Der erste Kuß (Heubner)
Der erste Kuß.[1]
„– Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie
nicht mehr an die Angst, um der Freude willen, daß
der Mensch zur Welt geboren ist.“
Ev. Joh. 16, 21.
O! gebt mir’s her! Gebt mir mein liebes Kind,
An seinem Anblick mir das Herz zu laben!
Ich will es sehn! O! gebt mir es geschwind! –
Welch süßes Glück, ein Kind, ein Kind zu haben! –
Der süße, holde, kleine, rothe Mund! –
Die Aeuglein hat der Schlummer schon umfangen!
Wie sehn sie aus? – Ihr Lieben, thut mir’s kund! –
Blau? – Nicht wahr? Blau, wie seines Vaters Augen?
Wie oft, wie gern werd’ ich die Blicke tauchen
In dieser lieben Aeuglein sanften Schein! –
Die hohe Stirn! die kühngeschwung’nen Braun!
Ja, ja! Das sind des Vaters theure Züge!
Den ersten Kuß! – Nun legt es in die Wiege!
O! bettet mir’s recht warm, recht sanft, recht gut,
Und rückt es mir recht nahe an die Seite!
Wie ist mir jetzt so wohl, so leicht zu Muth,
Versorgt mir ja mein Kind mit allem Fleiß! –
O! was seid ihr, ihr überstand’nen Schmerzen? –
Für solche Wonne kein zu hoher Preis!
Es ruht ein Kind, ein Kind an meinem Herzen!
Er schließe in sein Vaterherz dich ein! –
Ich will dir eine treue Mutter sein! –
Mein Leben treibt nun tausend neue Blüthen! –
Mein lieber Mann! – Wie heiter glänzt dein Blick!
Es ist uns Beiden ja, das süße Glück,
Das uns des Himmels Gnade zugemessen.
Wie froh, wie selig, Theurer, wird es nun
Uns sein in unsers Hauses stillen Räumen! –
Und von der Zukunft meines Kindes träumen!
- ↑ Probe aus einer demnächst erscheinenden Gedichtsammlung von Gustav Heubner: Mutter-Liebe und Leben.