Zum Inhalt springen

Der maskirte Wochenkrebs

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<<
Autor: Moritz Gottlieb Saphir
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der maskirte Wochenkrebs
Untertitel:
aus: Der Humorist. Montagsblatt.
27. Februar 1854,
S. 33–34
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Wien
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ÖNB-ANNO
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]
[33]
Der maskirte Wochenkrebs.
Von M. G. Saphir.

     Es ist große Welt-Redoute, en masque, en costume! Der Wochenkrebs, um sich ganz unkenntlich zu machen, sagt: „Es kömmt zu Etwas!“

     Die Geschichte ist so, so wie die „ganze Geschichte“ jetzt ist: fabelhaft!

     Der Wochenkrebs wollte in der letzten Donnerstags-Redoute das Protectorat über eine schwarze Maske mit türkischem Herzen übernehmen. Wenn man mich mit der Maske das allein hätt’ abmachen lassen, wir hätten uns vielleicht verständigt, ohne daß von beiden Seiten die alten Verträge gegen andere Mächte dabei gelitten hätten. Die Türkin war schon geneigt zum Nachgeben, die Punkte waren stipulirt, da kamen Interventionen und verpantschten dem Wochenkrebs die ganze Geschichte!

     Nachdem der Wochenkrebs mit seiner schwarzen Türkin eine halbe Nacht wie eine Circular-Depesche ohne entschiedenen Erfolg im Saale herumcirculirte, mischten sich Westmächte darein und die Türkin wurde durch Einflüsterung obstinat gemacht. Der Wochenkrebs machte Anstalt, die untern Fürsten-Thümer zu besetzen, nämlich mit ihr in die Credenz zu gehen, nicht um Gebietserweiterung zu gewinnen, sondern bloß um eine Garantie, so zu sagen „ein Pfand“ zu haben, -- ein „Pfand der Liebe,“ welches in der Herzens-Politik sagen will: die Verfallszeit ist auf jeden Fall schon vorüber!

     Die schwarze Maske wehrte sich, und bloß um ihr Ernst zu zeigen, bombardirte der Wochenkrebs eine andere im Credenzhafen liegende „Flotte“ und sincpirte sie mit Bonbons, feurigen Bomben und 48pfündigen Witzen.

     Dieses unschuldige Strategiren nahm meine Türkin für einen causus belli, und warf sich in ihrer Aufregung in die Arme von zwei Alliirten! Dadurch wurde ihre Integrität und Selbstständigkeit so aufrecht erhalten, so, daß ihr nicht einmal gestattet war, nach Belieben ein Separat-Verständniß mit dem Wochenkrebs einzugehen! Auch alle alten Verträge, welche diese schwarze Türkin auf frühere Grundlagen einging, mußten aufgehoben werden. Der Status quo ante dürfte gar kein Status mehr sein. Kurz, meine Türkin fand solche Alliirte und Beschützer, daß sie gar nicht mehr zu sehen war! Wahrscheinlich ist ihre Selbstständigkeit ganz aufgegangen und sie existirt nicht mehr im europäischen Staaten-Verbande als unabhängiger Staat. Da dies aber das Gleichgewicht der nächsten Dienstag-Redoute beeinträchtigt, da dadurch alle Handelsinteressen des [34] industriellen Masken-Commerzes afficirt werden, da der Wochenkrebs überdem in der letzten Redoute viel Zündstoff und wühlerische Elemente bemerkte, die immer mehr um sich zu greifen drohen, so muß der Wochenkrebs zu den letzten Anstrengungen greifen, er muß sich rüsten, vor der Hand zur Deckung aller Grenzen, und nach der Hand zur Deckung seiner Couverts, wenn die schwarze Türkin à la carte d’Euròpe gespeis’t werden sollte. Also „Es kommt zu Etwas!“

     Wer wird nach diesem Ausspruch zum Wochenkrebs nun sagen: „ich kenn’ Dich schon?“

     Wenn der Wochenkrebs aber gleich darauf sagen wird: „Es kommt zu nichts!“ dann wird man nicht wissen, war er maskirt als er sagte: „Es kömmt zu Etwas,“ oder war er maskirt als er sagte: „Es kömmt zu nichts!“?!

     So zieht sich ein Philosoph, der in ein Loch gefallen ist, dadurch heraus, daß er sich aus seiner eigenen Philosophie einen Strick dreht und sich an demselben aus dem Loch auf die Zinne der Zeit erhebt!

     Aber in allem Ernst: „Es kommt zu nichts!“ Denn, wie war die Geschichte mit dem „Nichts?“ Zuerst war nichts, dann ward Chaos, dann ward die Welt. Also siehst Du, lieber Leser, zu „Nichts“ ist’s schon gekommen, denn augenblicklich wird das Chaos da sein, und wenn die Welt aus diesem Chaos nicht, wie der „Lloyd“ will, hervorgeht wie ein junger Kriegsgott, der eine Anstellung im Invalidenhaus sucht, so sind nur -- Elementar-Ereignisse daran schuld. Z. B. Zugrundegehung sämmtlicher Menschheit, Trischakung alles Wohlstandes, allgemeine Gedärmverwicklung, die mit einem glücklichen serösen Durchfall aller redlichen Bestrebung endigt. Großes Leichenfeld mit Beleuchtung des äußeren Schauplatzes; dann Einsargung alles Besitzes, alles Geldes, aller Kräfte, welches hundert Jahre spielt, wodurch also das einzige Glück von Europa noch zu erzielen wäre!

     Der Wochenkrebs war nicht der einzige, der, so lang noch etwas zu krebsen war, d. h. zurückzugehen in den Status quo ante, ausrief: „Es soll zu nichts kommen!“ Jedes Land hat, gottlob, ein solches Genie, einen solchen Wochenkrebs! In England war Aberdeen Wochenkrebs, in Paris Fould, in Constantinopel Rizat Pascha, in Petersburg Nesselrode u. s. w.

     Aber verderben wir uns die letzte Faschings-Woche nicht!

     Der Wochenkrebs setzt noch seine Hoffnung auf die Fasching-Dienstag-Redoute! Er fordert hiermit die schwarze Türkin auf, zur Conferenz zu kommen, persönlich, beschicken zählt nichts! Der Hetmann, welcher die Händel eigentlich anfing, und die gute Türkin zuerst aus dem Gleichgewicht brachte, wird auch eingeladen. Es gibt nur ein Mittel noch, das letzte, die Sache auf eine geniale Weise auszutragen, ein Mittel, das man, wie Schiller sagt, dumm nennen könnte, wenn es nicht so ungeheuer gescheidt wäre, nämlich: ein Separat-Bündniß zwischen der Türkin, dem Hetmann und dem Wochenkrebs!

     Aber leider wird der Wochenkrebs nicht mit zu Rath gezogen!

     Also Fasching-Dienstag-Redoute! halt’ Dich zusamm’.

     Es ist schade, daß Wien nicht einen „Faschings-Dienstag-Ochsen“ hat wie Paris! Die Pariser sind weit vorgeschritten! Nicht nur im eleganten „Briefstyl“ durch den Ton der neuesten „Lettres de non – cachet“ als noch mehr durch die Grazie des Witzes! Das muß man den Franzosen lassen, fein sind sie immer, z. B. ist das nicht eben so fein als witzig, daß sie den „Faschings-Ochs“ Menzikoff heißen? Das ist doch ein „ochsiger Witz?“ Wenn nun jetzt die Russen ebenso witzig sein wollten und einem beliebigen Esel mit einem beliebigen vornehmen französischen Namen belegten? Das wäre eine neue Art Kriegsführung. Aber zu dem „Pariser Ochsen“ kann Rußland vor der Hand noch sagen: „Gib Acht, daß Du nicht ausgehackt wirst!“

     Ueberhaupt ist’s zum todtlachen! Es sind in Paris jetzt ein „paar Stiefel“ ausgestellt, in der Passage Geoffrey, sie sind für Omer Pascha bestimmt! Die Pariser Journale reden darüber einen ganzen Stiefel zusammen! Nun hat Omer Pascha ein paar Stiefel aus französischem[WS 1] Saffian, bald wird man ihm ein paar Stiefel aus russischem Juchten anprobiren, wir wollen sehen, in welchen er besser auftreten wird.

     Das sind lauter Wunder und Zeichen, aber es ist noch ein großes Wunder geschehen, ein unglaubliches! Dlle. Rachel, die Tochter vom Papa Felix, hat 1000 Rubel an russische Invaliden geschenkt! „Au wai, Jessika! Jessika!“ Die Franzosen wollten daher Papa Felix enterben, er aber zog sich aus der Affaire, indem er sagte: „Diese tausend Rubel sind für jene Invaliden, welche durch die Franzosen invalid gemacht wurden!“ Noch ist Israel nicht verloren!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: französichem