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Der Zimmer- und Fenstergarten

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Textdaten
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Autor: Oswin Hüttig
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Titel: Der Zimmer- und Fenstergarten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 3, 8, S. 50, 139
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Der Zimmer- und Fenstergarten.

Wenn ich der Blumenliebhaberin und Pflegerin von Floras Kindern mit einigen Rathschlägen für die Behandlung ihrer Lieblinge an die Hand zu gehen gedenke, so muß ich vor allen Dingen bitten, nicht Wunderwerke von mir erwarten zu wollen, denn meine Vorschriften helfen nur „der glücklichem Hand“, das heißt Demjenigen, der sie mit seinem eigenen Verständniß für die Bedürfnisse der Pflanzen zu vereinigen weiß.

Ehe ich die eine oder andere besonders beliebte Pflanzenfamilie bespreche, möchte ich mir erlauben, den Bedürfnissen der Pflanzen im Allgemeinen einige Zeilen zu widmen, sei es auch nur, um sonst nothwendiger Wiederholungen überhoben zu sein, und bemerke vor Allem, daß am geeignetsten als Zimmergarten ein zu diesem Zweck eingerichtetes Blumenzimmer ist, was nicht ausschließt, daß einzelne besonders geduldige Blüthen- oder Blattpflanzen auch im gewöhnlichen Wohnzimmer gut gedeihen. Die beste Lage für ein solches Blumenzimmer ist die gegen Süden und Südost, im Winter noch besser die gegen Südwest, weil auf die Morgensonne wenig zu rechnen ist; das Sonnenlicht wirkt meist sehr wohlthätig auf die Pflanzen und wer solches entbehrt, wird nie viel Glück mit ihnen haben, am wenigsten mit denen, die im Winter blühen sollen. Ein Ausbau mit Fenstern an drei Seiten dürfte allen Zwecken vollständig genügen; doch darf ihm eine bequeme Einrichtung zum Lüften der Fenster, zum Schutz gegen Kälte im Winter und gegen die Mittagssonne im Sommer nicht fehlen. Im Nothfall muß man sich, namentlich bei geringem Vorrath von Pflanzen, mit einem einfachen Doppelfenster begnügen.

Gewächse, welche im Herbst mit ihren Stengeln absterben, oder harte Holzpflanzen, auch solche, welche die Blätter abwerfen, können wenigstens bis dahin, wo sie von Neuem beginnen zu treiben, in einem trocknen Keller oder frostfreien Schuppen überwintert werden, denn ihnen ist die Winterruhe ein ebenso großes Bedürfniß, wie ihnen und allen andern Pflanzen die Wärme, das Licht und zum Theil auch der Sonnenschein im Sommer. Sind jene Räume nicht dumpfig, mit Einrichtungen zum Lüften versehen und noch genügend hell, so kann man darin wohl auch Levkojen, Goldlack, Myrthen, Oleander, Fuchsien, Agaven, Yuccas und viele andere überwintern, welche in dieser Jahreszeit nicht blühen.

Im Allgemeinen sollen die Zimmerpflanzen in nicht zu großen Gefäßen stehen, weil sie darin, namentlich während des Winters, leicht faulen oder sonst krank werden. Bemerkt man dies, so soll die Pflanze in einen andern kleineren Topf versetzt werden, wobei man den Wurzelballen durch Auswaschen in lauwarmem Wasser vollständig reinigt, die faulen Wurzeln ausschneidet und bis zu beginnendem Wachsthum nur wenig Wasser giebt. Die großen Töpfe sind auch unbequem, weil sie viel Platz beanspruchen, und kann man, wenn man die Pflanzen in gehacktes Moos setzt, welches mit Mineraldung getränkt wurde, sehr kleine Gefäße anwenden, also auch verhältnißmäßig viel Pflanzen unterbringen, und hat sich folgende Mischung als Blumendünger im Moos ganz vorzüglich bewährt: 38 % salpetersaures Ammoniak, 30 % doppelt phosphorsaures Ammoniak, 26 % salpetersaures Kali (Salpeter), 5 % doppelt phosphorsaurer Kalk fein gepulvert, 1 % schwefelsaures Eisen, welche Materialien von jeder Droguenhandlung abgegeben werden. Man löst dieselben in Wasser auf und vermischt das Moos mit der Lösung. Bei Bedarf kann solches Wasser später auch in verdünntem Zustande zum Gießen benutzt werden. Im Allgemeinen ist Waldmoos zu empfehlen, nur für Sumpfpflanzen darf Sumpfmoos (Sphagnum) angewendet werden, weil dieses die Feuchtigkeit länger anhält, als gewöhnlichen Landpflanzen dienlich ist.

Das Versetzen der Gewächse in andere und größere Gefäße darf nicht zu oft geschehen: holzige Pflanzen werden in der Regel am seltensten versetzt, weil sie nur langsam größere Wurzeln treiben, weil ihre Blätter vielleicht mehr als die anderer Pflanzen zur Ernährung des Ganzen beitragen und weil die meisten derselben eine Zeit vollständiger Ruhe nöthig haben, in welcher die Aufnahme von Nahrung unmöglich ist. Andere dagegen müssen jährlich verpflanzt werden und, sind es Blüthenpflanzen, am besten bald nach der Blüthe, oder im Frühjahr, wenn diese spät im Sommer eintritt.

Die meiste Vorsicht erfordert das Begießen der Zimmerpflanzen: frisch versetzte Gewächse darf man nach dem ersten Angießen nicht zu oft begießen; die feinen Wurzeln sollen sich nach und nach mit der Erde verbinden, und die Luft muß stets auf die Erde einwirken, nur bei der Auflösung der Nahrungsstoffe mit helfen zu können: wollte man gleich zu stark gießen, so würde auch die lockerste Erde fest werden und die Pflanze müßte unfehlbar schon aus dem Grunde absterben, weil sie nicht eher die Fähigkeit besitzt, Feuchtigkeit und die von ihr aufgelöste Nahrung aufzunehmen, als bis neue Wurzeln sich gebildet haben. Deshalb sollen auch im Keller, bei schwacher Beleuchtung und niedriger Temperatur, überwinterte Pflanzen nur selten, solche ohne Blätter gar nicht begossen werden.

Auch bei angewachsenen und älteren Pflanzen erfordert das Gießen immer einige Vorsicht; man gießt gewöhnlich zu oft oder zu wenig und verliert dadurch manche Pflanze. Am sichersten geht man, wenn man nicht eher gießt, als bis die Oberfläche des Wurzelballens trocken geworden ist, was im Winter weniger oft der Fall sein wird, als im Sommer, oder richtiger zur Zeit des stärksten Wachsthums.

Für den Winter empfiehlt es sich, die Erde nach der Mitte des Topfes oder Kübels, um den Stamm herum ein wenig zu erhöhen, um das Innere mehr trocken, das Aeußere mit den aufsaugenden Faserwurzeln mehr feucht zu halten, welche Erhöhung aber im Frühjahre wieder auszugleichen ist.

Bei Wurzelballen, die niemals austrocknen, ist der Wasserabzug verstopft; man nehme dann die Pflanze aus dem Topfe, reinige das Abzugsloch und bedecke es mit einem, besser mit mehreren Scherben; gewöhnlich wird jetzt ein regelrechtes Verpflanzen, das heißt die Erneuerung der versauerten Erde gute Dienste leisten. Eine Hauptbedingung für das Gedeihen der Pflanzen ist die Anwendung von „überschlagenem“ Wasser von derselben Temperatur wie die des Raumes, in welchem die Pflanze steht.

Gaslicht ist den Pflanzen sehr schädlich; dagegen befördert elektrisches Licht das Wachsthum und das Gedeihen der Pflanzen, wenn es durch farbloses (weißes) Glas gebrochen wird. Uebrigens ist der Bedarf an Licht nicht bei allen Pflanzen gleich; leider aber stützten sich unsere Pflanzenzüchter bei der Beurtheilung dieses wichtigen Moments bisher nur auf ihre eigene Erfahrung oder auf die Ueberlieferungen von Anderen, denn wohl erzählen uns neuere Pfadfinder in dem Gebiete der Pflanzenkunde, daß einzelne Arten in brennender Sonnenhitze wachsen und blühen, aber sie sagen uns selten, welche Pflanzen überhaupt sie in schattiger oder sonniger Lage gefunden haben. Aber die Pflanze selbst sagt uns ganz deutlich, ob sie im Schatten oder unter dem Einflusse des Sonnenlichts gezogen sein will, nur muß man das Mikroskop zu Hülfe nehmen, um ihre Sprache zu verstehen: man muß ihr Blatt untersuchen!

Wenn nämlich, wie Professor Dr. Wittmack durch einen im Vereine zur Beförderung des Gartenbaus in Berlin am 29. März 1883 gehaltenen Vortrag ausführte, unter der Oberhaut zwei Reihen langgestreckter und senkrecht gestellter sogenannter Palissadenzellen sich befinden, dann ist ihre Trägerin eine Pflanze, welche an Sonnenlicht gewöhnt ist, denn die Chlorophyllkörner dieser Zellen befinden sich in Reihen längs der Seitenwände, lassen also den Raum in der Mitte frei und werden von dem hier durchgehenden Sonnenlichte wenig berührt; erst unter diesen Palissadenzellen befinden sich weitere Schichten länglicher oder rundlicher Zellen mit den in ihnen gleichmäßig vertheilten Chlorophyllkörnern, die von dem hier bereits abgeschwächten Sonnenlichte nicht mehr leiden können. Befindet sich aber unter der Oberhaut nur eine Schicht Palissadenzellen, so verlangt die Pflanze mehr Schatten als Licht, und wenn die Palissadenzellen ganz fehlen, wenn die rundlichen Zellen mit ihren gleichmäßig vertheilten Chlorophyllkörnern schon unter der Oberhaut sich vorfinden, dann

gehört das Blatt einer ausgesprochenen Schattenpflanze an.
O. Hüttig.     

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Der Zimmer- und Fenstergarten.

Der Felsenstrauch (Azalea[1]).


Nur wenige von den fremden Blumen, die in unseren Gärten und Treibhäusern eine neue Heimath fanden, haben ein so allgemeines Interesse erweckt, wie die Azaleen, deren einzelne Arten, unter der Hand kundiger Gärtner in Massen gezüchtet, den ganzen Winter hindurch den prächtigsten Blumenschmuck liefern. Nur bei wenigen Pflanzen ist es auch dem Menschen gelungen, durch richtige Pflege einen so überraschenden Blüthenreichthum, einen solchen Glanz von Blumenfarben zu erzielen, wie dies bei diesen Sträuchern der Fall. Darum werden auch die Azaleen als stets dankbare Marktpftanzen in allen Ländern im größten Umfang gezogen und bilden sogar in den Gärtnereien von Gent in Belgien einen nicht unbedeutenden Exportartikel, indem sie von dort nach den verschiedensten Ländern verschickt werden. Als Winterblumen werden sie sehr gern zum Schmuck unserer Zimmergärten verwandt, oder als einfacher Blumenschmuck in unsern Wohnzimmern aufgestellt. Sie gehören der natürlichen Familie der Rhodoraceen an und stehen den Alpenrosen (Rhododendron L.) sehr nahe. Die prachtvollsten Arten stammen aus China und Japan, von denen die sogenannte Indische Azalee (Azalea indica L. oder Rhododendron indicum Sweet) die Stammmutter der meisten Spielarten unserer Kalthäuser ist und unter allen Arten lange Zeit den ersten Rang eingenommen hat; ihren Namen werden sie wahrscheinlich deshalb erhalten haben, weil sie, obwohl in China und Japan einheimisch, über Ostindien nach Europa gekommen sind; schon im 17. Jahrhunderte waren sie in den Gärten der Niederlande; erst später dürften sie nach England, Deutschland etc. gelangt sein.

Die indischen Azaleen nennt man die immergrünen, zum Unterschied von den laubabwerfenden Arten; sie sind in Kleinasien, China, Cochinchina und Nordamerika einheimisch, und von ihnen ist der pontische Felsenstrauch (Azalea pontica L.) in den Gärten schon seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts bekannt. Er schwitzt wie auch unsere gewöhnliche Alpenrose (Rhododendron ponticum L.) einen narkotischen Honig aus, dessen Genuß bei den aus Asien heimkehrenden 10,000 Griechen des Xenophon, die ihn bei Trapezunt gegessen hatten, Erbrechen und Durchfall bewirkte, sodaß sie 3 bis 4 Tage gleichsam berauscht und ihrer Kräfte beraubt waren.

Da wir in diesen Artikeln die Aufgabe verfolgen, den Blumenfreunden unter unseren Lesern praktische Rathschläge zu ertheilen, so wollen wir im Nachstehenden in aller Kürze das Wichtigste über die Zucht und Pflege der beliebtesten indischen Azaleen mittheilen. Den reifen Samen derselben säet man, am besten im Februar oder März, oben auf in flache Näpfe mit gutem Wasserabzuge und sandiger Haide-Erde, drückt ihn fest, aber ohne ihn unter die Erde zu bringen, und spritzt ihn mit lauwarmem Regenwasser an, bedeckt ihn dann mit einer Glasscheibe und läßt ihn im temperirten Gewächshause oder auch am Fenster des warmen Wohnzimmers keimen, was aber nur geschehen kann, wenn er niemals trocken, sondern immer feucht (nicht naß) liegt. Wenn die Pflänzchen stark genug geworden, pflanzt man sie auseinander, man „pikirt“ sie in eine andere Samenschale mit derselben Erde, hält sie durch Bedecken mit einer Glasscheibe einige Tage abgeschlossen von der Luft, an welche sie nach und nach gewöhnt werden müssen, denn von ihr und von Licht oder Sonne können sie kaum jemals genug bekommen; außerdem sorge man für stets gleichmäßige Feuchtigkeit, gieße aber stets mit „überschlagenem“ Wasser.

Während des ersten Jahres hält man die Sämlinge verhältnißmäßig warm, aber immerhin ziemlich luftig, und pflanzt sie im zweiten Jahre, wenn möglich, in ein halbwarmes Mistbeet mit Haide-Erde, gewöhnt sie nach und nach an Luft und Sonne, läßt sie zur Bildung des Stammes gerade in die Höhe wachsen und entspitzt sie dort, wo man wünscht, daß die Krone sich entwickeln soll. Ende August sollte man die Pflanzen wieder in Töpfe setzen, sie zum schnelleren Anwachsen noch einige Zeit in geschlossener Luft halten, sie dann allmählich abhärten und dann wie ältere Exemplare im Kalthause oder kühlen, aber stets frostfreien Zimmer überwintern. – Während des Sommers thut ihnen ein häufiges Ueberspritzen mit überschlagenem Wasser sehr gut, wenn es nicht während des heißen Sonnenscheins geschieht.

Aeltere Pflanzen der indischen Azalee hält man über Winter im Kalthause oder im Wohnzimmer nahe dem Fenster, schützt sie im Sommer vor der Mittagssonne und hält sie vermittelst überschlagenen Regenwassers gleichmäßig feucht. Beinahe jährlich müssen sie verpflanzt werden, am besten gleich nach der Blüthe, bei neu beginnendem Wachsthume, und giebt man ihnen eine Mischung von 1/4 grober Haide-Erde, 1/4 Torfmoor, 1/4 Lauberde, am besten von Buchen, und 1/4 Fluß- oder ausgewaschenen Grubensand, wozu man noch kleine Torfstücke und Ofenruß mischt. Da der Liebhaber schwerlich mit einem Erdmagazin versehen sein dürfte, thut er am besten, sich diese Erdmischung von einem intelligenten Gärtner zu verschaffen.

Azalea balsaminaeflora.

Vor dem Verpflanzen muß der etwa trockene Wurzelballen angefeuchtet werden, weil er nach dem Versetzen das Wasser nur schwer annimmt; gleichzeitig schneide man alle überflüssigen, zu dicht stehenden Zweige aus und gebe der Krone durch Verkürzen allzulanger Triebe eine hübsche Form. Gesunde Pflanzen vertragen, ja fordern sogar kräftige Nahrung, die man ihnen in der Form von aufgelöstem Rindsdung, vergohrenen Hornspähnen u. dergl. reichen sollte.

Um die indischen Azaleen früher als gewöhnlich in Blüthe zu haben, stellt man geeignete Sorten mit weitvorgeschrittenen Blüthenknospen vom November ab in einen wärmeren Raum, den man in der Nacht um einige Grade kühler halten muß als am Tage, und gießt mit 20° R. warmem Regenwasser.

Einen Uebergang von den Felsensträuchern oder Azaleen zu den Alpenrosen bildet der Balsaminen-Felsenstrauch (Azalea balsaminaeflora. W. Bull. hort.), eine herrliche Abart aus Japan, wohl auch vom Berge Ophir auf Malakka, auf die wir die Blumenliebhaber besonders aufmerksam machen möchten. Die Blüthen sind glänzend lachsroth und dicht gefüllt; sie erinnern in ihrer Größe und Form an die bekannte Camelien-Balsamine und sind besonders werthvoll für Blumensträuße, wie überhaupt die reichblühenden Pflanzen für jede Decoration brauchbar sind. Von dieser Varietät hat man auch Sorten mit weißen, rothen und gelben Blumen. Die Pflanzen überwintert man am besten zwischen den Doppelfenstern des Wohnzimmers oder im temperirten Gewächshause; nach dem Abschluß des Triebes bringt man sie in’s Freie, wo sie sonnig, aber gegen die Mittagssonne geschützt, aufgestellt werden sollten.

O. Hüttig.     
  1. Der Name stammt von dem griechischen azaleos = hart, dürr.