Der Teufelsgraben bei Coßlitz

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Der Teufelsgraben bei Coßlitz
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 200-202
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Quelle: Google-USA* und Commons
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225) Der Teufelsgraben bei Coßlitz.

Preusker in den Mitth. d. K. S. Alterth.-Vereins zu Dresden 1835. H. I. und Blicke in die Vaterländ. Vorzeit. (Lpzg. 1840-43. III. 8.) Bd. III. S. 20. sq. Reiniger, Sächs. Prov.-Bl. Hayn 1827. Nr. 4. u. 11. Poetisch beh. v. Ziehnert, Bd. III. S. 81. sq. Novellistisch v. Ew. Dietrich, Erzstufen. 1830. Bd. II. Anders erz. v. K. Winter in der Const. Ztg. 1853. Nr. 292.

Der sogenannte Teufelsgraben, wahrscheinlich ein uralter Grenzwall, schwerlich eine Wasserleitung, wie man auch gemeint hat, ungewiß, ob von Deutschen oder Sorbenwenden gebaut, ist ein 8–12 Ellen breiter und 2–4 Ellen tiefer von Westen nach Osten laufender, ohngefähr 2 Stunden langer Graben ohne Grundfläche, der eine Viertelstunde von den sogenannten Katschhäusern bei Fichtenberg anhebt, dann nach dem Vorwerke Gohrisch und nachher nach Tiefenau zu läuft und endlich in der Nähe des Dorfes Coßlitz bei Großenhayn aufzuhören scheint. Die Volkssage schreibt ihm aber folgenden Ursprung zu. Es soll nämlich der im Dorfe Coßlitz (3 Stunden von Großenhayn und Riesa) befindlichen Mühle sehr oft an Wasser gefehlt haben und eines Tags hat der Müller schon lange nicht mehr mahlen können. Da ist ein fremder Mühlknappe eingesprochen und hat Arbeit verlangt, allein der Müller, der für den seinigen nichts zu thun und kaum Brod hatte, gab ihm seinen Groschen und wies ihn ab. Der ist aber nicht gegangen, sondern hat dem Müller erklärt, er wisse ein Geheimniß, dem Wassermangel abzuhelfen, allein er begehre als Lohn seine Tochter zur Frau. Der Müller hat auch nicht einen Augenblick geschwankt, sondern ihm gleich die Hand des Mädchens zugesagt, dafern sich jener verpflichtete, noch im Laufe der Nacht einen Graben aufzuführen, [201] der die Mühle für alle Zeiten mit Wasser versehen würde. Der fremde Knappe hat ungesäumt den Pact angenommen und sich entfernt, um sein Wort zu halten. Die Müllerstochter aber und ihr heimlicher Geliebter, der mit ihr aufgezogene Müllerknecht ihres Vaters, waren schon recht froh, daß der freche und heimtückische Fremde seines Weges ging, weil sie nicht wußten, was derselbe mit ihrem Vater abgemacht hatte. Als nun aber die Nacht hereinbrach, vernahm man aus der Ferne ein sonderbares Getöse, welches, je später es wurde, sich immer deutlicher vernehmen ließ. Dem alten Müller fing es aber an bald gar ängstlich um’s Herz zu werden, denn er merkte, mit wem er sich eingelassen hatte, und es dauerte ihn, seine einzige Tochter dem Gottseibeiuns verlobt zu haben. Als nun von der Seite von Tiefenau her das furchtbare Lärmen des Teufels, der mit seinen Gesellen einen Graben von der Elbe her führte, immer näher kam, konnte er es nicht mehr bei sich behalten, sondern er schüttete sein angsterfülltes Herz gegen seine Tochter und den ihm längst als treu bekannten Knappen aus. So sannen sie alle drei lange hin und her, wie dem drohenden Unglück zu entgehen sei, als endlich dem Mühlknappen ein längst bekanntes Mittel einfiel, er eilte an die Hofthüre und durch nachgeahmten Hahnruf (wie Andere erzählen, durch Klopfen auf sein Schurzfell) gelang es ihm, den Haushahn zum Krähen zu bringen, und durch dieses Zeichen des beginnenden Tages war der Müller von seinem gegebenen Worte entbunden, denn der Teufel war mit seinem Werke noch nicht fertig geworden. Dieser aber, entrüstet über die ihm zu Theil gewordene Ueberlistung und das Entschlüpfen der jungen unschuldigen Seele, zerstörte die Wasserleitung wieder, und der dankbare Müller gab dem klugen Knappen seine Tochter als Lohn zum Weibe, und sonderbar, von diesem Augenblicke an hatte der bisherige Mühlbach immer hinreichendes Wasser, und das Geschlecht des Müllers blühte noch lange Jahre und hatte nie Mangel an Mahlgästen, die, weil der Müller ehrlich war und blieb, gern dahin kamen. Noch heute heißt aber eine in der Nähe [202] von Tiefenau liegende öde, sumpfige Waldstelle, das Teufelsnest, weil sich der Teufel aus Aerger dorthin zurückgezogen und hier seinen Wohnsitz aufgeschlagen haben soll; er hat aber der Müllerfamilie, die fromm und gut blieb, niemals was anhaben können.[1]


  1. Nach einer andern Version der Sage (bei Winter a. a. O.) wäre jedoch nicht sein Mühlknappe, sondern ein Jäger der heimliche Liebhaber des Mädchens, das, weil sie am Tage des h. Laurentius geboren worden war, Laurentia hieß, gewesen, von ihrem Vater aber seiner Armuth wegen abgewiesen worden, sie sei vor Angst mitten in der Nacht zur Capelle des h. Laurentius, die zwei Stunden entfernt war, geflüchtet und habe den Heiligen um Rettung gebeten, und diesem habe man das rettende, allzufrühe Krähen des Haushahns zugeschrieben. Dieses Wunders wegen sollen nun auch viele Andere nach jener Capelle gewallfahrt sein und das dankbare Liebespaar – das Mädchen bekam ihren Geliebten noch – demselben eine größere Kirche erbaut haben, da die frühere kleine Capelle dem Zudrang der vielen Pilger nicht mehr genügte; um diese erhoben sich später mehrere Häuser, aus denen zuletzt ein Dorf und nach und nach das durch seinen Jahrmarkt bekannte Lorenzkirchen ward.