / alsdann zu keinen Dignitäten gezogen werden sollen.

2.

Wann auch die Creditorn, nach beschehener Außtrettung / oder gefänglicher Verhafftung obgedachter / oder auch nach tödtlichem Abgang dero in Schülden vertiefften Debitorn, bey den Worthaltenden Bürgermeistern oder Gerichts-Verwaltern ümb fernere Hülff anlangen werden / sol ihnen auff des Flüchtigen / eingezogenen / oder verstorbenen Haab und Güter ein Arrest vergönnet und gelegt / auch dieselben alsbald durch den Gericht-Schreiber Inventiret werden. Und damit sich niemand / seiner Unwissenheit halben zuentschüldigen habe / [148] sol alsbald unter dieser Stadt Signet ein öffentlich Mandat an das Rathhauß angeschlagen / und einem jeden dieser Stadt Bürgern / Bürgerinnen / Unterthanen und Einwohnern / bey einer Namhafften und ansehenlichen Peen aufferlegt und gebothen werden / das ein jeder alle das jenige / was dem Flüchtigen oder in Schulden verstorbenen Debitorn zugehöret / und er bey sich hat / wie das Namen haben mag / nichts ausbescheiden / imgleichen was ein jeder demselben Falliten oder verstorbenen an Geld / oder Wahren zu bezahlen und zu liefferen schüldig / in viertzehen Tagen den nechsten nach beschehenen Anschlagen / bey dem Gericht-Schreiber unterschiedlich mit seiner eigenen Hand verzeichnet / übergeben / und da er nicht schreiben kan / mündlich vermelden sol / und da hernacher befunden würde / das jemand diesem Gebot in bestimmter Zeit nicht nachgelebet / sondern wissentlich etwas verschwiegen hätte / gegen denselbe sol mit der in dem Mandato benandter Peen unnachlässig verfahren werden / und er nicht desto weiniger / was er nicht angesagt / von sich zu geben und zu bezahlen / oder da er die bey sich habende Güter alienirt hätte / den rechten Werth zuerstatten schüldig seyn.

3.

Da auch jemand der Creditorn von des Flüchtigen oder verstorbenen Debitorn Gütern / [149] nach desselben Falliment oder tödtlichen Abgang etwas zu sich genommen hätte / derselbe sol nicht allein solche Güter oder Wahren zu restituiren schüldig / besondern auch seiner habenden Action und Forderung verlustig seyn.

4.

Es sollen auch des Außgetretenen oder verstorbenen Schuldeners Diener und Buchhalter / oder auch so sonst jemand dessen verdacht / und Uns angegeben würde / durch die Gerichts-Verwaltere erfordert / und mit leiblichen Eyden beladen und befragt werden / des entwichenen oder verstorbenen Haab und Güter / Rechnungen / Handelsbücher / und anderer seiner Anschläg und Vorhabens halben / gründliche Anzeigung ihres wissens zu thun / dawieder sie kein Pflicht oder Verwandtnüß / damit sie dem Flüchtigen oder Verstorbenen zugethan seyn möchten / nicht schützen oder entfreyen / ihnen auch solche Anzeigung in keine Wege nachtheilig oder verweißlich seyn sol.

5.

Da auch die Creditorn aus ihrem Mittel etliche zu Curatorn werden erwehlen / und Uns Namkündig machen / wollen Wir dieselbige confirmiren, und ferner Befehl thun / das denselben auff gnugsame Versicherung [150] oder Verpflichtung / das sie die gelösete Geldere / alsbald in das Gerichte lieferen wollen / alle des Flüchtigen oder Verstorbenen Debitorn allhie in dieser Stadt und derselben Gebiethe verhandene Güter / und ausstehende Schülde / sollen eingeantwortet werden / welche dieselben / vermittelst des von dem Gerichts-Schreiber gehaltenen Inventarii, empfangen / einmahnen / die Wahren verkauffen / die Gelder dafür erheben / und biß zu ordentlichem Außtrag des Rechtens getreulich verwalten sollen.

6.

Würde dann der Flüchtige Debitor in viertzehen Tagen oder drey Wochen / den nechsten nach beschehenem Anschlage / mit Benennung aller seiner Creditorn, ümb ein Gleidt / sich mit denselben zu vertragen / anhalten / und seine Creditorn, die dieser Stadt Bürgere seyn / alle sämptlich darein willigten: So sol er herein in die Stadt auff viertzehen Tage / oder nach gestalt der Sachen auff eine längere Zeit / zum Vertrage von Uns geleitet werden.

7.

So dann der Vertrag / von den Gläubigern und Schüldenern gäntzlich geschlossen / und [151] sich befinden würde / das der Debitor ohne Betrug und seine Verschüldung / allein aus kündlichen und unversehenen zugestandenen Unfällen / als wegen erlittenen Brandt / oder See Schadens / oder durch ander Unglück / in Schuld und äusserstes Verderben gerathen / und derwegen den flüchtigen Fuß setzen müssen: So sol er auff getroffenen und beliebten Vertrag / wieder auffgenommen / in die Stad gelassen / und ihm das Unglück hinfüro an seinen Ehren unverletzlich seyn.

8.

Würde aber der Flüchtiger in obgesetzter Zeit der drey Wochen / bey Uns ümb Gleit nicht anhalten / oder in eingewilligter Zeit sich mit seinen Creditorn nicht vergleichen / sondern wiederümb entweichen: So sol er für einen muthwilligen und boßhafftigen Falliten gehalten / und gegen seine Haab und Güter den Creditorn, wie hernach geordnet / verholffen werden / auch den Creditoren frey stehen / das sie den Außgetretenen / an was Ort sie denselben in dieser Stadt Jurisdiction antreffen werden / angreiffen / und anhero in Verhafftung bringen lassen mügen.

[152]
9.

Es sol gleichwol keiner von den Creditorn wieder seinen guten Willen / den vorhabenden Vertrag / ungeachtet wie viel der andern Gläubigern darein consentiren, oder wie hoch sich ihre Schülde erstrecken / zu belieben schüldig seyn / sondern im frey stehen / wider den Dbitorn sein Recht außzuüben / und dessen Person zu verfolgen / es were dann / das die andern Creditorn alle / oder der mehrertheil derselben / dem Debitorn eine dilation etlicher Jahr eingewilliget hätten / auff den Fall sol der weiniger Theil / jedoch ohne einige Abkürtzung ihrer bey dem Debitorn außstehenden Schülde / die verstattete dilation biß auff fünff Jahr gegen gnugsame Versicherung / genehm zu halten schüldig seyn.

10.

Und wird der Mehrertheil der Gläubiger nicht nach Anzahl der Personen / sondern nach grösse der Schülden / verstanden / da aber die Gläubiger der Schulden halben gleich weren: So sol der Mehrertheil der Personen fürgezogen werden.

[153]
11.

Wann die Güte entstanden / sol auff der Creditorn Begehren ein offen Proclama erkandt / und an das Rath-Hauß angeschlagen werden / und ein jeder in dero darein benandter Zeit erscheinen / und seine Schuld im Gericht beweisen / auch da jeniges bösen Argwohns oder Verdachts / erhebliche Anzeige gegen jemand der Creditorn vorgebracht würden / sol derselb bey seinem leiblichen Eyde erhalten / das seine habende Schuld-Verschreibung / und producirte Uhrkunden auffrichtig / das datum nicht versetzt / und dabey keine Gefährligkeit den andern Creditorn zu Nachtheil / oder dem Flüchtigen zu Vortheil / gebraucht sey.

12.

Folgends sollen die data der producirten Verschreibungen / und anderer Beweise / im Gericht verzeichnet / und ob in derselben des Schüldeners Güter verpfändet / und was sonst ein jeder dero ihm zustehenden Gerechtigkeit / und prioritet halben fürtragen wird / wol erwogen / und was Recht ist / erkandt werden.

[154]
13.

Welche alsdann / aus denen allhie verhandenen Gütern nicht können bezahlet werden / denen sol frey seyn / des flüchtigen Person / an was Orten und Ende sie dieselbige antreffen werden / zu verfolgen / in Verhafftung zu nehmen / und ihre Bezahlung zu suchen / darzu Wir ihnen Unsere Bitbrieffe und Executorial, auff ihr Begehren und Kosten / mittheilen wollen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Bankrotteure