Des Gehängten Besuch

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Textdaten
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Autor: Otto Beneke
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Titel: Des Gehängten Besuch
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 320–322
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
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Erscheinungsort: Hamburg
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[320] 
109. Des Gehängten Besuch.
(1661.)

In Wandsbeck wohnte vor zweihundert Jahren ein Tischler (oder wie’s damals hieß: ein Snittger), Hans Meinecke. Zu dem kam als Gesell ein Obersachse, August Hermann Weinrich, aus dem Vogtlande; der war ein Leckermaul, dem die Kost an Meister Meinecke’s Tisch niemals gut genug dünkte. Sonderlich verachtete er die schöne Grütze aus Buchwaitzen oder Haferkorn, mochte sie nicht essen und nannte des Meisters Kinder Grützköpfe, weil sie Morgens, Mittags und Abends damit gefüttert wurden, was zumal die Meisterin empfindlich vermerkte. Also dem Gesellen Weinrich wird mit der magern Kost auch der feine Flecken Wandsbeck und sein Handwerk zuwider, geht auf und davon, läßt sich bei den Soldaten anwerben, zieht in den Krieg, hält sich tapfer, wird Fähndrich und endlich gar Lieutenant. Als aber die Potentaten Frieden machen, da wird er mit vielen Andern abgedanket und seine Herrlichkeit hat ein Ende. Zieht also der Herr Lieutenant wieder gen Hamburg, allwo lose Leute oftmals ihr Brodt finden, treibt dies und das, recht und schlecht, und gelangt endlich von den geraden Wegen auf krumme. Schmiedet also mit seiner Frau, Margaretha Langin, einen arglistigen Plan, daß sie bei einem vornehmen Kaufmann am Kehrwieder, Tylo Baren, als Amme in Dienst gehet, vorgebend, ihr Mann sei im Kriege geblieben, und so er sie besuchet, heißt er ihr Bruder. Da sie nun die Gelegenheit des Hauses genugsam erkundschaftet hat, stehet sie in einer schönen Nacht behutsam auf, lässet ihren Mann ins Haus, packt mit ihm Gold- und Silbersachen, Geld und Geldeswerth zusammen, und nach verrichteter Arbeit gehen Beide mit der Beute auf und davon. Allein dazumal gab’s schon eine treffliche Nachtwache, die man die [321] Räthelwacht nannte. Die Wächter fangen sie schon an der Brooksbrücke ab und bringen sie in Haft. Das Niedergericht erkannte ihnen den Staupbesen zu. Damit kann Einer zufrieden sein und braucht nicht mehr. Der Lieutenant aber protestirte gewaltig dagegen und sagte: der Schimpf wäre ihm als einem Officier unleidlich, appellirte also an das Obergericht. Das Obergericht sah die Sache genauer an, und da es meinte, diebische Dienstboten müßten strenger bestrafet werden als Andere, vor denen man sich doch eher hüten könne, – auch mittlerweile noch andere Unthaten der beiden Eheleute sich offenbarten, so wurde die Frau geköpft und unterm Hochgerichte begraben, der Mann aber nur in den Galgen gehenket, den 11. November 1661.

Nun begab es sich etliche Tage darnach, daß der Tischler Meinecke in später Abendstunde aus Hamburg nach Wandsbeck heimkehrt. Und wie er dem Galgen vorbeigeht und sieht den Lieutenant Weinrich, seinen vormaligen Gesellen, darin baumeln, so kommt ihm ein Frevelmuth und spottsüchtig Wesen an und spricht überlaut zu dem Gehängten: „ach, du armer Teufel, da hängest du also! Wenn du nun bei mir wärest, statt hier, gelt, die Grütze, die du damals nicht essen wolltest, nun nähmst du sie gewiß und wärst jetzt gern selbst ein Grützkopf wie meine Kinder! nun, wenn du loskommen kannst, so besuch’ mich heut’ zur Nacht und sei mein Gast auf ein Gericht Grütze.“ Hat’s den vorwitzigen Meinecke schon etwas befremdet, daß der arme Sünder im Galgen die Augen geöffnet und ihm zugedreht, da er ihn anzureden begonnen, so entsetzet er sich nun zum Höchsten, als er mit der Anrede fertig ist und der Gehängte dreimal den Kopf hebet und senket, also nicket, zum Zeichen, daß er die Ladung zum Nachtmahle annehme. Kommt also ziemlich verstöret heim, sputet sich, daß er ins Bette kommt und betet eifriger als gewöhnlich den Abendsegen, das [322] Vater Unser und Alle guten Geister. Um Mitternacht aber vernimmt Meinecke draußen ein schreckhaft Gehen, Scharren und Schlorren mit Kettengerassel und Seufzen und Stöhnen; vor seinem Hause bleibt’s stehen und klopft dreimal an die Fensterlade, und als er sie öffnet, da stehet leibhaftig der gehenkte arme Sünder mit seinen Kerten um den Hals und Armen und Beinen davor, grinset ihn fürchterlich an, und spricht dumpf und hohl: „da bin ich, Grütze will ich, gieb mir Grütze, darauf du mich geladen.“ Und der Tischler hat schnell eine Schüssel Grütze hinausgestellt aufs Gesimmse und hat Fenster und Laden fest zugeschlossen und ist ins Bett gekrochen und hat Angstschweiß geschwitzt und ist noch lange Wochen darnach siech gewesen und die Seinigen im Hause nicht minder, die allesammt den Spuk vernommen haben. Die Schüssel hat andern Tages leer und zerbrochen vor dem Fenster gelegen.

Merke: bei Galgen, Hochgerichten und Rabensteinen soll man still vorübergehen, gottselige Gedanken haben, um Bewahrung vor Versuchung bitten, ein Gnade Gott für die armen Sünder sprechen, und keinenfalls mit denselben Gespötte und leichtfertig Wesen treiben, sonst kann’s einem noch ärger gehen als dem Meister Meinecke in Wandsbeck.

Anmerkungen

[387] Nach Steltzner III. 804 und verschiedenen Chroniken.