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Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung/Teil 2 Kapitel 6

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Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung
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[191]
TITULUS VI.
Von Bürgen und Bürgschafften:
ARTICULUS 1.

In allen Obligationen und Handlungen / es sey dann dasselbe außdrücklich in den Rechten verbothen / können Bürgen genommen werden / welche nicht allein sich / sondern auch ihre Erben / verbinden / ob gleich derer in der Verschreibung nicht gedacht wird / es were dann / das in der Verschreibung außdrücklich bescheiden / das an stat des Bürgen / so versterben möchte / der Schüldiger dem Gläubiger einen andern Bürgen setzen solte / dann auff sothanen Fall haben die Erben des verstorbenen Bürgen sich excipiendo zu schützen: Aber in malefitz Sachen / als Diebstal / Raub / Morgen / und dergleichen / so jemand auff handhaffter That begriffen / hat derselbe keiner Bürgen zu geniessen. Weren aber in Verbrechungen also beschaffen / das sie nicht an Leib und Leben giengen / können dafür [192] Bürgen genommen werden / welche sich zu einer gewissen Peen müssen obligieren, und da die Sache ihrem Principal zu wiedern liesse / werden sie mit erlegung der Peen entfreyet.

2.

Alle dieselben / so vor sich beständiglich contrahiren, können sich auch für andere bürglich verpflichten / dahero Weiber / so nach diesem Unserm Stadt Recht Unmündig / und Knaben unter achtzehen Jahren / ohne ihre Curatorn und Vormündere sich nicht können als Bürgen beständiglich verpflichten.

3.

Die Bürgen können nicht also verbunden werden / das sie mehr solten bezahlen dann der Principal Schüldener / wiewol sie gestrenger obligirt und verknüpfft werden können / das jenige / darzu sich der Principal obligirt, zubezahlen.

4.

Dahero wann einer zehen schüldig / und setzet einen Bürgen auff funfftzehen / geldet die Bürgschafft höher nicht / dann auff zehen / darzu sich der Principal verbunden.

[193]
5.

Die Bürgschafft kan weiter nicht / dann die Wort deroselben lauten / außgestrecket werden / darümb / wann einer zum Bürgen gesetzet vor Schuld: So muß er zwar / auff den Fall der Nicht-Haltung / die Schuld bezahlen / aber für den Schaden darff er nicht antworten / sondern der Principal muß denn gelten und richtig machen / es were dann ein anders außdrücklich paciscirt und bedingt.

6.

Dann so ein Bürge / so wol vor die Rente / Interesse und Schaden / als vor die Hauptsumma sich verpflichtet / ist er auch solches / dafür er sich verpflichtet / auff den Fall der Nicht-Haltung des Principalis / wann er darümb besprochen wird / abzutragen schüldig.

7.

Die Bürgen haben dreyer Wolthaten sich im Rechten zugebrauchen / als nemlich vors erst / das ehe und zuvor der Principalis excutiirt, und Unzahlbahr befunden / die Bürgen nicht mügen / zur Zahlung angehalten werden / es were dann Sache / das sie sich solcher Exception Excussionis Principalis außdrücklich begeben; also auch / wann ein oder mehr Bürgen sich / als selbstschüldige [194] verpflichten / hat der / oder dieselbige / die sich also verpflichtet haben / sich hinförter der Exception Excusionis Principalis nicht zugebrauchen / sondern müssen wir die Sachwaltere selbsten halten.

8.

Das andere beneficium oder Begnadung Rechtens ist diese / wann sich etliche Bürgen für eine Schuld eingelassen / und verpflichtet / das ein jeder mit Bezahlung seines Antheils / so ferne die Bürgen alle zu bezahlen haben / von der Bürgschafft sich erledigen könne / es were dann gleichfals Sache / das die Bürgen sich solcher Gutthat gemeines Rechtens außdrücklich begeben / oder sich einer vor alle / und alle vor einen / verpflichtet hätten / dann auff solchen Fall der Gläubiger alle Bürgen / oder aber einen unter ihnen / welchen er will / umb die Bezahlung anzulangen / und so er von einem nicht kan vollnkömlich bezahlet werden / hat er macht / die Schuld von den andern Mitlobern / oder so etliche davon verstorben / von derselben Erben biß zu seiner gantzen Bezahlung / zuforderen.

8.

Weren aber die Mitlober etliche verarmet / müssen die Vermügene der Umvermügenen portion pro rata auff sich nehmen / und dieselbige abtragen und bezahlen.

[195]
10.

Die dritte Wohlthat Rechtens / deren sich die Bürgen zubehelffen / ist / daß / wann aus etlichen Bürgen / so sich zusammen für eine Schuld verhafftet / einer besprochen wird / derselbe seiner Mitbürgen wegen ehe nicht zahlen dörffe / es sey ihm dann von dem Creditore seine Fürderung / so wol wider den Principal, als den Mitbürgen / cedirt und auffgetragen.

11.

Und mag der Bürge nach auffgetragener solcher Forderung / einen jeglichen der Mitbürgen umb seine Quotam und gebührenden Antheil / nicht aber ümb die gantze Summ und in solidum, besprechen / es sey dann / daß sich die Bürgen / wie obgemeld / ein vor alle / und alle vor ein obligirt, und also des beneficii divisionis verzeihet hätten / dann auff solchen Fall auch der Bürg / nach beschehener cession, eben so wol wie der Principal, von einem seinen Mitbürgen alles das jenige / so er über seinen Antheil bezahlet / wieder zu fordern befugt ist.

12.

Da aber jemand der Bürgschafft verleugnet / und dessen zu Rechte überwiesen were / machet [196] er sich aller vorgesetzter dreyer Wohlthaten und Begnadung Rechtens / so den Bürgen vergönnet / allerdings unfähig und verlustig.

13.

Wann einer etwas kaufft von einem / auff gewisse Zeit zu bezahlen / und der Verkäuffer trauet dem Käuffer / also das er der Käuffer es in seine Gewehr bringet / wil der Verkäuffer alsdann Bürgen für die Bezahlung haben: So darff er ihm alsdann keine Bürgen dafür stellen / es were dann offenbahr / kund und notorium, das er flüchtig oder weichhafftig[1] seyn würde.

14.

Wann jemand ein Erbe verlassen wird / der sol immer zu Bürgen nehmen / auff das er verwahret werde Jahr und Tag / und entbricht ihm etwas an der Gewehrde / das sol der Bürge entrichten. Und wann die Gewehr Jahr und Tag geschehen ist / so ist der Bürge frey / und der / deme das Erbe verlassen und zugeschrieben / dasselb näher zubehalten / dann es ihm jenig Mann abzuwinnen. Es were dann / das der jenige / welcher es anzufechten Vorhabens / durch Rechtmässige Uhrsache außheimisch gewesen / so hat er billig von Zeit der erlangten Wissenschafft noch Jahr und Tag zugeniessen.

[197]
15.

Hat ein Bürge für einen Contract / der allein auff eine gewisse und benandte Zeit geschehen / gelobet: So ist alsdann / nach verlauff der Zeit / da der Gläubiger / auff Unterhaltung / oder aus gutem Willen / dem Schüldener weitere Frist / ohne des Bürgen Vorwissen / gegeben / der Bürge ledig / wie imgleichen / da der Bürge außdrücklich in seiner Verpflichtung bedingt / das nach Außgange einer gewissen Zeit / er ferner nicht hafften / noch Bürge seyn wolle / und der Gläubiger gibt dem Principal fernere dilation, darin der Bürge nicht gewilliget: So ist er der Bürgschafft ledig. Sonsten ins gemein wird der Bürge / welcher der Bezahlung halben gelobet / nicht entfreyet / ob gleich nach verlauff der Zeit / da die Bezahlung fallen sollen / der Gläubiger ohne des Bürgen Vorwissen / weitere Frist gegeben hätte.

16.

Es sol aber in allewege dem Bürgen erlaubet seyn / so er vermercken würde / das der Selbgelter seine Güter verschwendete / oder sonsten in Abgang seiner Nahrung käme / gegen den Principaln und Selbgelter / ümb Enthebung und Erledigung seiner Bürgschafft / zu klagen.

[198]
17.

Welcher gestalt aber der Bürge demselben / gegen welchen er sich verpflichtet / verhafftet ist / solcher gestalt hat er auch ihm hinwieder denselben / vor dem er gelobet und bezahlet hat / verpflichtet / ihn schadeloß zuhalten.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. zu weichen: fliehen; flüchtig (Grimm)