Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung/Teil 2 Kapitel 5
Wann wegen Vorzugs der Gläubiger Streit vorfällt / so sol zu forderst / was vor dem Rathe verlassen / und in das Stadt-Buch verzeichnet worden / allen andern Verpfändungen / so nicht vor dem Rathe beschehen und eingeschrieben / vorgezogen werden / Und unter diesen sollen allewege die Aeltere den Fürgang haben / oder aber / da mehr Verpfändung zugleich auff einen Tag vor dem Rath beschehen / und eingeschrieben worden / alsdann die Gläubiger zugleich / doch nach Anzahl ihrer jeden Schulden / zugelassen werden / Es wäre dann Sache / daß die Partheyen sich anders verglichen.
[184]Nach diesen sol aus des Verstorbenen Gütern / was auff desselben Begräbnüß / wie imgleichen an Artzeney und Artzten-Lohn auffgangen / abgetragen und bezahlet werden.
Da auch jemand unwissendlich / einem / so in Schulden vertieffet / und alsbald nach ein Tag drey oder vier außzutreten / und zu Bancorotieren fürhabens ist / und also gefährlicher Weise handelt / auff guten Glauben / Wahren verkaufft und überlieffert / wollen Wir / daß derselbe in solchen Wahren / wie viel derselben bey dem flüchtigen Debitorn noch verhanden / allen andern Gläubigern billig vorzuziehen.
Darnach ist der jenige / welcher kein Hauß / Schiff / Keller / oder anders dergleichen / umb eine gewisse Häure vermietet / in der eingebrachten fahrenden Haab / Wahren und Gütern / wegen seiner außständigen Pension und Häure / allen ander Creditorn, ob die gleich ältere bedingte / oder auch stillschweigende / in allen oder etlichen des Schüldeners Gütern Verpfändung hätten / billig vorzuziehen
[185]Ferner / ob wol die Haußdienste ihres verdienten Lohns halben / ohne besondere Beding / keine Pfandgerechtigkeit haben: So sollen doch dieselben / nach uhraltem Rechte und Gewohnheit dieser Stadt / in demselben ihrem Dienstgeld / oder Lohn / allen andern Creditorn mit Bezahlung fürgehen.
Nechst diesem sol auch ein Wirth wegen seines Gastes / vor ein Jahr Kost und Bier / so er ihm / nach Standes Gelegenheit / zu seiner nothdürfftigen Unterhaltung gereichet / und vertrauet / in dessen Gütern vor allen andern Creditorn den Vorzug zu haben.
Wann einer dem andern zu Erkauffung eines Hauses / Schiffs / oder andern Guts / Geld darleihet / mit dem Beding / das ihm solch erkaufftes Gut für ein dargeliehen Geld zu Unterpfand stehen sol / derselbe Darleiher hat auff demselben Gut vor allen andern Gläubigern den Vorgang / ob gleich demselben zuvor einige Verpfändung geschehen were / jedoch das die Verpfändung / welche in dem Stadt-Buch verzeichnet / wie obgedacht [186] allewege / so wol in diesem als andern Fällen / den Vorgang habe.
Im gleichen / so einer dem andern zu Erbauung / Besserung / oder Unterhaltung eines Hauses / Schiffs / oder andern Guts / Fürstreckung gethan hätte / und beweisen würde / das es eine Nothdurfft gewest / und sein dargeliehen Geld oder anders dahin gewendet worden were: So sol ihm deßwegen für allen andern Gläubigern / ob gleich dieselbe zuvor einige Verpfändung hätten / zur Bezahlung verholffen werden.
Da auch der Handwercker Arbeit / zu nothwendiger Erbauung oder reparirung des Schüldeners Hauses / Schiffs / oder dergleichen angewandt. So sol auff solchen Fall in dem erbessertem Hauß / Schiff / oder dergleichen / ihnen für allen andern / wie obgemeld / der Vorzug billig gegönnet werden.
Wiewohl nach gemeinen beschriebenen Käyserlichen Rechten / die Ehefrau / ihres eingebrachten Brautschatzes wegen / und daher rührenden stillschweigenden [187] Verpfändung / in ihres Mannes Gütern vor allen andern Creditorn, ob die gleich ältere stillschweigende Verpfändungen hätten / vorgezogen werden: So wollen Wir doch / zu Handhabung gemeines Nutzens / Trauens und Glaubens / und zu Beforderung der Handthierung / auch weil es hiebevor in dieser Stadt üblich also gehalten worden / hiemit geordnet haben / das die Frauen ihres eingebrachten Brautschatzes halben / in ihres Mannes Schulden / so in stehender Ehe gemacht / nicht allein keinen Vorzug haben / sondern das auch derselbe Brautschatz / wie dann imgleichen alle andere / ihre in stehender Ehe angeerbte Gütere / vor ihres Mannes Schülden gäntzlich hafften und gehalten seyn sollen. Was ihr aber nach ihres Mannes Tode / oder auch / nach dem derselbe entwichen / anstirbet / dessen hat sie billig sampt ihren Kindern zugeniessen / und haben ihres Mannes Creditorn keine Forderung oder Zuspruch daran / es sey dann / das sie sich anders verschrieben.
Da auch jemand binnen dieser Stadt / ihm eine Witwe oder Jungfrau vertrauen liesse / und bey der Velöbnüß sich seiner Güter höher / als dieselben werth seyn / berühmete / oder aber auch keinen Brautschatz Nahmkündig gemacht hätte / und er darnach dergestalt in Schülden vertieffet befunden würde / das er nach Ablegung [188] derselbigen nichts Eigenes gehabt / oder auch seinen berühmten Brautschatz frey einbringen könte: So sollen der Jungfrauen oder Witwen Güter / vor die Schuld so vorhin gemacht / sie haben in wehrender Ehe Kinder mit einander erzeuget oder nicht / keines weges gehalten oder verpflichtet seyn / und sol derselbig seiner Haußfrauen Hauptstul / ohne der Freunde Willen zu beschweren nicht mächtig seyn.
Nach diesen sollen alle andere Gläubigere / deren Schülde im Stadt Buche nicht vergewisset / und doch entweder außdrücklich bedingte / oder stillschweigende Verpfändunge haben / nach eines jeden dato so sol an der Hauptsummen / als hinterstelligen verfallenen Zinsen / bezahlt werden. Was aber Hauptsummen / so im Stadt-Buche geschrieben stehen / belangen thut / sol der jüngste Gläubiger / der das Erbe zu entsetzen sich im Gerichte erkläret hat / den jenigen / so vor ihm ältere Verpfändung im Stadt-Buch haben / mehr nicht dann eines Jahrs betagte / und des angefangenen Jahrs fällige Rente / neben dem Hauptstuel / zu bezahlen verpflichten seyn / jedoch ist gedachten ältern Creditorn ihre action wegen dero von etlichen Jahren auffgewachsenen Renten / gegen den Debitorn hiermit nicht benommen / sondern es haben auch gemeldte Gläubigere in Concursu Creditorum, gedachter [189] Rente halben / in andern des Schüldners Gütern / nach ihrem dato, des Vorzugs zugeniessen.
Auch wann einem in gemein alle Haab und Güter / und folgends dem andern ein besonder Stücke von denselben Gütern / außdrücklich verpfändet worden: So hat der erste auch den Vorgang / in dem hernacher einem andern besonderlich verpfändetem Gute. Da aber dem Gläubiger auff ein sonderbahr Gut Verpfändung geschehen / und zugleich alle andere Güter zu Unterpfandt gesetzt weren: Sol der Gläubiger zuforderst aus dem special gesetztem Pfande die Bezahlunge suchen / und da er dieselbe daraus erlangen kan / den anderen Creditorn, welche jüngere Verpfändung haben / ihre Schuld aus den übrigen zu suchen nicht hinderlich seyn.
Stehen aber in auffgerichteten Pfandt-Verschreibungen die data gleich: So sollen die Gläubiger auch zugleich / doch nach Anzahl ihres jeden Schulden / wie ob stehet / zugelassen werden.
Da auch jemand Geld ausgeliehen / damit einen andern Gläubiger / dem ein Gut Verpfändet [190] ist / zu bezahlen / so trit derselbig / auff den Fall er solches bedinget / an dessen stet / der mit solchem Gelde außgelöset und bezahlt worden.
Wann jemande ein Gut zu treuen Händen verwahrlich zugestellet / und von demselben / unwissent des deponenten, verendert und verthan were: Sol solches vor allen andern Schülden / so keine außdrückliche oder stillschweigende Verpfändung haben / aus des Depositarii Gütern bezahlet werden / ist es aber noch verhanden: So wird solches dem deponenten oder seinen Erben / für allen andern Creditorn billig gefolget.
Nach diesem / wann die Gläubigere / so entweder außdrückliche bedingte oder stillschweigende Verpfändung haben / allesampt bezahlet seyn: Sollen die jenige / so keine Verpfändung haben / nach advenant oder Anzahl eines jeden Schulde / ohne einig unterscheid des datums, so weit sich des Schuldeners Güter erstrecken / zugleich ihre Bezahlung empfangen.