Der Wundervogel

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Autor: Heinrich Gottlob Gräve
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Titel: Der Wundervogel
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aus: Volkssagen und volksthümliche Denkmale der Lausitz, S. 95–97
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Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: F. A. Reichel
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Erscheinungsort: Bautzen
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Quelle: MDZ München, Commons
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XXX. Der Wundervogel.

Zeigt sich – jedoch nur äußerst selten – auf der Lausche bei Zittau, ein Vogel von gar wunderlicher Gestalt. Ständer, gleich einem Storch, Kopf und Schnabel wie ein Lämmergeier, große Fittiche wie ein Fregatvogel (pelicanus aquilus) und einen Schwanz, wie der Sekretair [96] (falco serpentarius) habend, von überaus wunderschönem buntfarbigem Gefieder.

Dieser seltene Vogel ist nichts mehr und nichts weniger, als ein von einem bösen Zauberer in einen Vogel verwandelter Prinz, welches sich folgendergestalt zugetragen hat.

Dieser Prinz war aus dem Böhmerlande, besaß eine wundervolle Gestalt, ein sprechendes, einnehmendes Gesicht, mit welchen körperlichen Vorzügen er ein edles Herz und hellen Verstand verband. Er schätzte Künste und Wissenschaften, war ein Wohlthäter der Armen, gütiger Vater der Kinder, Tröster und Helfer der Kranken und Leidenden; kurz, er war ein Muster eines Prinzen, welcher dereinst auf dem Throne ein Herrscher zu werden versprach, dergleichen die Jahrbücher der Welt nur wenig aufzuzeigen vermögen. Das Einzige, was man ihm zur Last zu legen vermochte, – denn es giebt ja Menschen, die selbst an dem Vollkommensten in seiner Art immer noch Etwas zu tadeln und auszusetzen finden – war seine Liebe zur Jagd, so, daß man mit Fug und Recht von ihm sagen konnte:

In den Wäldern berühmt, berühmt in Erlegung des Wildes.[1]

Eines Tages jagte er nach der Mittagsstunde in der Nähe der Lausche. Da begab es sich nun, daß ein gewaltiger Adler in der Luft kreiste. Wito – so mag einstweilen der Prinz heißen, da wir nicht fürchten, daß wir ihn durch Beilegung dieses Namens weder um eine Erbschaft bringen, noch sonst auf irgend eine Art und Weise verletzen oder beleidigen werden – sendete von seinem [97] Bogen einen fern treffenden Pfeil, und aus den Wolken herab stürzte Kronions Waffenträger und fiel in den auf der Lausche damals befindlichen Garten eines Zauberers, welcher unglücklicher Weise in einer Laube daselbst sein Mittagsschläfchen hielt. Wüthend, durch das Getös, welches sein Fall verursachte, so unangenehm gestört zu werden und noch erboster, da er bemerkte, wie das Thier im Fallen einige Zweige geknickt und mehrere Blumen verletzt hatte, ließ der Zauberer alle Geister der Ober- und Unterwelt über seine Zunge donnern, fluchte der Ursache dieser Störung und des verursachten Schadens und trat in vollem Grimm aus dem Garten, wo er den Prinz, – den er wegen seiner guten Eigenschaften und der allgemeinen Liebe, die er besaß, ohnedieß haßte – erblickte, ihn mit dem Zauberstabe berührte und durch die Worte: „Sey Einer des Geschlechts, wovon du einen getödtet, so lange, bis dich ein Jäger, der seiner Herrschaft nie Etwas veruntraut hat, erlegt. – Durchstreifte unstät die Lüfte.“

Man kann nicht gewiß bestimmen, ob sich ein solcher Jäger gefunden und die Bezauberung gelöset habe, oder, ob der unglückliche Prinz noch immer die Lüfte durchirre.


  1. Clarus in syluis, inter caedesque ferarum.