Der schlafende König
Der schlafende König.
Paulus Diaconus III. 34. |
Der fränkische König Guntram war eines gar guten, friedliebenden Herzens. Ein Mal war er auf die Jagd gegangen, und seine Diener hatten sich hierhin und dahin zerstreut; blos ein einziger, sein liebster und getreuster, blieb noch bei ihm. Da befiel den König große Müdigkeit; er setzte sich unter einen Baum, neigte das Haupt in des Freundes Schooß, und schloß die Augenlieder zum Schlummer. Als er nun entschlafen war, schlich aus Guntrams Munde ein Thierlein hervor in Schlangenweise, lief fort bis zu einem nahe fließenden Bach, an dessen Rand stand es still und wollte gern hinüber. Das hatte alles des Königs Gesell, in dessen Schooß er ruhte, mit angesehen, zog sein Schwert aus der Scheide, und legte es über den Bach hin. Auf dem Schwerte schritt [91] nun das Thierlein hinüber, und ging hin zum Loch eines Berges, da hinein schloss es. Nach einigen Stunden kehrte es zurück, und lief über die nämliche Schwertbrücke wieder in den Mund des Königs. Der König erwachte und sagte zu seinem Gesellen: „ich muß dir meinen Traum erzählen, und das wunderbare Gesicht, das ich gehabt.“ „Ich erblickte einen großen, großen Fluß, darüber war eine eiserne Brücke gebaut; auf der Brücke gelangte ich hinüber, und ging in die Höhle eines hohen Berges; in der Höhle lag ein unsäglicher Schatz und Hort der alten Vorfahren.“ Da erzählte ihm der Gesell alles, was er unter der Zeit des Schlafes gesehen hatte, und wie der Traum mit der wirklichen Erscheinung übereinstimmte. Darauf ward an jenem Ort nachgegraben, und in dem Berg eine große Menge Goldes und Silbers gefunden, das vor Zeiten dahin verborgen war.