Der unbequeme Mitbürger
[108] 14 Der unbequeme Mitbürger
Am Ende des vorigen Jarhunderts lebte in Bockenheim (Saarunion) ein Mann, der seines bitterbösen Wesens wegen allgemein gemiden wurde. Die Bürger des damals noch unter Leiningischer Herschaft stehenden Städtchens beschäftigten sich vil mit im, wagten in aber nie zu reizen, da er im Geruche stand, geheime Künste zu wißen. Es war daher keine Trauer, als es eines Tages hieß, der unbequeme Mitbürger sei plözlich gestorben. Der Pfarrer beorderte die Schulknaben am Tage der Beerdigung vor das Haus des Verstorbenen, um der Leiche das Geleit zu geben und am [109] Grabe zu singen. Als der Zug sich ordnete und der Sarg hinabgetragen wurde, sah plözlich einer der Schüler den Verstorbenen mit seiner Zipfelmüze zum Fenster hinausschauen und im hönisch zunicken. Auf den Schreckensruf des Knaben sahen alle auf und starrten die Erscheinung sprachlos an. Die lächelte, nickte und sprach gelassen in irer hönischen Weise: „Habt wol geglaubt, ir wäret mich los, ja, so weit ist es aber noch nicht!“ Der Pfarrer erholte sich zuerst und rief: „Fort mit dem Sarge“. Und so bewegte sich dann der Zug mit etwas ungewönlicher Eile dem Kirchhofe zu und bald schloß sich die Erde über dem ruhelosen Mann.
Er sollte die Ruhe auch jezt noch nicht finden. Die Umwoner des Fridhofs beklagten sich bald über fortwärendes lautes Lärmen, das sie auf das äusserste ängstigte. Sie ließen in irer Bedrängnis zwei Kapuziner kommen, die bei dem Volke in dem Rufe sten, alle Geister bannen zu können. Dise gruben den Polterer wider aus und bannten in unter eine Brücke. Aber auch hir neckte und ängstigte er die Vorüberziehenden. Es sprang den Bauern, die zum Markt in die Stadt wollten, unsichtbar auf den Rücken und ließ sich als schwere Last biß zur Stadt schleppen. Nochmals wurden die Kapuziner gerufen und dißmal bannten sie in in den tiefen Brunnen seines eigenen Hauses, der dann vermauert wurde. Von jezt an ließ er nichts mer von sich hören. Das Haus, ein weitläufiges Gebäude neben dem Schloß gelegen, kam in den Besiz zweier alten Damen, die dasselbe gern verkaufen wollten. Doch kam kein Verkauf zu Stande, da die alten Damen zur Bedingung machten, daß der Brunnen vermauert blibe. Erst nach irem Tode ließ der Erbe den Brunnen aufdecken. Der Geist zeigte sich im Widerspruche mit der Stadtmeinung nicht mer.