Der Tanz in Deutschland

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Autor: Hermann Streich
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Titel: Der Tanz in Deutschland
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aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 571–572
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Der Tanz in Deutschland.

Kulturhistorische Skizze von Hermann Streich.

Die vergleichende Völkerkunde lehrt uns, daß der Tanz überall in religiösen Gebräuchen seinen Ursprung hat; am besten wird uns diese Thatsache ja durch das Beispiel der Völker des klassischen Alterthums, der Griechen und Römer, veranschaulicht. Daß dem auch bei unseren germanischen Vorfahren so war, wird uns merkwürdigerweise durch keine unmittelbare Mittheilung überliefert; nur von Waffentänzen weiß der Römer Tacitus aus dem ersten Jahrhundert nach Christus zu berichten. Aber Spuren davon, daß auch bei unseren Altvordern der Gebrauch heimisch war, gottesdienstliche Verrichtungen durch Tänze zu verherrlichen, haben sich doch noch bis heute erhalten.

So war es z. B. in Mecklenburg noch bis in die jüngste Zeit Sitte, bei der Ernte ein Aehrenbüschel ungeschnitten so lange stehen zu lassen, bis das ganze Fruchtfeld abgeerntet war, worauf die Schnitter um die noch stehenden Aehren herumtanzten und dabei sangen:

„Wode, Wode, hol dinen Rosse nu Voder!“
(„Wodan, Wodan, hol deinem Rosse nun Futter!“)

Dieser Brauch herrschte auch in anderen Gegenden in ähnlicher Weise und das Aehrenbüschel hieß „Wodans Antheil-Strauß“.

Ein noch deutlicherer Beweis liegt darin, daß mit dem Auftreten des Christenthums unter den Germanen sofort auch das Tanzen als ein wesentlicher Theil ihres christlichen Gottesdienstes sehr eifrig ausgeübt wurde. Es ist aber erwiesen, daß die christlichen Glaubensboten sich bei Einführung gottesdienstlicher Handlungen möglichst eng an diejenigen Gebräuche hielten, die von den heidnischen Priestern bei ihren Opfern und andern Verehrungen ihrer Götzen beobachtet wurden.

Wie hold unsere Vorfahren dem Tanze waren, davon geben auch die altgermanischen Sagen Zeugniß, in denen von tanzenden Elfen, Nixen, Riesen und Zwergen gar oft die Rede ist, und ein Volk, das in seinen Sagen Götter und Halbgötter, Menschen und Thiere, ja sogar die Hausgeräthe tanzen läßt, hat gewiß den Tanz nicht nur bei kriegerischen Festen und bei heiligen Opfern, sondern auch bei allen häuslichen Feierlichkeiten, bei Hochzeiten und Todtenfesten ausgeübt.

Die gottesdienstlichen Tänze fanden in den Kirchen statt. Dort war für diesen Zweck ein eigenes, erhöhtes Podium errichtet, welches den Namen „Chor“ erhielt und von der übrigen Kirche abgesondert war. Auf diesem Podium tanzten die Andächtigen und die Priester unter Vortanz der Bischöfe an den Sonn- und Festtagen und wie jedes Fest seine eigenen Lobgesänge hatte, so hatte es auch seine eigenen Tänze.

Mit den jetzt üblichen Gesellschaftstänzen hatten diese religiösen Tänze freilich gar keine Aehnlichkeit. Es waren theils pantomimische Aufführungen, in welchen Begebenheiten oder Gleichnisse der biblischen Geschichte dargestellt wurden, theils „Ringeltänze“, eine Art Reigen mit ernsten würdevollen Bewegungen, wobei Tanz, Wort und Melodie unzertrennlich verbunden waren.

Bald arteten aber diese Tänze aus. Da sie gewöhnlich bei Nachtzeit gehalten wurden, so gaben sie mitunter auch Anlaß zu Ausschweifungen und Unordnungen, die endlich einen so hohen Grad erreichten, daß die Geistlichkeit, um das Uebel mit der Wurzel auszurotten, zum Verbot der Tänze in den Kirchen schritt. Insbesondere nahm der Apostel der Deutschen, Bonifacius, den Kampf gegen das zur Unsitte gewordene Tanzen mit dem ihm eigenen Feuereifer auf, aber nur langsam thaten die Gegenmaßregeln der Geistlichkeit ihre Wirkung. In vielen Gegenden, namentlich am Rhein, hielt das Uebel noch lange an, und noch im Jahre 1617 mußte der Erzbischof von Köln dagegen einschreiten.

Dem Volke war aber das Tanzen eines seiner liebsten Vergnügen geworden, welches es sich nicht ganz und gar nehmen lassen mochte, und als der Tanz aus den Kirchen verdrängt wurde, schlug man außerhalb derselben, ja sogar auf den Kirchhöfen, große Leinwandzelte auf, die man Ballatoria oder Chorearia nannte und unter welchen nun, unbekümmert um Regen oder Sonnenhitze, lustig getanzt wurde.

Aber dort, neben und vor den Kirchen, arteten die Tänze, der Aufsicht der Priester entbehrend, noch weit mehr in Unziemlichkeiten und Rohheiten aus, und das im Jahre 1298 zu Würzburg gehaltene Konzil mußte auch diese Tänze und Tanzspiele verbieten; um das Verbot wirksamer zu machen, wurde jedem Uebertreter desselben eine dreijährige Bußstrafe angedroht.

Draußen auf den Dörfern wurde indessen nach wie vor im Freien getanzt, was gewöhnlich unter einer großen Linde geschah, und hier lebte so mancher altheidnische Tanz in den Ringelreigen wieder auf, sich bis in unsere Zeit erhaltend; in vielen Kinderspielen sind, allerdings durch die Länge der Zeit sehr entstellt, diese Tänze noch deutlich erkennbar.

Das ganze Mittelalter hindurch hielt das Volk an jenen heidnischen Tanzresten fest, die aber leider nach und nach zu zügellosen Ausschreitungen führten. Häufig kam es auch zu blutigen Raufereien auf den Tanzplätzen, und da jeder Bauer bewaffnet zum Tanze ging, so geschah es oft, daß förmliche Gefechte die Festtage beschlossen. So wird einmal erzählt, daß in Oesterreich eines geringfügigen Anlasses wegen bei einem Tanze Streit entstand, der über dreißig Bauern das Leben kostete. Vergeblich wandte sich eine große Anzahl obrigkeitlicher Erlasse gegen diese Unordnungen.

Die Namen vieler Tänze aus dem Mittelalter finden sich in den Minnesingerausgaben; die meisten klingen gar sonderbar und seltsam, so z. B. Hoppaldei, Firlefanz, Rimpfenreie, Gimpelgampel etc., Namen, die wahrscheinlich aus dem Rhythmus der verschiedenen Tänze entstanden sein dürften.

In den größeren Städten, namentlich aber in den Freien Reichsstädten, gestalteten sich die Tanzunterhaltungen in weit erfreulicherer Weise, und dort erst erhielt der deutsche Tanz in den Bürger- oder Geschlechtertänzen seine edlere Ausbildung, die ihn zu einem sittlichen und bildenden Vergnügen machte.

Jede Ausgelassenheit wurde in strengen Tanzordnungen untersagt, und die unbedeutendste Handlung, welche Ehrbarkeit und guter Sitte widersprach, wurde unnachsichtlich geahndet; dafür wurde der Tanz aber nicht nur auf den Rathhäusern und in besonderen Tanzhäusern in Anwesenheit der angesehensten Bürger und Patricier geübt, sondern er wurde jetzt sogar hoffähig. Auf den Burgen und Schlössern des Adels und in den Residenzen der Fürsten gehörte zu jedem frohen Feste ein Hoftanz und der Glanz der Turniere wurde durch zierliche anmuthige Tänze erhöht.

Welch peinliche Ordnung namentlich in den großen Städten bei den Tanzveranstaltungen galt, zeigt die in vielen Städten herrschende Sitte, daß von den Tänzern „weder Wehrlein noch Sporn“ getragen werden durfte, ebenso verstieß es sehr gegen Sitte und Anstand, wenn ein Tänzer, ohne seinen Mantel über die Schultern zu hängen, an einem Reigen theilnahm. Dieser gewiß ebenso sonderbare wie lästige Brauch findet darin seine Erklärung, daß der Mantel das Ehrenkleid des deutschen Bürgers bildete, ohne welchen er weder vor der Obrigkeit noch bei Festlichkeiten erscheinen durfte.

Bei fürstlichen Hochzeiten kam der sogenannte Fackeltanz in Aufnahme. Wann und wie dieser Tanz entstand, läßt sich nicht erweisen, gewiß ist nur, daß er auch bei den Römern bekannt war und wahrscheinlich von diesen nach Deutschland gebracht wurde. Bei dem Fackeltanze, der bis in die jüngste Zeit herein noch bei deutschen Fürstenhochzeiten zur Aufführung kam, so z. B. bei der Vermählung des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen mit der Prinzessin Louise Sophie zu Schleswig-Holstein am 24. Juni 1889, mußten dem tanzenden Brautpaare zwölf Pagen in festlicher Kleidung, Windlichter tragend, voranschreiten, während der Hofmarschall das fürstliche Brautpaar mit dem Marschallsstabe „aufführte“. Dem Fackeltanze folgte dann später gewöhnlich noch ein anderer Tanz, bei welchem die fürstliche Braut mit verbundenen Augen in einen Kreis tanzender Paare geführt wurde. Denjenigen drei ledigen Personen, welche die Braut aus den um sie herumtanzenden Paaren erhaschte, sagte man voraus, daß sie in demselben Jahre noch in den Ehestand treten würden.

In vielen Gegenden ist bei Hochzeitsfeierlichkeiten heute noch der sogenannte Ehrentanz üblich, welcher gewöhnlich darin besteht, daß das Brautpaar zuerst ganz allein einen Tanz ausführt; erst dann, wenn dies geschehen ist, beginnt der allgemeine Tanz der Hochzeitsgäste. Da und dort ist dagegen auch Brauch, daß noch weiteren Personen, so z. B. den Brauteltern, den Braut- oder [572] Kranzjungfauen und den Brautführern, ebenfalls ein Ehrentanz zusteht. In Magdeburg war es Sitte, daß der Geistliche bei dem Hochzeitstanze anwesend war und sogar die Braut zu ihrem Ehrentanze anführte, wie man in früheren Zeiten überhaupt keinen Anstoß daran nahm, wenn Geistliche, was namentlich bei fürstlichen Festlichkeiten sehr oft vorkam, in den Tanzsälen zugegen waren. Ist doch in einigen Chroniken zu lesen, daß Geistliche entweder selbst tanzten oder zum Tanz die Fiedel strichen.

Zum Tanze wurde in Deutschland von den frühesten Zeiten an und das ganze Mittelalter hindurch gesungen, und zwar sang gewöhnlich nur eine Person, während die anderen nur den Kehrreim mitsangen. Mit dem Gesange wechselten dann die Spielleute ab; früher waren dies nur Trommler und Pfeifer, später kamen dann noch Geigen, Zinken, Posaunen, Trompeten und die Drehleier sowie die Laute hinzu und erst mit dem 18. Jahrhundert erhielt die Tanzmusik eine Zusammenstellung von Instrumenten, wie dies in der Hauptsache heute noch üblich ist; gleichzeitig erschien auch das Klavier in den Tanzsälen.

Bis zum Eintritte der Reformation hatte sich sowohl auf dem Lande, als auch in den Städten eine Unzahl charakteristischer Tänze herausgebildet, die meisten derselben gingen jedoch in den verheerenden Zeiten des Dreißigjährigen Krieges spurlos verloren. Immerhin ist aber noch eine solch große Anzahl auf unsere Zeit überkommen, daß man mit der Beschreibung aller ganze Bücher füllen könnte; hat doch jedes Land und jeder Gau seine eigenen Tänze.

Zu einer Zeit, wo die Innungen in höchster Blüthe standen, also vom 15. Jahrhundert an, hatte auch jede Innung ihren eigenen Tanz, der indeß nur einmal im Jahre, an den sogenannten Jahrtägen der Innungen getanzt wurde. In manchen Städten genossen aber auch einige Innungen das meist von den Kaisern ihnen verliehene Recht, an bestimmten Tagen öffentlich auf Straßen und Plätzen gewisse Tänze aufführen zu dürfen, welche übrigens nur von den Gesellen und Lehrjungen ausgeführt wurden, während die Frauen und Töchter der Handwerksmeister sich nicht daran betheiligten. Diese Zunfttänze waren besonders in der alten Reichsstadt Nürnberg heimisch, wo sämmtliche Zünfte ihre eigenen Tänze hatten. Besonders hervorgehoben zu werden verdienen der Schwerttanz der Messerschmiede in Nürnberg, Frankfurt, Augsburg, Braunau und der Fleischer in Zwickau, der Fahnentanz der Nürnberger Tuchmacher u. a. m.

Der bekannteste unter den Handwerker- oder Zunfttänzen dürfte wohl der Schäfflertanz sein, der sich bis heute erhalten hat und von dem die „Gartenlaube“ 1879, Nr. 6 eine anschauliche Abbildung gebracht hat. Er wird von den Münchener Böttchergesellen infolge eines kaiserlichen Privilegiums alle sieben Jahre im Fasching aufgeführt. Die Böttcher (in Bayern auch Schäffler und in Schwaben Kübler genannt) erscheinen bei diesem Tanze in der Tracht der Edelknaben zuerst vor der Kgl. Residenz, wo sie, mit Buchszweigen und farbigen Bändern verzierte Reifen in den Händen tragend, unter der Melodie eines eigenen Liedes ihren Tanz, den sie den „großen Achter“ nennen, aufführen. Nach Beendigung des Tanzes stellt jeder ein gefülltes Weinglas in seinen Reif und schwingt den letzteren über seinem Haupte im Kreise herum, wobei weder das Glas zu Boden fallen, noch der Wein verschüttet werden darf; sodann wird auf den Regenten die „G’sundheit“ ausgebracht und das Glas leer getrunken. Unter Vorantritt einer Musikkapelle treten die Schäffler alsdann den Marsch vor die Wohnungen anderer angesehener Personen und schließlich vor eine Reihe Wirthshäuser an, wo jedesmal der Tanz wiederholt wird. Dieser Tanz, der schon oft Malern Stoff für ihre Darstellungen geliefert hat, wird auch noch in einigen anderen Städten, so namentlich in Nürnberg und Salzburg, zu gewissen Zeiten aufgeführt, als einziger Ueberrest echter volksthümlicher Tänze.

Die Ausschreitungen, zu welchen das Tanzwesen gegen das Ende des Mittelalters geführt hatte, riefen im Reformationszeitalter eine förmliche Literatur gegen den „Tantzteuffel, d. i. wider den leichtfertigen unverschempten Welttantz und sonderlich wider die Gottszucht- und ehrvergessene Nachttentze“[WS 1] hervor. Dieser Krieg dauerte fort bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts. Wie die Deutschen damals in allem die Franzosen nachahmten, so thaten sie es auch mit den Tänzen: die alten deutschen Reihentänze und Schleifer verschwanden an den Höfen und in den Städten, um den französischen Menuetten, Sarabanden, Gavotten, Müsetten etc. Platz zu machen, die sich theilweise bis in das 19. Jahrhundert hinein erhielten, wo sie wieder von anderen fremden Tänzen, z. B. Ecossaise, Redowa, Imperial, Anglaise etc. verdrängt wurden, die dann abermals den modernen Rundtänzen Platz machen mußten. Neben den fremden Tänzen Polonaise, Mazurka, Schottisch, Polka, Lancier und Française erfreuen sich zwei echt deutsche Tänze in der Neuzeit besonderer Gunst, es sind dies der Ländler und der Walzer. Letzterer, der mit Recht als echt deutscher Nationaltanz bezeichnet wird, entstand wahrscheinlich aus dem alten Ländler. Von alten Walzermelodien hat sich bis jetzt namentlich das bekannte Spottliedchen „O du lieber Augustin“ erhalten, das auf einen Sackpfeifer Augustin, der zu Ende des 17. Jahrhunderts in Wien lebte, gedichtet wurde. Zuerst gewöhnlicher Volkstanz, wurde der Walzer vom Jahre 1787 an in Deutschland allgemein üblich und in der Neuzeit ist er durch Lanner, den älteren Strauß u. a. zum beliebtesten Tanze geworden.

Ehe wir unsere Skizze schließen, müssen wir noch der ländlichen Tänze gedenken, die zwar leider immer rascher auszusterben beginnen, in denen aber solch charakteristische Züge echter Volkssitte sich wiederspiegeln, daß manche davon werth wären, der Vergessenheit entrissen zu werden.

Auf dem Lande wurde früher ebenso wie in den Städten an allen Sonntagen, mit Ausschluß der sog. geschlossenen Zeiten, die heute noch beachtet werden, getanzt; die hauptsächlichsten Tanzgelegenheiten waren aber neben Hochzeiten Kirchweihe und Fastnacht, die Pfingstzeit mit den Maitänzen, das Erntefest, das Johannisfest und endlich der St. Katharinentag als letzter Tanztag im Jahre.

Wohl einzig in seiner Art war ein in Langenberg bei Gera üblicher Tanz, welcher der „Fronentanz“ genannt wurde. Dieser Tanz, zu welchem sich die Bauern, sowohl Männlein als Weiblein, aus den umliegenden Ortschaften einfinden mußten, fand auf dem Markte unter einer alten Linde statt und wurde von dem Stadt- oder Landknechte mit einem Mädchen, das er aus den Umstehenden auswählte, eröffnet. Hatte nun der Stadtknecht seinen Umtanz gehalten, so waren die Bauern verpflichtet, ebenfalls mit Tanzen zu beginnen und ohne Ruhepause solange fortzutanzen, bis sie nebenher noch ein Faß Bier ausgetrunken hatten. Dieser Tanz, bei welchem auch der Stadt- und Landrichter zu erscheinen hatte, mußte jedes Jahr am dritten Pfingsttage abgehalten werden, gleichviel ob es regnete oder stürmte, ob gute oder schlechte Zeiten über das Land gekommen waren. Den Ursprung dieses Tanzes leitet man bis in das 10. Jahrhundert zurück, und zwar erzählt die Sage, daß Heinrich der Vogler an einem dritten Pfingstfeiertage durch Langenberg gekommen sei, um nach Leipzig zu reisen. Außerhalb der Stadt blieb nun sein Fuhrwerk an einer Steige stecken, so daß der König Vorspann verlangen mußte, welcher ihm aber verweigert wurde, da sich jung und alt eben unter einem Bäume vergnügte und niemand von dem Tanzplatze weggehen mochte. Hierüber sei nun Heinrich so sehr erbost worden, daß er einen Fronentanz angeordnet habe, welcher alljährlich am dritten Pfingsttage abgehalten werden mußte.

Andere eigenthümliche Bauerntänze waren der Siebensprung, welcher nur von einem Paar getanzt wurde und wobei der Bursche sich niederknieete und in sechs weiteren Stellungen (Sprüngen) allmählich so weit auf den Boden kam, daß er denselben mit der Nase oder Stirn berührte, ferner der Hahnentanz, der Holzäpfeltanz, der Hammeltanz, der Schuhplattltanz und noch viele andere. Ueberdies haben die Bauern in vielen Gegenden bei Hochzeiten und Erntefesten noch besondere Tänze. Die früheren Tänze der Bauern bestanden gewöhnlich in Ringelreihen, die aber längst aufgegeben und vergessen sind – andere Zeiten, andere Sitten!

Ob die Tänze der Gegenwart etwas Schönes seien oder nicht, darüber sind die Ansichten getheilt. Mancher Lobredner der alten Zeit hegt wohl, wenn er heutzutage in einem Tanzsaal aufmerksam die tanzenden Paare betrachtet, wie sie in rasender Eile dahinstürmen, hochgeröthet und fliegenden Athems, den aufrichtigen Wunsch, daß der deutsche Tanz wieder zur alten Strenge und Einfachheit zurückkehren möchte. Andererseits aber wird man doch auch nicht verkennen dürfen, daß die heute üblichen Rund- und Kontretänze, richtig und sinngemäß betrieben, in der Erziehung der Jugend zur Anmuth und Gewandtheit der Bewegung, in der Weckung des Sinns für Maß und Ordnung, für Rhythmus und Harmonie eine keineswegs zu verachtende Rolle spielen.




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Florian Daul: Tantzteuffel, Frankfurt 1567 MDZ München