Der betrogene Krämer
Ein Rubel ist in Rußland eine Silbermünze, und beträgt 27 Batzen hin oder her, ein Imperial aber ist ein Goldstück und thut zehen Rubel, deswegen kann man wohl für einen Imperial einen Rubel bekommen, zum Beispiel, wenn man in den Karten neun Rubel verliert, aber nicht für einen Rubel einen Imperial. Allein ein schlauer Soldat in Moskau, sagte doch: „was gilts? morgen auf dem Jahrmarkt will ich mit einem Rubel einen doppelten Imperial angeln.“ Als den andern Tag in langen Reihen von Kaufläden der Jahrmarkt aufgieng, vor allen Ständen standen schon die Leute, lobten und tadelten, boten ab und boten zu, und die Menge gieng auf und gieng ab, und die Knaben grüßten die Mägdlein, kommt auf einmal der Soldat mit einem Rubel in den Händen. „Wem gehört dieser [285] Kaiserthaler, dieser Rubel? gehört er euch?“ fragt er jeden Krämer an jedem Stand. Einer, der ohnehin nicht viel Geld löste, und lange zusah, dachte endlich: „wenn dich dein Geld an die Finger brennt, die meinigen sind nicht so blöde. Hieher Musketier, der Rubel ist mein.“ Der Soldat sagte: „wenn ihr mir nicht gerufen hättet, ich hätt’ euch schwerlich gefunden unter der Menge, und gibt ihm den Rubel. Der Kaufmann betrachtet ihn hin und her, und klingelt daran, ob er gut sey; ja er war gut, und steckt ihn in die Tasche. „Seid so gut und gebt mir denn jezt auch meinen Imperial,“ sagte der Musketier. Der Kaufmann erwiederte: „ich habe keinen Imperial von euch, so bin ich euch auch keinen schuldig. Da habt ihr euren einfältigen Rubel wieder, wenn ihr nur Spaß wollt machen.“ Aber der Musketier sagte: „meinen zweifältigen Imperial gebt mir heraus, mein Spaß ist Ernst und die Marktwache, die Polizey wird zu finden seyn.“ Ein Wort gab das andere, das glimpfliche gab das trotzige, und das trotzige gab das schnöde, und es hängte sich an den Stand mit Leuten an, wie ein Bart an einem Bienenkorb. Auf einmal bohrt etwas wie ein Maulwurf durch die Menge. „Was geht hier vor?“ fragt der Polizeisergeant, als er sich mit seinen Leuten durch die Menge durchgebohrt hatte. „Was geht vor? frag ich?“ Der Krämer wußte wenig zu sagen, aber desto wundfertiger war der Musketier. Vor keiner Viertelstunde, erzählte er, hab’ er diesem Mann für einen Rubel abgekauft, das und das. Als er ihn bezahlen wollte, in allen Taschen habe er kein Geld gefunden, nur einen doppelten Imperial, den ihm sein Pathe geschenkt habe, als [286] er gezogen wurde. So habe er ihm den Imperial als Unterpfand zurückgelassen, bis er den Rubel bringe. Wie er mit dem Rubel wieder kommen sey, hab er den rechten Kaufladen nimmer gefunden, und an allen Ständen gefragt: „wem bin ich einen Rubel schuldig?“ so habe dieser da gesagt, er sey derjenige, und sei’s auch, und habe ihm auch den Rubel abgenommen, aber von dem Imperial wolle er nichts wissen. Wollt ihr ihn jetzt gutwillig herausgeben oder nicht?“ Als aber der Polizeisergeant die Umstehenden fragte, und die Umstehenden sagten: ja der Musketier habe an allen Kaufläden gefragt, wem der Rubel gehöre, und dieser habe bekannt, er gehöre ihm, und habe ihn auch angenommen, und daran geklingelt, ob er probat sey. Als der Polizey-Hauptmann das hörte, so gab er den Bescheid: „habt ihr euern Rubel bekommen, so gebt dem Soldaten auch seinen Imperial zurück, oder man petschiert euch euren Stand mit Lattnägeln zusammen, und ihr werdet zwischen euren eigenen Brettern eingeschachtelt und eingeschindelt, und könnt ihr alsdann lang Hunger leiden, so könnt ihr auch lang leben.“ Das sagte der Anführer der Polizeywache, und wer dem Musketier für einen Rubel einen Imperial herausgeben mußte, war der Kaufmann.
Merke: Fremdes Gut frißt das eigene, wie neuer Schnee den alten.