Der Tapfere (Sechste Sammlung)
Der Tapfere.
Ein böses Heldenthum, wenn gegen Mensch
Der Mensch zu Felde zieht. Er dürstet nicht
Nach seinem Blut, das er nicht trinken kann;
Er will sein Fleisch nicht essen; aber ihn
Aus Rache? Nicht aus Rache: denn er kennt
Den Andern nicht, und liebet ihn vielleicht.
Auch nicht sein Vaterland zu retten, zog
Er fernen Landes her. Ein Machtgebot
Die Raubsucht, Sucht nach höhrer Sklaverei.
Von Wein und Branntwein glühend, schießt er, sticht
Und haut und mordet; mordet – weiß nicht, wen?
Warum? wozu? bis beide Helden dann,
Ein Krankenhaus, mit andern Hunderten
Daliegen ächzend; und sobald den Krieg
Noth und der Hunger endet, alle dann
Als Mörder-Krüppel durch die Straßen ziehn
Gedungne Helden aus Tradition.
Ein edler Held ist, der fürs Vaterland,
Ein edlerer, der für des Landes Wohl,
Der edelste, der für die Menschheit kämpft.
In seinem Herzen, und der Wahrheit Schild
Auf seiner Brust. Er steht im Felde, Feind
Des Aberglaubens und der Ueppigkeit,
Des Irrthums und der Schmeicheleien Feind,
Dem redlichen Gewissen, das ihm sagt:
Er suchte nicht und floh nicht seinen Tod.
* * *
„Was tödtet ihr die Glieder? (rief die Wuth
Des Heidenpöbels.) Sucht und würgt das Haupt!“ –
Johannes Bild und Schüler.[1] Sorgsam hatten
Die Seinen ihn aufs Land geflüchtet.
„Ich
Sah diese Nacht das Kissen meines Haupts
In voller Glut: (so sprach der kranke Greis,)
Ihr Lieben, mühet euch umsonst; ich soll
Mit meinem Tode Gott lobpreisen.“ –
Da
Erscholl das Haus vom stürmenden Geschrei
„Bereitet, sprach er, diesen Müden noch
Ein Gastmahl – Ich bereite mich indeß
Zur Reise auch.“ Er ging und betete.
Und folgete mit vielen Schmerzen ihnen
Rief eine mächtge Stimm’ im Busen ihm:
„Sei tapfer, Polykarp!“
Der Konsul sieht
Den heitern, schönen, ruhigsanften Greis
Und opfre hier, entsagend deinem Gott!“ –
„Wie sollt’ ich einem Herrn entsagen, dem
Zeitlebens ich gedienet und der mir
Zeitlebens Gutes that?“ –
Denn keines Löwen Zahn?“
„Zermalmet muß
Das Waizenkorn doch einmal werden, seys
Wodurch es will, zur künftgen neuen Frucht.“
Der Christen Vater. Feuer! Feuer her!“
Sie trugen Holz zusammen und mit Wuth
Ward er ergriffen.
„Freunde, sprach er, hier
Mich würdigte, der wird mir Muth verleihn.“ –
Und legte still den Mantel ab und band
Die Solen seiner Füße los und stieg
Hinauf zum Scheiterhaufen.
Die Flamm’ empor, umwehend ringsum ihn
Gleich einem Segel, das ihn kühlete,
Gleich einem glänzenden Gewölbe, das
Den Edelstein in seine Mitte nahm
Ihm eine freche Faust das Herz durchstieß.
Er sank; es floß sein Blut; die Flamm’ erlosch;
Und eine weiße Taube flog empor.
* * *
Du lachst der weißen Taube? Soll einmal
Durchboren? Dem Gestorbenen das Aug’
Ein Rab’ aushacken? Aus der Asche sich
Molch oder Natter winden? – Spotte nicht
Des Bildes, das die Sage sich erschuf:
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Poklyarp