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Der Stadtpfeifer von Orlamünde

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Der Stadtpfeifer von Orlamünde
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. Anhang: Die Sagen des Herzogthums Sachsen-Altenburg, S. 405–406
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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Bild
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[405]
100) Der Stadtpfeifer von Orlamünde.
S. Greß a. a. O. S. 116 fgg. Bechstein, Deutsches Sagenbuch S. 488.

Zu Orlamünde war ein Stadtpfeifer, Namens Hausmann, ein gar munterer Gesell, doch ein ehrlich Blut, nicht mehr ganz jung an Jahren, aber frischen Gemüthes und kein Verächter des edlen Rebensaftes. Nun war einmal dieser Hausmann mit seinen Leuten zu Heilingen, nach Andern in einem Dorfe unter Schauenforst gewesen und hatte bei einer Hochzeit aufgespielt. Sie waren sehr gut bewirthet worden und zogen daher, als der Tag grauete, fröhlich und wohlgemuth am alten Schloß vorbei. Da sprach der Hausmann: „wir wollen doch heute den neuen Tag – es hatte eben auf dem Thurme im Städtchen 12 Uhr geschlagen – mit einem Morgenliede anblasen und zugleich dem weißen Fräulein da oben eins ausspielen!“ Sie stellten sich also auf und bliesen mit frommem Sinne frisch darauf los. Noch waren sie aber mit ihrem Choral nicht fertig, da trat das weiße Fräulein aus dem Berge, der sich zu einer weiten Pforte aufthat, heraus und ging langsam mit freundlichem Antlitz auf die Musikanten los und bot ihnen lächelnd auf einem Teller nach der Anzahl der Leute soviele Becher Weins. Sie tranken und aus Dankbarkeit bliesen sie ihr noch ein Stück. Da kam das Fräulein zum zweiten Mal, reichte ihnen aber auf dem Teller eine Anzahl Knochen dar. Mochten sie da auch große Augen machen, es hatte doch Keiner das Herz, die wunderliche Gabe auszuschlagen. Sobald sie aber den Thurm aus den Augen hatten, warfen die Gesellen ihren Theil in den nächsten Kornacker. Ehrbar aber hatte der Hausmann seinen Knochen in die Tasche gesteckt und so wurde er bei seiner Heimkehr mit dem Rocke in den Kleiderschrank gehängt. Am nächsten Sonntag verlangte nun Hausmann seinen Staatsrock, die Frau holte ihn, fragte ihn aber: „was hast Du denn hineingesteckt, das ist ja schwerer als ein Klumpen Eisen!“ „Ich wüßte nicht“, sagte der Stadtpfeifer, „wer mir etwas gegeben hätte, zeige doch einmal her!“ Sie langte [406] aber eine große Rolle Gold aus der Tasche, in welche der Stadtpfeifer seinen Knochen gesteckt hatte. Das war aber den Gesellen, die ihre Knochen weggeworfen hatten, außer dem Spaß, als sie das hörten. Sie liefen spornstreichs nach dem Kornacker zurück, fanden auch die Knochen und trugen sie jubelnd nach Hause. Als sie sie aber aus der Tasche zogen, hatte Jeder ein Stück beinerne Flöte. Da konnten sie sich nun selbst etwas pfeifen und davon kommt die Redensart: „es ist einem etwas Flöten gegangen“[1].


  1. Die Redensart wird richtiger aus dem plattdeutschen Worte „Fleeten d. h. fließen“ erklärt.