Der Tower-Brand (Fontane, 1905)

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Textdaten
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Autor: Theodor Fontane
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Titel: Der Tower-Brand
Untertitel:
aus: Gedichte, Seite 195–197
Herausgeber:
Auflage: 10. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger
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Erscheinungsort: Stuttgart und Berlin
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Quelle: Scans auf Commons
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[195]
Der Tower-Brand.[1]


     Wenn’s im Tower Nacht geworden, wenn die Höfe leer und stumm,
Gehn die Geister der Erschlagnen in den Corridoren um,
Durch die Lüfte bebt Geflüster klagend dann, wie Herbsteswehn,
Mancher hat im Mondenschimmer schon die Schatten schreiten sehn.

5
     Vor dem Zug, im Purpurmantel, silberweiß von Bart umwallt,

Schwebt des sechsten Heinrichs greise, gramverwitterte Gestalt,
Lady Gray dann, mit den Söhnen König Edwards an der Hand; – –
Leise rauscht der Anna Bulen langes seidenes Gewand.

     Zahllos ist das Heer der Geister, das hinauf, hinunter schwebt,

10
Das da murmelt: „Fluch Dir Tower, dran das Blut der Unschuld klebt;

Schutt und Trümmer sollst Du werden!“ aber machtlos ist ihr Fluch,
Ehern hält den Bau zusammen böser Mächte Zauberspruch.

[196]
     Wieder nachtet’s, wieder ziehn sie durch die Räume still und weit,

Plötzlich stock der Zug und schaart sich um ein glimmend Tannenscheit,

15
Dann geschäftig tragen Schnitzwerk, Fahnen, Frangen sie herzu,

Und zur hellen Flamme schüren sie die matte Gluth im Nu.

     Wie das prasselt, wie das flackert! einen sprühnden Feuerbrand
Nehmen sie zum nächt’gen Umzug jetzt als Fackel in die Hand,
Weithin wird die Saat der Funken in den Zimmern ausgestreut,

20
Flammen sollen draus erwachsen; hei, der Fluch erfüllt sich heut!


     Alles schläft: doch auf vom Lager springt im Nu der rasche Sturm,
Und er wirft sich in das Feuer, und das Feuer in den Thurm,
An des Towers Felsenwände peitscht er schon das Flammenmeer,
Und den Segen drüber sprechend, wogt auf ihm das Geisterheer.

25
     Doch, als ob das Salz der Thränen feuerfest die Wände macht,

Wie wenn Blut der beste Mörtel, den ein Meister je erdacht, –

[197]
Seht, wie durstig auch die Flamme sich von Thurm zu Thurme wirft,

Hat sie doch, als wären’s Becher, nur den Inhalt ausgeschlürft.

     Wieder, wenn es Nacht geworden, wenn’s im Tower leer und stumm,

30
Gehn die Geister der Erschlagnen in den Korridoren um,

Durch die Lüfte weht Geflüster, klagend dann wie Herbsteswehn,
Mancher wird im Mondenschimmer noch die Schatten schreiten sehn.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Festung überstand das Große Feuer von London 1666. Am 30. Oktober 1841 wurden bei einem Feuer im Tower Gebäude beschädigt.