Der gute Zeuge

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Der gute Zeuge
Untertitel:
aus: Aus dem Märchenschatz der Kaschubei, S. 37–39
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1909
Erscheinungsdatum: 1930
Verlag: Fuchs & Cie.
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Danzig
Übersetzer: Friedrich Lorentz
Originaltitel: O dobrym swiodku
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Gryf 1, 234–235
Quelle: Pomorska Digitale Bibliothek, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
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[37]
Der gute Zeuge.

Ein junger Mensch ging auf Wanderschaft. Als er hungrig und durstig war, ging er in eine Schenke und bat den Wirt, daß er ihm eine Mandel Eier koche. Der kochte ihm auch die Eier und der junge Mensch aß sie auf. Als er dann bezahlen wollte, sagte der Wirt:

„Was soll ich für die Mandel Eier nehmen? Es würde sich mir gar nicht einmal lohnen, die zwei Groschen, die die Eier wohl kosten würden, in das Buch als Einnahme einzuschreiben. Warten wir, bis du mehr verzehrst!“

„Wenn nicht, dann nicht!“ dachte der junge Mensch, bezahlte nicht und ging weiter.

Der Wirt war aber schlau und wartete seine Zeit ab.

Es vergingen ein Jahr und zwei, der junge Mensch verheiratete sich und hatte eine schöne Bauernstelle, an die nichtbezahlten Eier dachte er gar nicht mehr. Aber als die zwei Jahre vergangen waren, verklagte ihn der Wirt und forderte Bezahlung nicht nur für die Eier, sondern auch für die Küchlein und für die Küchlein von den Küchlein, die in den zwei Jahren aus den Eiern ausgekrochen wären. Und das war eine große Summe. Als der Termin kam, verlor der junge Mensch seine Sache, denn er hatte keinen Zeugen, und die Richter gaben dem Wirt recht.

[38] Aber der junge Mensch beruhigte sich dabei nicht, sondern bat, daß ein neuer Termin festgesetzt würde, damit er einen Zeugen beibringen könne.

Doch verging die Zeit und er konnte keinen Zeugen finden. Als es nur noch einen Tag bis zum Termin war, war er in großer Besorgnis, ging in den Wald und weinte. Da trat ein alter Mann zu ihm und fragte: „Weshalb weinst du?“

„Wie sollte ich nicht weinen, wenn ich morgen Termin habe und keinen Zeugen finden kann? Und ohne den verspiele ich wieder.“

Er erzählte alles dem alten Mann, dieser hörte aufmerksam zu und sagte dann: „Sei nur ruhig und fürchte dich nicht! Geh nur morgen auf den Termin, ich werde dir meinen Vater schicken, der wird dein Zeuge sein.“

Am andern Tage ging der junge Mensch auf den Termin, neugierig, ob auch der Zeuge kommen werde. Alle Richter versammelten sich und wollten in der Sache urteilen, aber der Zeuge war nicht da. Da sagten sie zu dem jungen Menschen: „Mit deiner Sache steht es schlecht, der Wirt wird gewinnen. Denn jeder weiß, daß aus der Mandel Eier Hühner auskriechen konnten und wieder Küchlein haben.“

Aber wie sie ihn gerade verurteilen wollten, da stürzte ein uralter Mann in die Gerichtsstube, der war so erhitzt, daß ihm der Schaum vorm Munde stand, und rief: „Ich will Zeuge für den jungen Menschen sein!“

Doch der älteste Richter antwortete: „Du bist fünf Minuten zu spät gekommen.“

„Das darf nicht schaden“, antwortete der alte Mann, „denn ich hatte eine große Arbeit zu tun. Ich mußte heute schon dreißig Scheffel Erbsen kochen und sie aussäen.“

„So alt schon und noch so dumm!“ sagte der Richter. „Wie konntest du das tun, da doch jeder Mensch weiß, daß gekochte Erbsen nicht aufgehen.“

„Wenn es so ist“, antwortete der Alte, „so können auch aus gekochten Eiern keine Hühner auskriechen!“

[39] Jetzt wurde es den Richtern hell im Kopfe, sie verurteilten den Wirt, und der junge Mensch gewann den Prozeß.