Der große Christoph (Geisheim)

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Textdaten
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Autor: Johann Karl Wilhelm Geisheim
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Titel: Der große Christoph
Untertitel:
aus: Gedichte, Zweites Bändchen,
S. 356–363
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: Josef Max und Komp.
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Erscheinungsort: Breslau
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[356]
Der große Christoph.


Phoros, ein Heid’ aus Kanaan,
Zwölf Ellen, wie ein Baum ein Mann,
Von Angesicht ein fröhlich Haus,
Fühlt seine Kraft, und ziehet aus,

5
Zu suchen sich den größten Herrn,

Dem er will dienen lieb und gern.
Zu einem König man ihn weist,
Der weit und breit der größte heißt.
Dir will ich dienen, spricht Phoros,

10
Und gern den Bund der König schloß;

Denn keinen Knecht hat er bisher,
So stark und thatenreich, wie der.
Er schlug den Feind, er zwang den Leu,
War folgsam dem Gebot und treu.

15
     Einst zu der Harfe Liebesklang,

Gern hört’s Phoros, der Sänger sang,
Und von dem Teufel sang er was:
Der König, der zur Tafel saß,
Bekreuzet vor dem Teufel sich;

20
Das sieht Phoros, und wunderlich

Dünkt ihm’s, und fragt den König bald.
Der spricht: Das Kreuz schützt vor Gewalt
Des Teufels, den man, wie bekannt,

[357]
Nicht ungestraft mahlt an die Wand.
25
Vermag der Teufel über dich?

Ist stärker er, als du und ich? –
Ja wohl! versetzt der König scheu. –
So bist du ledig meiner Treu’;
Dem Mächtigsten nur dien’ ich gern,

30
Den Teufel wähl’ ich mir zum Herrn!

     So spricht Phoros, und ziehet fort,
Und rennt und sucht von Ort zu Ort
Den schwarzen Herrn, den bösen Feind,
Der ihm der Herren größter scheint.

35
     Auf wilder Bahn einst folget ihm

Mit grausen Sturmes Ungestüm
Ein Rittertroß im Drang der Jagd,
Und Einer über Alle ragt,
Gehüllt in schauerliche Nacht,

40
Aus welcher, wie ein Brand im Schacht,

Roth, wie ein glühendes Geschoß,
Die Augen flammen auf Phoros. –
Der schwarze Ritter sprengt heran:
Wen suchst du, fragt er, starker Mann? –

45
Den Teufel! spricht der Starke dreist. –

Der bin ich! grinst der finstre Geist. –
So nimm mich an zu deinem Knecht! –
Dem Teufel ist das eben recht.
Phoros besteiget einen Gaul,

50
Ist in dem neuen Dienst nicht faul:

Legt überall sich Ehre ein,
Und treibet viel’ der Teufelei’n.

     
[358]
Einst reiten sie auf breiter Bahn

Nah an ein Christuskreuz heran.

55
Der Teufel sieht’s, und lenkt sein Roß,

Und bieget abwärts mit dem Troß.
Phoros, verwundert, fragt ihn laut,
Warum er sich dorthin nicht traut?
Der Böse bleibet stumm und still,

60
Weil ungern er verrathen will,

Wie schwach er sey; jedoch Phoros
Droht, zu verlassen seinen Troß.
Wenn er ihm nicht den Grund gesteht,
Warum er an das Kreuz nicht geht. –

65
Das Kreuz, spricht Jener, trug den Christ,

Der meinen Werken feindlich ist;
Ihn muß ich scheu’n. – Du fürchtest ihn?
Versetzt Phoros, so laß mich ziehn,
So dien’ ich nun dir ferner nicht:

70
Dem größten weiht’ ich meine Pflicht!

     Und eilet fort, und sucht den Christ;
Und spricht nach kurzen Weges Frist
Bei einem frommen Siedler ein,
Und sagt: ich will dem Christ mich weihn;

75
So lehre mich, wie fang’ ich’s an? –

Drob freuet sich der Gottesmann,
Zeigt fröhlich ihm das heil’ge Buch,
Und lehrt ihn manchen heil’gen Spruch. –
Phoros wird immer eifriger,

80
Und fraget immer dringender:

Sag an, wie nah’ ich mich dem Herrn,

[359]
Daß ich ihm diene lieb und gern? –

Gebet und Fasten führet dich,
Spricht Jener, zu ihm sicherlich;

85
Und treulich betet, fastet er;

Doch gnügt’s ihm nicht, gern will er mehr,
Will Großes thun für seinen Herrn,
Das Schwerste schaffen froh und gern.
Darauf der fromme Siedler sprach:

90
Dort an dem Felsen rauscht ein Bach,

Darüber führt nicht Brück’, noch Steg;
Doch ist es vieler Pilger Weg.
Du bist ja lang und stark, mein Sohn;
So trage dort um Gottes Lohn

95
Die Menschen durch die Wasserfluth. –

Phoros thut’s flink und wohlgemuth;
Baut eine Hütte dort sich an,
Und trägt und dienet Jedermann,
Um Gottes Willen, Tag und Nacht.

100
     Einst, als er schweren Tag vollbracht,

Und, müde von der Arbeit, schlief,
Da weckt’s ihn auf; – ihm war, als rief’
Ein Kind ihn; doch kein Kind war da,
Obgleich er längs dem Ufer sah.

105
Er schlummert wieder; bald auf’s Neu’

Zieht ihn des Kindes Ruf herbei;
Doch Niemand zeigt sich seinem Blick.
Kaum kehret ihm der Schlaf zurück,
Da ruft zum dritten Mal das Kind.

110
Geduldig steht er auf, geschwind
[360]
Geht er zum Strom; und findet dort

Ein Kind, rafft’s auf, und trägt es fort.
Da schwoll die Fluth urplötzlich hoch,
Und schwer, wie eines Felsen Joch,

115
Drückt den Phoros das Kind hinab.

Kaum hält ihn seine Kraft, sein Stab;
Es wächst die Fluth, es wächst die Last.
Ha! ruft er, du ersäufst mich fast;
Mir ist, als trüg’ die Welt ich fort.

120
Da sprach das Kind: Du trägst das Wort,

Das Licht und Glanz der Welt einst gab.
Drauf taucht’s ihn in die Fluth hinab,
Und spricht zu ihm: Ich bin der Christ,
Der nun dein Herr auf ewig ist.

125
Zum Bunde, den ich mit dir schloß,

Tauf’ ich dich jetzt Christophoros.
Nimm deinen Stab, und steck’ ihn kühn
In Staub, und wird er morgen blühn,
Und Früchte tragen über Nacht,

130
Dann denke dabei meiner Macht. –

Sprach’s, und verschwand.
 Christophoros
Pflanzt seinen Stab, der Blüthen schoß,
Und wie ein Baum ihm Früchte trug.

135
     Nun that wohl manchen frommen Zug

Er in der weiten Welt herum,
Zu seines Herrn und Gottes Ruhm. –
Einst kam er in ein Heidenland,
Wo er verfolgt die Christen fand;

140
[361]
Das grämt ihn sehr, denn er verstand

Die Sprache nicht, um Trost und Muth
Zu hauchen in der Dulder Blut.
Drum betet er zum Herrn, und sieh,
Der Himmel ihm die Sprache lieh.

145
Da bracht’ er den Gepeinigten,

Den für den Glauben Sterbenden
Der Christen Trost und Freudigkeit.
     Das kränkt der Heiden Grausamkeit.
Der Eine macht sich hoch und groß

150
Und schlägt keck den Christophoros

In’s Antlitz, wohin kaum er reicht.
Der spricht, wie wär’ mir’s doch so leicht,
Zu treten dich dem Boden gleich;
Doch duld’ ich gern den Backenstreich

155
Um Gottes Willen, und noch mehr.

Drauf stecket in den Boden er
Den dürren Stab, und betet kaum,
Da grünt und blüht der Stab zum Baum’;
Und Alle, die das Wunder sahn,

160
Die Taufe gläubig nun empfahn.

     Das hört der König, und gebeut,
Den Mann, deß sich das Volk erfreut,
Zu stellen vor sein Strafgericht;
Schickt eine Schaar, doch wagt die nicht,

165
Zu nahen ihm, dem Betenden.

Bewundernd den Gewaltigen,
Kehrt sie zurück. Ein zweiter Troß
Soll fangen den Christophoros;

[362]
Doch wie der erste bleibt er fern,
170
Und stört nicht sein Gebet zum Herrn.

Er aber stellet frei sich dar,
Will selbst von der erstaunten Schar,
Daß sie die Händ’ ihm binden soll,
Und trägt und duldet’s freudenvoll

175
Für seinen Herrn. Viel Volk bekehrt

Sein Muth, der Gotteskraft bewährt.
     Und als der König die Gestalt
Des Riesen sieht, und die Gewalt,
Die aus ihm strahlt in Wort und Blick,

180
Da bietet er ihm irdisch Glück,

Wohlleben und viel Ehren an,
Wenn er dem Christ entsagen kann.
     Mit nichten! spricht Christophoros,
Von ihm reißt keine Macht mich los;

185
Er ist der Quell des Heils, des Lichts,

Dein Göttertraum zerrinnt in Nichts.
     Im Kerker büßet er das Wort;
Der König, zornig, läßt sofort
Die tödten, die sich jüngst bekehrt;

190
Doch fühlet er des Mannes Werth.

Gern hätt’ er ihn in seinem Heer.
Ihn zu gewinnen, sendet er
Zween Frauen in den Kerker hin,
Schön von Gestalt und leicht von Sinn,

195
Ihn zu bethören durch die Lust.

Doch zündet in der Frauen Brust
Der Heilige des Glaubens Licht;

[363]
Bekehrt sind sie, und fürchten nicht

Des Königs Martern und den Tod,

200
Sie dulden ihn auf sein Gebot.

Viel Pein litt drauf Christophoros.
Als Ziel an einem Pfahle schoß
Mit Pfeilen nach ihm eine Schar;
Doch in den Lüften wunderbar

205
Hängt fest der Pfeil. Des Königs Blick

Sieht zornig auf. Da kehrt zurück
Ein Pfeil, und bohrt ein Aug’ ihm blind.
     Dem Feinde wohlzuthun gesinnt,
Spricht Christoph’: Bin ich morgen todt,

210
So feuchte mit dem Morgenroth

Von meinem Blut’ dein Auge an,
Dann wird dir’s wieder aufgethan.
     Spott dünkt dem König dieses Wort,
Und drum befiehlt er drauf den Mord.

215
Aus Neugier kühlt der Wunde Gluth

Am Aug’ er mit des Heil’gen Blut;
Und sieh! das Auge wird ihm klar,
Das Heil durchdringt ihn wunderbar;
Er sieht, daß er ein Sünder ist,

220
Bereut die That, und – wird ein Christ.